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BÜCHER 1
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IDirtmngsbraft. tDegcn ber 3nfertionspreife, insbefonbere ber preife für Borgugefeiten.
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Union Deutle DerlagogefeUfcbaft
Stuttgart ❖ Berlin ♦ £ eip3»g
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Copyright 1914 by Union Deutle V«rlageg*ftUf<i)aft in Ctuttgcrt
Crucf der Union &entftt>e DerlagogefeUföaft in Stuttgart
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Jnbalts - üerjeicbnis.
♦
Seite
Das ftrmband der f>et 3 ogin.
Sine ©efchichte aus 5er llrjcit. Son <yrih Sänger.
Seit Silbern pon §. ©cobct 5
Der felige Htajor.
Ponton pon ©corg 0arttpig (Smmp ßocppcl) (gbrt-
fe^ung) 24
Die Körperkultur des Kindes.
Son ©rnft Seiffcrt. 221it 8 Silbern 86
Die Wette des ftmerifaners.
Appelle pon 23. §arb 90
Parifer 6tra£endeliFatefTen.
Son Jtlr. Slpers. 23it 8 Silbern 148
Die junge Kommandeure.
©rjählung con Sjorft Sobemcr 164
neuere Brutapparate.
Son rn. ebner. Slit 9 Silbern 203
mannigfaltiges:
eine tncrftPürbigc Slubienj beim Sultan . . . . 216
2tu8 bem Leben bes eichhbrnchcns 218
©as junge gi:anfrci<h 221
9)iit «ilb.
Liebesbriefe eines töniglicben Slaubarts .... 222
©er alte 23rangcl im ©ienft 225
©hinefifche §öflict)leit 226
eine reichhaltige Sammlung pon Jcftungsfchlüffeln . 227
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4
gnJ>alta-93etjetcf>nia.
©eite
gnfcttcn- unb gonnenfcfrufrpprricfrtung 229
gilt 2 Silbern
Rutfcfrcrfplecn 231
33arum bie grauen mcift frubfefret finb als bic 9flänncc 252
Sin ftohet gd>uftcr 234
Sonbetbarc Stfliefrungsmetbobc 235
Suttertüblcr aus £on 237
giit Cilb.
‘33reia bet gHamnnen in 3ftarotfo 257
„gmfroff, bellen 6ie!" 238
Stnflagc ipc.qcn Santene 239
gin frartnädiget ©cgncc 239
Über 9ftobctorbeiten unb ihre folgen 240
©ut gemeint 240
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♦
♦
❖
♦
♦
Das Armband der f^erjogin.
<£inc $efd)id)te aus der Urzeit. Don $ritj Sänger.
Hlü ßUöern von +
fj* <5rebct. (t?a<f)dru<f oerbottiw)
/C£s fin£> oiele taufenb 3al)rc l>er, feitbem bas ge-
fd)el>cn, toas idt> erjä^ien toill. ©ie <5efd;id>te
fpiclt an einem See, ber nörblid; bes mittleren Seiles
ber 2llpen liegt.
feilte umtrönjen biefen See freunblid;e reben-
beir>ad)fene Ufer, oiele Dörfer finben fid> ju beiben
Seiten, unb eine fdjöne, grofjc Stabt liegt an feinem
Sforbenbe. ©ic Stabt Reifet 8ürid>, unb ber Sec trägt
oon it>r ben tarnen bet güricbet See.
damals ftanb nocf> fein S)aus unb feine £)üttc am
Ufer, bis an ben See reichten bicf>te SSälber, in benen
SBölfe unb Sären Rauften unb ber toilbe 2lr bie £err-
fd>aft führte. $n ben ftelstoänben ber unerflimmbaren
23erge t?orfteten mächtige <S>eier, gegen bie ber heutige
Slbler ein jatjmes ©eflügel barftellt.
3lud> fie griffen ben 3Kenfcf>en an, unb toel)e toenn
ein armer 33eru>unbeter ober 93erunglüdter irgenbroo
liegen blieb, olme' bafj it>m jetnanb 311 §ilfe fommen
tonnte.
Ol), es toar eine tjarte Beit!
©er 2flenfd>en toaren roenige. 2lus bem Often
mären fie getommen, toas fie faum nod> mußten, unb
fie f>attcn feine ©etoeljte, feine fallen mit Staf?l-
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§>as Slrmbcmb bet ^ctjogtn.
□
bügeln, um gegen ihre geinbe 3U fämpfen. 0ie Ratten
auch feine Fernrohre tote bie heutigen ©emsjäger, bie
einem armfcligen Sietlein mit allen Mitteln bet mo-
bernett 2Biffcnfct>aft unb Sechnif auf ben Seib rüden.
Sic hatten noch nicht einmal Schwerter aus <Sifen unb
Stahl, fie befaßen nut Steinhämmer. Qljte Keffer
waren aus ©ronje. ©as ©ifen fannten fie noch nid;t,
aber mit ber 93 ronje mußten fie fet)t gefd)idt umju-
geben. Sie machten baraus aud? fcf>on red;t nieblid;e
Sd>mudftüde für ihre grauen unb für ben ^ausbebarf.
2 Beü biefe Sflenfchen aber einen fo garten Stampf
nad) äugen Ratten, fo fdüoffen fie {ich unt fo mehr unter
fiel) jufammen.
Oie Siere waren ihnen geinb, fie felber füllten fid>
als 23 rübet, unb fo lebten fie gut jufammen. Sic
teilten alles, was fie Ratten, fie Ralfen einanber bei
jeber Slrbeit unb ftanben einanber bei in jeber Slot unb
sBebrätignis.
Oa gab es toeber reid;e nod; arme Seute; 0)0311 mehr
SBaffen befi^en als man brauchen fann? 2B03U mehr
grüd;te anfantmeln als man effen fann? Sloch war es
feinem eingefallen, irgenb ein ©ebiet ab3itgrcn5cn unb
3U fagen: „bas gehört mir." Silles gehörte allen, unb
fo waren fie alle reich. Steiner hatte 311 oiel, man trug
einen ©iirtel um bie £enbcn unb gelle um bie Schultern,
einen Schmud auf betn ^opf unb eine Sljrt an ber Seite.
SBas wäre es wert, wenn man mehr befitjen würbe?
Ob, es war eine fd>öne Seit!
©s war ein fchöncr, fonniger borgen. 33 on ben
girnen glätte ber uuriße Silberfcbnee, unb bie SBaffer
bes Sees fpielten leife mit bem Sd>ilf am Ufer unb
foften um bie fleinen Raufer, bie fid; bie Sftenfcherf auf
pfählen unb SBeibcnftiunmeln im See erbaut batten.
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53on grit} 6ängcr.
7
gmei ©ruppen oon Raufern matcn cs, bie einen
für bie Männer, feft, aber faft fcf>mudlos — holjfmtten
mit nichtigen ©ingängen, ba unb bort bas ©erocil?
eines riesigen hirfd>es ober anbere Sagbtropljäen. 21m
©ingang nicf>t feiten 2Baffcn, bie als Seiten unb als
2Barnung bienten. 2ln ben ^3fäf)len, auf benen bie
einzelnen Keinen 33aumetfe ftanben, mar meift ein
$afm, aus einem ausgef>öl)lten 23aumftamm angefet-
tigt, angebunben.
grcunblicf>et unb geräumiger matcn bie Raufer ber
grauen unb $?inber. ©>ie bilbeten für fid> eine ©tabt,
u)cnn man fo fagen barf, unb fie zeigten ba unb bort
©puren t>on finniger greube an bem, u>as fcf>ön ift.
©inige biefer ^üttlein maren fogar bemalt. 9tid?t
funftooll in unferem ©inne, aber mit ©efd;mad unb
einer gefunben garbenfreube. ©inige Ratten aud?
33lutnen, bie meiften Heine 23orpläl}c, auf benen bie
S^inber fpielen tonnten.
2lus einem fold?en Häuslein, bas am unteren ©nbc
ber ©ruppe lag, trat ein fcfüantes, braunes 2?Jäbd>en.
©s mar nocf? ftill auf bem ©ee. 23or bem bem Ufer
äunädjft liegenben 23au ftanb ein 2ftann auf 2Sacf?e.
©>er febaute immer nad> bem £attbe l;in, fein 23lid toar
finftcr, unb feine §anb umfaßte I?art ben ©cf?aft einer
2ljrt aus ©tein.
$>as 2Häbd?en toarf nur einen flüchtigen 25lid nad?
if?m hinüber, ©ie breitete meit bie 2lrme aus, als
wollte fie Pom 2ftorgcngolb unb ber frifd;en greube
fo piel mie möglid; umfangen, ©ie ftanb mit jurücf-
gelegtem Stopfe unb betete ihr eigenes ©ebet, bas fid;
am beften mit ben 2Bortcn in bie ©prad>c unferer geit
übeefetjen liejje: „O 2Belt, mie bift bu fo munber-
fct>ön !"
gapa mar ganj allein ba braunen, ein paar gifcf>e
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$>a8 2ltmbanb bet ^ctjogin.
. 8
□
jdjuiammen um bie ^fctyle, auf benen bas fjaus ftanb,
unb faf>en nacf> if>r hinauf, bic 93ögel flogen oben burd>
bie Suft unb fangen babei. 8apa tuufjte nichts oon
ben ftifd>en unb fa!> aud> bie 93ögel nicht.
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93ort grriij 6änger.
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6 i e fal) aud> nid;t ben S?af>n, bec bcüben im 6 d)ilfe
ficf) oecbacg, unb in bem ein 92tann am 9tubcc ftanb.
©>iefcc 2 ttann aber faf> naef) 8 apa hinüber unb toactete,
bis fie toegging an bie 33efd)äftigung bes Sages.
©>ann cubecte ec langfam bem Sluslauf bes ^luffes
entgegen, ben man t>eute bie £immat nennt. ©c t?atte
bort feine Slcbeitftätte unb bcadite jeben Sag bort 511 .
Sr u>ar ein 6 cf>mieb, ober toenn man eö richtig fagen
a>iU, ec toac 6 cf>micb, 6 d>loffer, ©olbfdmticb, 92led>a-
niter — alles in eincc ‘•peefon. 2 llle 2 lrbeiten, bie mit
JKetallbeacbcitung ju tun Ratten, gebeten in fein ©c-
biet. gceilid; toac bas ©ebiet tlein unb bie SSertftatt-
eincid;tung unfagbac einfach
©r t)atte eine ^euerftelle, an bec bas Metall toaem
gemacht, nötigenfalls aud) gefdjmolaen toerben tonnte,
unb ec tmtte einige glatte, grofte 6 teine, bie il;m bas
coacen, toas bem heutigen Metallarbeiter bcc Slmbos
ift, unb ec fjatte einige anbcce 6 teine, bie ec als Stimmer
benü^te.
©onjp l)atte für l;eute nuc eine einjige Slcbeit oor-
gefel>en. ©s toac bas eine 6 d)lange aus blantec, rot-
gelbec ©ronje. Mit oielec Mül)e unb großer ©efebid-
liddeit tjatte ec fd)on lange bacan gcacbcitet. §cute
toollte ec bas 6 tüd oollenbett unb — feincc 93eftimmung
jufüt)cen. ©>as mufjte balb gefcf)cben, benn es toac
l)cute ein bcfonbeccc Sag, bec aud) it>m febr wichtig toac.
* *
¥
2 lls bie eeften 6 onnenftral)len fid; im 6 ee babeten,
ba tarnen weit, weit bcc langfam .^älrne um Stöhne.
6 ie toacen alle gleicf) cinfad), unb in allen ftanben unb
fafjen Männcc. ©etoöl?nlid) cubecte nur einec, bie
anbeccn toaren in oollec Kampfcsausrüftung unb oollcnt
6 d)mud, bec sumeift aus einem getrodneten Sicrtopf,
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10 ©äs Sltmbanb bet §erjpgin. □
übet ben bärtigen Sftännetfopf geftülpt, beftanb. Hm
bie Ccfmltern trugen fie SJiemen mit gefdnnadpoll an-
georbneten gellen, in benen bie Söaffen, $pte aus
Ctein unb Keffer aus Sronje, ftedten. Stile Kät)nc
bemegten fid) langfam, faft feierlicf) nad; Siorben, nad)
bem Slusflufc bes Cees. 2 Bo jmei fid; begegneten, be-
grüßten fid) bie Scanner burd) ein lautes, freubiges 8 u-
rufen, unb je met)r fic fiel) bem Hfer näherten, um fo
enger fd)lofj fid> ber 8 ug, ber fid) ausnatmi mie eine
33ölfermanberung.
Cie fteuerten alle bemfelben Sanbepla^ ju, unb bort
mären fdrnn anbere, bie Kalm um Kafm in Empfang
nahmen unb burd) freunblid)cs S;änbcfd)ütteln bie Sln-
fommenben begrüßten.
Slm Sanbepla^ mar eine grofjc Söiefc, bas tjeißt
eine Ctelle, an ber Söalb ausgerobet unb ber ©oben
geebnet mar. 3 n ber Sltitte biefes ^latjes brannte ein
t)elllobernbes geuer auf einem breiten Ctein. Einige
grauen bemühten fid) um bas geuer, unb eine Slnjatü
Kinbet trug aus bem nat)en SBalbe allerlei §olj unb
SSeifig f)erbei. Slnbere grauen brachten 93lumen, mie
fie rings in ber Umgebung mud>fen, unb ftreuten fic
auf ben 23obcn. 33efcmbers oiele in ber SJlitte, in bet
Stäbe bes geuers.
9Iatürlicf) gab es unter ben Scannern unb grauen,
bie ficf? t)ier begrüßten, aieles unb mistiges 311 erjätjlen.
„§>u l;aft ein fcfmnes ?jorn ba an ber Ccite,“ fagte ein
alter, meifebärtiger Krieger ju einem l;erfulifd; gebauten
SJtann. „5>as mar feinjl^iner llr, ber bas getragen.“
„Sflein Bunge erlegtetlfn. Sr mar batnals fe 4 > 3 ct)n
3 al;rc alt unb ftellte fid; U>m mit feiner Styt entgegen.
S>as rcijtc bas £ier, unb es ging it?n an. Sftcin Bunge
tat einen Ceitenfprung unb »erfetjte bem Ctier, ber
an it)m rmrüberrannte, einen Ccblag hinter bie Körner.
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93on Jritj Sänger.
11
§>er Xlr f>atte aber nod> bie Straft, ficf> umjubret>en unb
fafjte mit bem f>orn ben braoen 93uben an ber Senbe,
ber il>m babei nc>d> einen Stict) in ben S)als perfekte.
£s u?ar ein guter Stid>. 2 luf bem ^latje lag ber Ur unb
röchelte oerenbenb fein Seben aus. 31ber aud> mein
brauet Qunge fdjlofj bie gellen Slugen langfam unb t>at
fie nid)t metjr aufgemad;t. 60 trag' id> bas §orn mit
12
$>as Sltmbanb ber §crjocjin.
befonberem 0tolj unb möcht’ aud> nimmer baoon
laffen."
©et alte Sliann, bem bas erjählt würbe, faf> eine
SBeile ju 23oben, i^nn aud; er |>ättc eine ©efdnchte
jagen tonnen, wie er eines feiner $inber in ben flauen
eines 23äten perenben fab; bod) bas batte ben 0chmerj
bes anberen nur neu aufgegraben.
„3br habt es hörtet ba hinten in ben 23etgen."
,,©ie Statut ift n>ilber unb forbert ftraffere Sirme.
0oich leid;te 33urfchen wie jener bort“ — er jeigte auf
einen fd;lanfen Sftann mittlerer ©röjje — „bie wären
ba hinten balb getnieft.“
,,©as ift ber ©onjp, unfer SBaffenfdnnieb. ©er ift
jwar nicht fo ftart wie mancher anbere, aber er hat bafür
feine 0tärfe hier." ©r beutete an feine 0tirne. ,,©as
ift aud; was. Sttan untcrfd;äht ben leicht."
Sin einer anberen 0telle würbe bie ©efcf>id;te pon
einer ftrau, bie einer pon ben S;öhlenmenfd;cn fich ge-
holt hatte, erzählt, ©s war eine alte ©cfd;id;te. ©inige
pon ben 33ewohnern ber ©egenb wohnten nämlich
auch ‘ n fohlen, bie fie an ben ftelswänben ber um-
Uegenben 33erge gefunben unb für fich jurecht gemad;t
hatten, ©iner pon biefen hatte fid; auf bem 0ee ein
Stäbchen geholt, auf bem einfad;ften SBege mitgenom-
men. ©ariiber war natürlich Empörung in ber ganzen
0ippfcf>aft entftanben. llnb eines ©ages fam ein be-
waffneter 93efucf> bes 0chwiegeroaters, ber nicht bie
beften SBejiehungen perfprach; aber bie junge fjrau
trat bajwifcben, unb bie SKänner ftedten ihre Sipte in
ben ©ürtel.
©ie ©efpräd>e perftununten, benn jetjt ging man
an bie Slufgabe bes heutigen ©ages. ©s folltc nämlich
ein §erjog gewählt werben, ©as gcfd;ah ungefähr
in ber ftonn, ln ber man einige taufenb Qahre fpäter
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□ 33 on gtitj 6änger. 13
am 9 tyetn bie beutfchen Könige unb S^aifee mahlte.
<Sin llnterfdneb mar freilich habet. ©s gab noch feine
©bien — aus bem einfachen ©runbe, meil man noch
nicht bie „Uneblen" erfunben fjatte. ©s gab feine
freien unb Unfreien, meil alle für bicfelben Siele
fämpften, meil fie alle fid; gleichmertig füllten.
©arum mar eine fold;e 2Dal?l aud? bas 2Bid?tigfte,
u>as gefcf>ehen fonntc. ©er ^erjog mar nid;t nur ber
Slnfühter in ben Kämpfen mit ben milben 93 eftien unb
gegen räuberifd>e fteinbe, er mar aud> Siebter über
alle «Streitfälle, bie le^tc $nftan3 in «dien ©egenfätjen.
©r bejog aber feinerlei „Slpanage“ unb ging barum
neben feiner SBürbe feiner Arbeit nach, mie ber anbere,
ber nid?t S^erjog mar. Natürlich fonnte für bie 2Jus-
mahl eines geeigneten Cannes nur bie perfönliche ©ücb-
tigfeit entfeheiben.
©a biefe©üd>tigfeit not allem anberen mit ber Sljct
in bet fjanb bemiefen merben mußte, fo galt ba feine
Q 3 etterfd?aft unb feinerlei giitfptadje. ©s entfd^ieb
allein bie Seiftung, unb ein gcraber, aufrichtiger
©harafter mar bie ©runbforberung in feelifd>er
Dichtung.
©s ift begreiflich, bafj man ba oiel 311 reben unb 311
überlegen h«dte. ©enn es mußte noch feiner, ob er
nicht als £er3og heimfuhr.
^nbeffen man barüber fich unterhielt, mud>s bie
Stenge ber SHänncr unb bie 9 teugicr ber grauen. 8n>i-
fchen ben jüngeren mürben auch 0cbec3morte aus-
getaufcht, unb ba unb bort flogen 93 lumen als SBurf-
gefchoffe hin unb her. ©abei mürbe bas ©reiben auf
bem ^pia^e immer lauter unb fein 2?lenfch achtete bat-
auf, bafj fich in ber 9 tähe etmas abfpicltc, bas fonft bas
Sntereffe mohl herausgeforbert hätte.
©onsp ber 6d>mieb mar miebet an feine Slrbeit ge-
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§>as Slrmbanb ber fjerjogiit.
gangen, unb er Riefelte noch immer an feiner Vronje-
fd)iange herum. 2teben ihm ftanb 8apa.
„fjür men ift bas?" fragte bas 23täbd>en.
„3ct> meife es nod) nid)t, oielleicht für bie neue S}er-
5 ogin. SBillft bu mir mit bem 9*eif)erflügel nicht bas
fjeuer anfad>en?"
©as tat Supa feht gern, ©er Sdmüeb hielt fein
Slrbeitftücf über bie Sohlen, unb menn es mieber ge-
nügenb gemärmt mar, nahm er cs auf ben Stein unb
malfte es glcichfam aus, baf$ es immer nod) länger,
fcf)lanfcr unb jicrlid)er mürbe.
,,©ie tann fid> freuen, bie ^ecäogin."
„Vift bu neibifd>, Sapa?"
„Sld; mas !“ rief bas Vtäbd)en. „2ln fo etmas liegt
mir überhaupt nid;ts."
,,©as ift aber fd;abe!"
„3Bie meinft bu bas?"
„3d; meine, es ift fct)abc, bafe bu gcrabe an fo etmas
feine ftreube h a f** Schau, menn id> tagelang fo t>alt>
im Verhohlenen fo ein ©ing geftaltc, ba tomm' ich mir
fo grofj unb glüeflid) oor. $d) meifj nid>t, mas es ift:
meil fonft niemanb bas farm, ober meil bas an fid> eine
fo fd>önc 2lrbeit ift. 2lbet bajj gcrabe bu bir bas gar
nid;t benfen fannft, bas ift mir eigentlich nid;t rccf>t."
©as 921äbd;en fächelte meiter, unb bie Sfrbeit ging
oormärts. 2lus ber gerne, mo bie anbeten mären, hörte
man, baft allerlei Vorbereitungen ihrem ®nbe nahe
maren. 2lud) bas Sd)mucfftücf mar nicht mehr meit
baoon, unb um es richtig ausäuprobieren, hielt es ber
Zünftler oon Seit ju Seit über ben 2lrm bcs 2Käbd)cns.
Vorläufig mar es eine gcrabe Schlange, hell leucbtcnb
unb jicrlich ausgearbeitet.
llnb meil es gar fo fd)ön jufammenpafhe, ber ge-
bräunte 2lrm unb bas golbglänjenbe 27tetallftüct, bat
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93on gritj Sänger.
15
©onäp: „£af$ micf) es einmal umbiegen. möchte
feljen, roie es ficf> in 2Birtlicf)!eit macf)t.“
©as liefe fie ganj gerne gefd)el>en. 9Jlit oiel Sorg-
falt unb ©efd;id roanb er bas Slrmbanb einmal um ben
runben 93orberarm. §>ie Sonne glänjte auf bem Me-
tall, unb als jefet ©onjp bas 22täbd;en anfal), ba merfte
er, bafc es bod> nidjt fo ganj et>rlicf> geroefen mar mit
16
©aö Sltmbanb bet §cr*ogin.
□
bet 33erad>tung feiner Arbeit; eine leicf>te Stöte flim-
merte burd> bas 93raun ber runben Söangen, unb met?r
als bie ©onne im neuen Sitetalle glänjte ba eine t>eim*
lid?e f^reube in biefen tlaren Sltäbd?enaugcn.
Sr manb bas 23anb nod? einmal tjerum.
„Of>, bas toirft bu gar nid?t mef>r losbringen l" rief
Sapa,
„Sltan fielet fonft nicf>t, toie fd)ön es ift," gab er tyr
jurüd.
©ie Jagte nichts barauf unb t>ielt ben Slrm gebulbig
f>in. 93orficf)tig machte er mit ben gefd?idten Ringern
bes Jjanbmerfers eine britte SBcnbung.
Sie Jagte nichts met?r, molltc aber ben Sltm jurüd-
äietjen.
©a t)ielt er bie £>anb feft. „Stein, 8 apa, es pajjt fo
gut! £afj mit bie ftreube!"
Sr machte eine oierte, eine fünfte unb eine fed?fte
SBinbung ber Sronjefdjlange, je^t fat> man erft, toie
fd?ön bas mar. ©es Sltäbdjcns Slugcn mürben immer
größer, unb auf einmal, als es ficf> in feiner 5 c *ube ent-
beeft fat>, ba fd>ämtc es fid>, meil es oortjer fo leid)tt>in
bas oermorfen f>atte, mas il?m jetjt bas Sjerj cnf 4 >^ c
fcblagen machte.
©a ertönte ein S)ornruf oom ^la^e t>er, mo bie
anberen maren.
„3d> mufe je^t gelten,“ Jagte ©onjp unb legte feine
SBcrtjeuge an it)ren ^ßla^.
„Stimm bie ©erlange ab!" bat bas Süäbd?en.
„Ss ift 511 fpät, id) tann fie jeijt nid>t mel?r herunter
nehmen, fonft oerfäume id> bie SBabl!"
,,©ie ©erlange ber Jjerjogin mill id? nid>t tragen !“
Slbct ber ©d;mieb mar fd?on auf bem SBege. „Safc
fie nur, benn fie ftet>t bir gut, bie ©cblange ber £et-
1 “
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33on ga'-!5 ©äuget.
17
©r ging, uub 8 apa blieb jurücf. Sie liefe ben Sinn
finten, auf bern bas Sdjmiufftücf brannte; es mar it>r
unangenehm, es 311 befifeen, unb nod; unangenehmer,
baran ju benfen, bafe man e& ihr rnieber nehmen unb
einer anberen um ben Sinn minben mürbe.
6 ie oerfuchte fd>liefelich felbft, es losjuniad;en, aber
fo einfad; es umgebunben morben mar, fo fchmer mar
cs jefet, es abjuminben. Sie ftanb unfd;lüffig. ©ern
märe fie ju ben anberen grauen gegangen, aber fo
molltc fie es nicht. ©inmal burchjucfte fie ber ©ebanfe:
„oielleid;t mirft bu felbft ^erjogin, bann fönnteft
bu bas Slrmbanb behalten“ — bann lachte fie fid? aus
barüber unb fcfüich betn S3erfamtnlungsplafe näher, fo
bafe fie fehen tonnte, mas gefchah, ohne felbft b einer ft
ju merben.
Sluf bem ^lafee mar ein gtofeer S?reis gejogen
morben, ber burd> SBaffen, bie bort lagen, urngrenjt
mürbe. §>as mar eine meife S3orfid;t, ja, cs hatte jeber
noch ben Schmur abjulegen, an biefem Sage feine
SBaffen 31 t gebraud;en, unb feiner burfte mit ben
SBaffen in ben $änben ober auch nur on <£eite
ben einmal gemeibten S^reis übertreten. So follten
alle $)änbel, bie ficf> aus ober bei ber SBabl ergeben
fonnten, im ooraus unterbrüeft merben.
©>ie Söahl felbft mar febr einfach. 5>urd) Suruf
mürben eine Slnjahl SUänner in ben engeren $reis
gemählt. Slus biefen fd;ieben junächft einige freimütig
aus, fdüiefelid) maren nur noch brei im Greife. S3on
biefen breien hatte ber eine einen grauen 23art unb
eine gebüefte Haltung, fonft mar er am beften mit
einem 23ären ju oergleichen, ©in milber ©rofe lag über
feiner Stirn, unb er prüfte bie beiben Slioalen. Sic
maren beibe burch förperlicbc ©röfee ausgejeiefmet,
fonft fannte er fie nicht.
lOU. xi. 2
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S>as Slrmbanb ber §crjogiit.
St blieb im S?reis; bcc 3weite war piel jünger ab
bie anbecen beiben, ec war ausgefprod;en fd)ön ge-
wachfen unb war pon benen erwählt worben, bie auf
bie ©d>önheit fallen, ©er britte rpar ein 27 lann in
braunem 93 arte, etrnas Heiner ab bie anberen 3wci.
Qm weiten ilmtreb war es ftill. ©er leftte 2Bat)l-
gang würbe porbereitet. 3 ?lan grenjte brei ©egmente
bes Greifes ab, inbem man weiften ©anb auf bie grüne
gebe ftreute unb fo ©trid>e mattierte. 93 orgcfet>en
war, baft für jeben ber brei Männer, bie in ber OTitte
beifammen ftanben, ein ©egment beftimmt werben
follte, in betn ficf> feine 3 Bät)ler fammelten.
©efton waren einige in bie perfd)iebenen ©egmente
eingetreten, ba fagte plöftlich ber 3üngfte ju bem ©rau-
bärtigen: „ 53 ift bu es nicht, ber ein S^inb aus einem
©eierneft gel;olt?“
©er Slngerebete fagte nichts, aber einer ber anberen
gab bie Antwort: „3a, bas t>at er getan, unb es ift
nicht einmal bas 23 efte, was er getan t>at."
©arauf trat ber 3üngfte aus bem $reis in ber 9 Iiitte.
Ss waren nur noch jwei bacinnen.
3eftt war bie SBaftl einfad;er. 2Iian teilte fid? in
3wei Raufen unb 3äf)lte jeben breimal.
©ie überwiegenbe Mehrheit blieb bem 3ürtgeren.
©ec anbere fd;ritt aufrechter als er fonft §u geften pflegte
aus bem Greife, unb bie fjreunbe bes neuen S)erjogs
tarnen, um ihm ein frohes Söort 311 fagen.
(Einer ftieg auf ben ©tein in ber OTitte unb rief es
laut, als wenn es alle Söälber hören follten: „§od>
lebe ©roff, ber S)et3og !"
2lber nod; war bie §anblung nicht gan3 fertig, benn
ber neue S)er3og hatte bas 9 tccht, eine grau 311 wählen,
bie ihm pon ber ©ippe, 311 ber er gehörte, gefd)enft
würbe, ©onft entfd;ieb bie natürliche Neigung 3weier
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□
93on gritj 6änger.
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9 ftenfd)en barüber, ob fie 3ufammenget)dren n>ollten
ober nid>t. §>ie S^t erforberte ein ftarfes ©efd>led)t,
unb barum tonnte es feine anbere Sluswafjl geben, als
bie oon bet Slllmutter Statue felber gegebene. Stur bec
neue §etjog burfte firf? bas Sftäbcf)en and) aus fremben
©ippen ausfudjen, bas it)m am meiften jufagte. §>as
Stecht galt aud> bann, toenn er bereits, toie es bei ©roff
ber 5atl mar, eine 5 rau Mte unb Familie befafe.
§>rei Scanner, bie Silteftcn ber ©egenb, gingen 311
bem 9 teugewäl)lten unb frugen it>n nad> feiner S8at)l.
©r befann fid> nid)t lang. Silit t>eller ©timme fagte
er ben Stamen, ben alle fannten: „8apa!"
„8apa!" riefen bie brei Scanner, „8apa“ flüfterten
alle grauen unb Sftäbdjen in ber Stunbe. Silier 33 licfe
fuditen 8apa.
§>ie ftanb in einiger ©ntfernung perborgen hinter
einem blüf>enben ©trauet). ©ie t>atte gehört, was ge-
feiten toar.
3m Slugenblide bäumte fid; ctu>as in it>r auf. §>ie
fjrau biefes Spannes follte fie fein? Stic im Sebcn!
©cf>on einmal l)atte er um fie geworben, unb ein
anbermal war fie itmi im SBalbe begegnet, unb nur
it>re fdmellen ftüfee retteten fie oor feiner Siebe, bie
fie nicf>t erwibern tonnte. 3e^t tonnten freilid? bie
fcfmellften fjüße fic nicht retten.
©ie machte eine leife Bewegung unb faf> ben
©d)muct, ber if)ren Slrm jierte, in bet ©onne glätten.
SBie ein £>of)n fd)ien es it>r, ba& fie bas trug. 2Bas l)atte
fie mit bem ©d)tnucf 3U tun? ©ie 3errte in SBut baran,
aber er wid) nid)t.
Snbeffen rief man auf bem ^latjc 3utn sweiten
Sflale naef) ber neuen ^etsogin. ftef^t S^tt es fdmell
311 tjanbeln.
5 >a l)örte fie, wie nid)t weit pon it?r entfernt ein llr
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$>as $lrmbant> ber ^crjogin.
□
mit mächtigem ©ebrüll aus bem 2Salbe beaefn Sc
rannte in uülben ©ätjen auf ben ‘ipiat} 511, u?o bic
SHänner necfammelt ftanben unb bereit waren, it?re
^erjogin 51t empfangen.
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2Ils ber Ilr ber Stenge anfid;tig mürbe, blieb ec
einen 2lugenblid ftet>en.
Saut auftreifdjenb liefen bie grauen unb S^inbet
auseinanber. Sind) bie 9 Hänner widmen jurücf. 6ie
batten ja leine SBaffen in ben fjänben.
9 tur einer blieb fteben, baß war ber neue £erjog.
$>er llr foulte ben S^opf, bafe bic Sdmau^c faft ben
^ 3 obcn berührte, unb lief langfant auf ben OTann 511,
93on Sänger.
21
□
ber in ber Glitte bcö ^pia^cs allein ftanb. ©a büdte
fid? ber neue ^crjog unb ergriff einen feineren ©teilt,
ber oor if>tn lag; ben l)ob er mit beiben Rauben l)od)
über ben $opf unb crmartete ben ©tier.
2lls ber llr nocf> etma brei ©dritte pon bcm Spanne,
auf ben er es abgefeiten Itatte, entfernt mar, fcbleubertc
biefet ben ferneren ©tein nad> ifmt.
£ätte er if>n mitten auf ben ©d)äbel getroffen, mo-
l)in er gejiclt batte, fo toäre bie S)irnfcbalc bes ©ticres
jerpla^t mie eine ©eifenblafe, t>ätte er ilm meiter hinten,
auf ben 33 ug getroffen, bie ©d;ulterblätter mären ge-
fprungen. 2(ber ber ©tein flog auf ben gefteiften
Staden unb prallte ab mie auf ©ummi.
3e^t mollte ber ^erjog ben llr bei ben Römern
faffen, baju mar cs aber ju fpät, unb el>e er baju tarn,
t>atte itm ber Hr gcmorfeti unb fcbleubertc ihn laut
briillenb auf bie ©eite.
©er llr blieb einen Slugenblid ftet>en, unb mie im
Skmufttfein feiner Seiftung faf? er um fict>, als mollte
er fragen: „mer l)at meiter Suft, mit mir einen ©ang
311 tun?“
©0 menig oerlodenb bas fd)ien, fo bauerte es bod)
nur ©etunben, bann trat ein anberer in ben S^reis.
©in SJlann olme Söaffen, nid)t fdtmer gebaut mie ber
^erjog, ber leblos auf bem 33 obcn lag, aber gcfdnncibig
unb gemanbt. £angfam ging er auf ben llr 311, ber
fid) faft bes ©egners 311 fdtätnen freien, benn oorläufig
faf> er it>n in aller Stufte auf fid) 3ulommen.
Slud) bie STtänner, bie ringsum ftauben, mußten nid)t
red;t, ob ber 33 ermegene ben 23 erftanb oerloren Itatte,
ober ob er ein £ebcn 31t oiel in feinem Körper füllte.
©ett ©egtter unterfdjä^en, bas l)at fcfmn manchen
tüchtigen Kämpfer gefoftet, unb fo ging cs and) hier —
bem llr.
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22 ©as Stnnbanb bcc ^erjogin. □
@c nal>m feinen Slnlauf ju fpät unb wollte bas bued?
^eftigteit einf>olen. ©abei oecloc ec fein 3tc(. ©ec
92tann tat einen 6eitcnfpcung unb tcat bem llc babei
mit ooliec $caft in bas S?nie bes ced?ten 33ocbecbcines,
fo bafe ec ftücjtc.
getjt geiff bec 22tann rtad) bem $opf bes 21c, fafjte
ifm mit bem ©autnen unb bem SHittelfingec bec ced;ten
§anb in bie beiben 9lafenlöd;ec, mit bec linfen S)anb
padte ec ein £ocn, unb beerte bem 6ticc ben S?opf um.
©ec llc brüllte unb fd>üttelte, abec es t)alf it>m
nichts — ec tarn nid>t los.
3e^t liefen bie Banner tjecju unb man fd>lug ben
llc mit 6teinen auf ben $opf, bis ec betäubt toac unb
oecenbete.
©ann würbe es ftill im Steife, unb einige 9Hännec
gingen 311 bem Sjerjog I?in, bec immec nod) am 23oben lag.
„Jjecjog, l>öcft bw uns?“
©ec abec fagte mit fd>wad>er 6timme: „©er boct
fei euec ^ecjog!“
(Sr beutete auf ben 6tiectötec. (Ss war ©onjp bec
6d>mieb.
Sein 91)ille gefefjaf). gubelnb cief man ben neuen
fjerjog aus.
ßapa Jjatte oon alle bem nichts gefeiten. 9lls fie
ben fiäcm oernabm, bec fie in ben ©iefen itjcec Seele
erfcfmttern machte, pcefjte fie bie Sjänbe 00c bas ©eficf)t
unb tniete neben einem biden (Sid^enftamme niebec.
(Srft als fie eine befannte Stimme neben fiel) oec-
nalpn, l>ord)te fie auf.
„8apa," fragte jemanb, „willft bu mein Söeib
werben?“*)
*) @icf>e bas Sitdbilb,
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33on %x\% Sänget.
23
„6ie muft — fie mufjT" tiefen lue 5 cauc n.
„3apa, id> frage bkt>, unüft bu mein SBeib fein?"
$>a ftrecfte fie bie §anb mit bet golbglänjenben
6d>iange f>in, unb ©onjp bet Gdnnieb l>ob feine junge
$rau auf, unb führte fie mit ben anbcren g^uen auf
ben tunben ^5la^, wo man jur S^ocfoeitsfeier rüftete.
Einmal ftrekfjeltc et iijren 2lrm, um ben bet Gcfüan-
genreif gewunben war, unb fagte: „<5r war bod> für
bie ^erjogin!"
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Oer felige fllojor.
Homon oott 0eorg ^ortiolg (<tmmy Kotppel).
(Scrtfetjung.)
(n<xf>öru<f oerboten.)
Neuntes Kapitel.
(^fcrau p. Stalau nahm Sjut unb Hantel unb eilte
O au f Strafe, um bie 33crlobungsanjeigen ofme
^erjug btuefen 311 laffen.
Unweit ihrer SBotmung fticjj fie auf ^rofeffor
0 tettenborn, ber grüßenb an ihr poriiberging, auf ihren
Slnruf aber fielen blieb unb einen 0 d>ritt jurüdtrat.
0ie l>ielt il;m bas im Söinbc flatternbe 93latt Rapier
entgegen, „können 0ie raten? Ober l>aben 0ie fchon
gehört?"
„3Beber bas eine, nod) bas anbere.“
„2llfo: meine Oochter 33arbara hat fid> geftern mit
bem jungen Hertens perlobt."
Oie mütterliche greube leuchtete ihr fo flar aus
ben 2 lugen, bafj 0 tettenborn feine 2 lbueigung gegen
fie pergaß unb ihr bie S)anb brüdte. „deinen beften
(Slüdwunfd; — and; ber fehonen 2 ?raut, bis id; fclbft
©elegenheit nehmen tarnt — 0 ie perjeif>en, ich bin fehr
eilig, ftcau *>• Sdüper erwartet mich feit einer 0 tunbc,
aber ein fdtwerer fjall hat mich fo lange aufget>altcn."
„ 0 chön — fd;ön!" fagte fie freunblich. „kommen
0ie nur halb. 93arbara wirb fid> fel;r freuen,“
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□
9tomau von ©eocg §arhoig (Smmp t?ocppel). 25
©r tjattc niemals gehört, baß biefe Verlobung in
6 id>t fei, pielmehr ftets 9Keta 23reunide für hie ju-
tünftige $rau SHertens gehalten. So mar es natürlich,
haß hiefe 9tachrid;t if?n überrafd;te. ©r fd?üttelte ben
$opf. Schlecht 311 begreifen mar es, mie hiefe purpur-
heiße ?3lunie, ohne Schaben ju nehmen, in has bürre
Stußungsbeet her alten viertens ju perpflanjen fei.
gmar fd?ä^tc er Slrnolfs ^crfönlicbteit lmd> ein, aber
auch l;icr ftieß er auf einen SBiberfpruch jmifchen her
fprüt>enhen Sebensluft 93arbaras unh hem ernften
Innenleben ihres Verlobten.
gnheffen hiefe ©ehanten fd>manhen, je mehr er fid;
her 93illa $lüoer näherte, hie in ihrem 0d>lößd;cnftil
fid) blenbenbmeiß oom blauen ^immelshintergrunh ab-
hob. ©r tonnte es oor fid) felbft nid)t perleugnen, baß
hiefer ©ang meitab lag oon her berufsmäßigen ©elaffen-
heit, hie ihn auf fonftigen ©äugen 511 begleiten pflegte,
unh haß es eine Regung her Spannung unh ©rmartung
mar, hie feinen Sd;ritt befd;leunigte, unh hie uid;t
nad>ließ, bis hie liebliche, blcnhe fjrau oor ihm ftanh
unh ihre Srjanb pertraucnh in hie feine legte.
„3cb fndte febon hamit gered;net, Sie beute nicht
mehr 511 fehen," fügte ©l;rifta, unh her blaue ©lauj
ihrer Slugen leud;tete ihm mie ein Sonnenftrahl ins
^crj. „Ungehulh ift eine Hntugenb — aber ich war
febr ungebulbig.“
9Bie er fid; über ihre £janb neigte, glaubte er micher
ein leifes 33eben in herfelbert ju empfinhen. „Söenn
es in meiner 9]iad>t gelegen hätte," fagte er aufblidenh,
„follten Sie meine ^ünttlid;teit bemunhert haben. 9lbcr
ein armer 3Tienfcb, auf einem Neubau perunglüeft, nahm
meine £)ilfc gau,} in 9lnfprucb. — Sic jiirncn mir hod;
nid;t?“ fragte er fd;cr,jeuh. „$>as märe eine 51 t barte
Strafe." ©r glaubte nie ctmas fo ?veijeuhcs gefchcn
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26
©er feligc 9ftajor.
□
311 Reiben als bas Iicf>tc 9 tot, bas über ihre SBangett
tmfehte. „§>atf ich nun tpiffen — "
Hnfd>lüffigEcit unb Verlegenheit fpiegelten fich in
ihren Sögen, als fie leife fagte: „(Ss ift mir fo peinlich,
baoon 311 Sprechen — ja, faft erscheint es mir mie ein
Unrecht. 2 tur mein großes, mein unbefchränttes Ver-
trauen — "
,,©ie bürfen es in mich fetten, " unterbrach er ihr
Sägern. „Sn jeber Ve3iehung bürfen ©ie mir 3 h c
Vertrauen fcf>cnten. Niemals fann ein Vlann unb 2lr3t
es höh« bewertet haben, als ich es tue. (Srleichtem
©ie 3h c C>er3. @0 hanbelt fich um bas Kinb?“
©ie fah noch immer oor fich nieber. „ 9 ?ein, bies-
mal nicht. Slber ich habe niemanb, beti ich fragen tonnte
— nur ©ie allein."
(Sr legte feine Rechte auf ihre gefalteten £änbc.
„2llfo um ©ie felbft?"
©ie fchüttelte ben S^opf. „Um meinen Vlann. —
Sch habe,“ fagte fie rafcher, „oft unb immer mieber
an (Sinbilburtg geglaubt, aber ich barf mich nicht länger
felbft betrügen. S«h n>eife nicht, mas es ift, aber etroas
an ihm ober in ihm ift nicht fo, mie es fein follte,"
flüfterte fie mehr als fie fprad>.
„2luch nicht, mie es mar? ©onft mar?" fragte ©tetten-
born aufmertfam.
„ 9 tein, teinesmegs."
2Bie fie je^t 311 ihm auffab, mar es, als burchflöffe
ein befreienber ©trotn ihre aufgeftaute ©orgenlaft, unb
mit 3itternben Sippen oerfuchte fie ein Sächeln.
„ 9 ln feine Verbitterung burch bas arme Slinb bin
ich ja gemöhnt, mic an bie ^yrcublofigtcit unb Srieblofig-
teit, bie bamit in ßufamnienhang flehen. 5 ln alles
Seib,“ miebcrholte fie tiefaufatmenb, „bin ich gemöhnt.
2tur eines tann ich nicht begreifen — "
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□ Vornan oon ©eorg Wartung (Smrnp ßoeppel). 27
„Sprechen Sie aus, mas Birnen Sorge macht,"
fagte Stettenborn mit marmer fjerjlid>feit. ,,Bd) bin
baju t)ier, glnten mit beftem 2Billen ju Reifen, fomeit
es in meiner ©lacht ftel>t."
„3d> lann ben 3Bed>fel feiner Stimmung, tiefen
fd>neibenben Zlnterfd>ieb in berfeiben oft nicht be-
greifen,“ fiüfterte fie, il;r §aupt ju ihm neigenb, ab
fd>eue fie fid>, ein l?eimlid;e8 Hnred;t ju begehen. „@in
oerbtoffener, gebeugter unb lebensmüber ©lann —
plötzlich mie burch ein SBunbct oon 5rifd;e unb ©eg-
famfeit burchbrungen, pou einer Slaftijität unb guten
Saune — u>ie Sie if>n geftern fat>en."
„©llerbings, fet?r guter Saune,“ mieberholte er.
„Sdjelten Sie mich töcid;t, Jjerr ^rofeffor," fagte
Gtyrifta mit judenben SBimpern, „bitte, tun Sie es —
fo fällt eine unbegreifliche furcht 00,1 mir öb. ®enn
ich höbe 5 u *<h* oor biefem Stimmungsmed>fel. ©8
ift mir immer, ab läge ein gefpenftifches Sicht bariiber,
ab märe es nur eine ©laste, bie feine ltnjufriebent>eit
unb ©erfchloffenheit birgt. — Sieber," fügte fie errötenb
ju, „toill ich ben ©ormurf, unfer armes S^inb geboren
ju höben, in feinen Bügen lefen ab biefe leichtlebige
©elaffenheit.“
„Sinb folch h^üere Slnmanb lungert oon längerer
ober nur oon turjer ©auer?" fragte Stettenborn, unb
bie flüchtige ©ermunberung, bie S^lüoers ©erhalten
geftern in ihm erregte, tehrte bebeutungsooller jurüd.
„Oer Stunben, in benen mir uns täglich jufammen-
finben, finb nicht oiele,“ fagte <Ehciftö mit ihn tief-
bemegenber Offenheit, „fo fann id; bie Oauet ber einen
mie ber anberen Stimmung nicht gegencinanbet ab-
meffen. ©ber ich glaube fagen ju fönnen, baft betn
elaftifchen ©uffchmung immer ein größerer Siefftanb
bes ©llgemeinbefinbens folgt, ab er juoor beftanb.“
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S>cr fciigc 9!iajor.
□
3 u unb brüdte U;m einen S^ornblumenftrauf} in bie
^anb — "
,,©>as waren 0 ie?" fragte er überragt. „Statür-
lid), es war bas fleine gräulein o. Sinfingen mit ihrer
©ouoernante."
0 ie niefte. 2 lls wenn ihre 0 ecle ^lügcl entfaltete,
fo leicht flogen it>r jetjt ©ebanfen unb SBorte ju. „28ie
@ie mir bamals imponiert haben ! ©ar nicht ju fagen.
3 d) ocrfud)te noch -ein paarmal, 0 ie toieberjufeben unb
mit 33lumen ju befd;enfen, aber erftens betam id>
0 d)elte bafür, unb bann waren 0 ie abgereift. Unb
als 3h c 33ater 0toljenl}agen oerliefj, ba war es ganj
aus unb oorbei."
„Unb nun l^abe id) ben 23orjug unb bas ©lüd,“
fagte er mit warmer Qnnigfeit, „ 3 l>nen gegenüberfi^en
ju bürfen. 0o fpielt bas Sehen mit uns. ©in ewiges
2 ßed>felfpiel oon ftitiben unb Verlieren. 3 n biefem
^alle erfreulicherweife oon Verlieren unb SDieberfinben.
— Sftir ift es nicht ganj leidet geworben, ben ^latj
311 ertämpfen, auf ben ich gelangen wollte. 2 lber ber
Söille ift ber 0d>Iüffel jur 9ftad;t. — 38ir firtb alfo alte
23etannte, ^rau 2?aronin. ©>a muffen wir treulich
3 ufammenf)alten, unb auf alles, was id) tann unb oer-
mag, t)aben 0 ie ben elften Slnfprucf). 0 oll id) bas
Slinb nod> einmal anfefjen?“
„Stein," fagte fie leife. ,,©s ift nichts oeränbert."
©s brängte ilm 311 einer grage, bie außerhalb beffen
lag, was ihn als 2 lrst interefficrcn fonnte. „SBie alt
waren 0ie, als 0ie §errn 0 . SUüoer heirateten?"
„Slcf)t 3 et)n ftahre."
,,©>a t)at man 3 h ncn fetn: früh bie 3 ugenb 3 eit burd)-
fdmitten,“ fagte er mit nicht 311 unterbrüdenbem Vor-
wurf.
0 ie fenlte bas §aupt. ^abre waren oergangen,
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□ Vornan t>oit ©eorg §avta>ig (©mmp ßoeppel). 31
beoor fie bas nur ju benten wagte, unb aucf) bann nur
als ein Hnredjt gegen ben Vlann, beffen Flamen fie
trug. Unb tief unb fetnoeigfam oerfcf>lof$ fie es bis ju
biefer Stunbe in ü>rer (Seele. Slber plötjlicf), wie eine
Eingebung, !atn bie ©ewißljeit über fie, bafj ein Slugen-
blief fommen mu^te, ber ben Siegel beifeite fd;ob. 6ie
jitterte bapor unb t)egte bod> ein fetmenbes Verlangen,
it?r Oenten unb ©mpfinben bem Vlannc ju entf^leiern,
beffen mitfütüenbcs Verftänbnis iPie warmer fienäes-
l;aud> burd) Söangigfcit unb Kümmernis bis ins Ver-
borgene brang.
©r las genug aus biefem 6d>weigen, um abermals
bas £t>ema ju wed)feln. „ftd) tann mid> mit einer
Veuigfeit oerabfcf)ieben. 6oeben teilte mir fjrau
p. SMau bie Verlobung it?rer 2Tod>ter mit bem jungen
Viertens mit. Vun finb 6ie fo erftaunt wie icf>,“ fd?lof 5
er fd>erjenb.
,,©s wet)t etwas Vefonberes um biefes fd>öne Vtäb-
d>en,“ fagte ftrau o. Witwer nad)bentlid). „Ober, beffer
gefagt, es gel;t etwas Vefonberes oon it>r aus. 8u-
weilen, wenn icf> bejaubert bin oon it>rer 6d>önf>eit — "
„grau Varonin," unter brad; et fie läd;elnb, „bafj
eine grau ber anberen fo oiel (Sered)tigfeit wiber-
fat>ren läfjt unb uneingefd>räntt fd;ön nennt, was wirt-
lid) fdjöti ift, erfüllt mid> mit bet größten £jod>ad)tung.“
„$ann man benn I>ier anbers?"
„Ö ja, man tann. Vtan fe^t ein Slber babinter unb
löfd)t batnit jur guten £jäifte aus, u^as ootbem ©ünftiges
geäußert worben ift. Öiefcs 2lber tann SDunber wirten,
es tlingt fo harmlos unb ift fo febarf gefcfüiffcn, cs
täufd>t Vebauern oor unb ift fel;r graufam. ©in guter
Vtenfcb, aber — ber Vadjfatj lautet: bunun!“
©l;rijta nidte läd;elnb. ,,©s mag fo fein. 2Bas id)
Ijinjufügen wollte, bejog fid> auf ein perfönlid>es ©e-
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32
©er fcligc 22k)or.
□
©s wcl)t non 23arbara Kalau ju mir grübet
wie — wie — “
„5öie 3icib!" fagte er. „ 2 öol;l tnöglid).“
„5öorauf?" fragte fic erftaunt.
„ 2 luf bic Umrafmumg 3 t>rer Verfem. 38esl;alb berm
nid)t? ©d>önheit ift eine Königin — unb Königinnen
l>aben nid>t gern mit ©ürftigfeit 311 fchaffen. SBenn
nrid> nicht alles täufcht, ift biefe Verlobung ©Arge für
bie 9?id>tigfeit meiner 23et>auptung."
,,©ic glauben nid)t, bafj Steigung — "
„©er 33cgriff Siebe ift befmbar. Zieles fd>lüpft
barunter. SDenn ber ruffifdje 93auer fein SBeib niebt
wödjentlid) einmal gehörig burd)prügelt, beweint fie
feinen Mangel an Siebe, unb wenn türfifd^e C£ifcrfud?t
bie Jjareinsbatnen nid>t hinter ©itter unb ©dreier
fperrt, gct>t für it>r Smpfinben bie Siebe in bie 33rüd)c."
©ie wellte lächeln, aber ein pochenbcs 2 lngftgefüt>l
lärmte it>rc Sippen, £>atte fie benn ilwen 3flann ge-
liebt, ben alternben, fe lange et)efeinblid> gefinnten
23aren Klüeer, ben 9Hann, ber unter bem 3ubel ber
^afelrunbe beim ©effert ihr feine S 3 lin ^ enttrug? ©er
nid)t fragte, eb ihr Sjerj fein begehrte? ©er nur it>re
Eingabe an ben Sjauptftamm feines alten ©cfchlcchts
eerlangte — weiter nichts? — 2 lus einer Stebclwelt
unburd;bad;ter, red;enfd;aftslofer ©rinnerungen löfte
fid) biefe g=rage wie eine jüngelnbe flamme, bie bas
53erfd>leiertc burd>lcud)tcte unb Klarheit anftrebte. ©ic
afjnte plöijlich, weshalb ©tettenborn mit feiner 2 lnt-
wort ben 2 Bcg bcs ©cherjcs einfchlug. ©r fehemte bic
©teile, bic ihr wctjtun nuifjte, er fdjonte fie, weil er
glaubte, baft and) fie, bie llnuermögenbe, bem Kliioer-
fchen Reichtum ficb ergeben.
©egen biefen ^inuahit bäumte fid> alles in ihr auf.
Ilnb babei fchlich ein ^röftelit über fic hin in bem ©c-
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□ 9iontan pon ©eovg §artu>ig (gmmi) ßoeppel). 33
bauten, baf$ aud> anbere Singen bas ©eheitnnis ihrer
Sebensöbe ectannt haben feilten.
Ss flieg eine Slntlage in if>r gegen bie auf, bie längft
im ©rabe ruhten, bafj fie if>c beffetes SBiffen nicht
fchütjenb um bie Unerfahrene breiteten, bafc fie froh*
lodten, ftatt ju marnen, bag fie jurebeten, ftatt abju-
mehren. Vis an bie Sippen, bie nicht lächeln tonnten,
brängte es fid> n>ie ein Verteibigungsfchcei: Sch ftrebte
teinen Reichtum an! S<h mufjte nicht, rnas ich tat!
©tettenborns SBlicfe rnichen nicht oon ihrem ge-
fentten Slntlih, beffen Vläffe immer neue Vlutro eilen
burchftrömten unb ihm bie meiche Slnmut erfter Sugenb-
lichfeit anjauberten.
Unb fo permoben fich bie gäben, bie 3tpifd>en ©pm-
patbie unb Stilgefühl jart unb unmertlich fich ent-
fportnen, ju einem immer fefteren Vanbe, bas ihn als
6d>üt$er an ihre ©eite 30g unb fie mit gläubigem Ver-
trauen 3U biefern ©dn^e erfüllte.
©ie fah ihm nicht nad;, als ec pon ihr ging, ©c
ftanb unpecroaribt por ihren ©eiftesaugen mit ber irr-
tümlichen Sinnahme in ben Vliden, bie jeben Vluts-
tcopfen in ihr 311c Slbipel)r aufrüttelte.
SUe mar ihr bisher ber ©ebante getommen, baß ein
anberer als Heinrich Slnton p. SUüper bie ©teile neben
ihr hätte einnehmen tönnen. ©s roar alles fo tlar, fo
felbftpecftänblich geroefen, baß fie feinen Sting unb
Slamcn trug. 3 n ihrer §eimat hätte eine Steigerung
ihrerfeits für unerhört unb unsuläffig gegolten.
Unb jet$t? Se^t fühlte fie bie unausfüllbare Seere
biefes Vunbes, in ©tettenborns ©egenmart tlaffte fie
auf 311m erften Stale. Unb biefes ©efül>l perfekte ihr
ben Sltein por VeHenunung. ©in neues, in ihres §er-
3ens Xiefc fnofpenbes Siegen umflorte ihre Singen,
©ie ging ben einfamen ©ang hinab 311m 3immer
1914. XI. 3
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34 $>cr fclige OTajor. □
ißres Kinbcs. llnb angcfidpts biefes ftummen ©lenbs
padte c& fic wie eine talte fjauft, bie ißr bic 33ruft
umtrampfte.
3Bar bas bie Strafe für ißre gebantenlofe Eingabe?
2luf ißre S^nie ftürjte fic nieber oor bem Säger, abju-
bitten, abjufleßen, was u?ie ein Sturm bureß ißre Seele
braufte.
Sie oernweßte nießt allein 311 bleiben mit biefec
2lngft oor fid> fclber. Sic fprang empor unb eilte wicber
aus ber ©ür.
Seßntes Kapitel.
©ic Stacßwirtung ber gestrigen 2ttorpßiumgabe trod)
fd>wäcßenb unb erfcßlaffettb bureß S^lüoers Körper, als
er bas 33ett perließ.
23leierne Schwere ßatte feine ©lieber im Scßfaf
umfangen unb ein buntes ©urd)einanber wirrer ©räume
fein ©eßirn bureßwueßert. ©r fat> feinen Leiter 33ollrab
im Suftfcßiff bas Stammgut umfreifen — immer enger
unb tiefer, bis jur S^ircßturmfpiße ßerab. ©r fat? bas
alte Sagengefpenft feines Kaufes, bie feßwarje fjtau,
über bie ©artenfteige t>erfd>lcicf>en unb mit ißrent langen
Schleier alle 93lumen abftreifen. ©r fat> bie buntlen
Söaffer bcs Scßloßteicßes gurgeln unb aus bem Strubel
ein ©twas fuß emporßeben, bas anjufeßauen if>m graute,
unb bas er boeß anfeßen mußte: fein S?inb, bie toten
2lugen ftarr auf ißn gerichtet.
Q7tit Schweißtropfen auf ber Stirn war er erwacht,
unb jerfcßlagen an Seib unb Seele erßob er fieß oont
Säger, ©er 33lid bes Jtinbes ßaftete in feiner ©r-
innerung feft — er faß ißn jeßt nod; oor fieß ßinfeßweben.
95orfrüßlingsfonne burcßjitterte bas ßoße ©emad;
mit langen ©lanjftreifen unb webte Sicßtgefpinfte über
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O Vornan t>on ©eocg §artu>ig (Srnnu; Roeppel). 35
ben farbigen Seppid). ©ie SBanbuhr in ihrem ©id;en-
gehäufe tiefte butd> bie laftenbe Stille. ©s Hang toie
Hnfenruf unb SItabnruf bec Seit. Hnb mit biefen raft-
lofen ^Penbelfchlägen fcf?citt SHüoet aud> ruhelos auf
unb nieber, bis bie £ür, burd; bie fein 53etter brot>enb
baoongeftürjt, fid> auftat unb ©hrifta in ihrem Nahmen
erfd)icn.
(St fat> ihre perängftigten dienen, beten Slusbrud
fein fdüechtes ©ettnffen auf ficf? bejog, unb runjelte
bie Stirn. ,,©u fönnteft toiffen, bafe id> fd>redt>aft bin
unb bag, u>enn ict> am S^affeetifch nicht erfd;ien, gefunb-
heitliche ©rünbe mid) fernhielten. Söoju immer mit
fragen in mid; bringen?"
Sie fal> nid)t bie Sputen feines geheimen £afters,
als fie ju it>m eilte. „Heinrich Slnton,“ fagte fie unb
hielt if>n am Slrme feft, „ift es ber l>immlifd>en ©ercchtig-
feit möglich, Schulblofe ju ftrafen, um Sdmlbige ju
treffen? 2Bot>in foll fiel) ber ©laube retten, toenn fol<^>
ein furd;tbarer Steife! it>n überfällt? ©ibt es eine
©rgebung, bie auf fold>e ©ebanfen ficf) ftüfeen lann?“
3l>re 2lugen floffen über. Sie lehnte bie Stirn
gegen feine Schulter.
„28as — ?" ©r löfte fid) aus bet Hnifd)lingung if>rer
§änbe. „5öas firtb bas für ^tjantaftereien? 2Ber fprid>t
pon Sdntlb? 3Der l;at ©rgebung nötig?“
„3<h — bu — " faste fie, unb bie alte Sd>eu por
ihm liefe fie flüftern: „9Bir beibe haben fie nötig, fo
unausfprccblich nötig. 2Bir müfeten ja jufantmenbrechen
ohne fie. — gd) l;abe,“ fuhr fie rafd;er fort, „fagen
Eönnen: ©ein SBille gefd>ehe, nicht ber meine. Qd>
l;abe mich bamit oont 93oben mieber aufgerid;tet. Hnb
jefet," ihre §änbc falteten fiel) ineinanber, „jefet
fommt — "
„^Bas fommt?" fragte er mit faufenbent ©etön im
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36
©et fetigc Sltajor.
O
Ol;r, bas feine SBerpen bis auf ben ©ruttb erfd;ütterte.
„SBet Bommt?“
©ie fal; ihn nicht an. ih r lebte bie ©elbfterBenntnis
auf, mie bar allen ©UicBes, aller fjeraensfreube fie in
ieinen Sinnen gemefen mar. „Oer ©ebanBe,“ fagte fie
mit jitternben Sippen, „baft mir beibe, bu unb ich — “
,,©>as ift ja SBahnfinn,“ unterbrach er fie raub.
„SBenn bu bas S^inb meinft — “
„Jjeintich Slnton," flüftertc fie, „aus Siebe nafnnft
bu mid; nid>t jur fjrau. $)ätteft bu es getan, nie märe
ber SBeg an beiner ©eite fo bornenooll, fo forgenfdnoer
niemals gemorben. Qd; hätte in beiner Siebe ©roft
für uns beibe gefunben."
,,©>u fprichft oon einem SKann in reifen fahren,"
fagte er unmutig, „unb jetjt ju einem burd; fcblechten
©chlaf ©rmatteten.“
„3cf> habe bas ^inb geliebt,“ rief fie mit tieffter
ftnnigBeit. „Sflir mar es, als ob mein ganjes Seben
ihm fortan gehörte. Söas Bann eine SHutter mehr tun,
als ihr $inb lieben, fo mie es ihr gegeben rnarb!“
3n il;m quälte bie Verbitterung fich burd; alle
3liebergefchlagenhcit burch. „3d> habe biefe SBücBgriffc
iiberfatt,“ fagte er, gegen feine ©d)läfen pochettb. „Unb
jebe anBlagenbe Verantmortlid;Beit lehne ich ab. SBenn
alle Vernunftehen bas auf fich laben follten, mas mir
bcfchert morben ift in meiner ©he — “
©ie trat oon ihm jurücB. ©in tiefes SBet> fchnitt
burd> ihr £jcr$, baft ihre Sinne Braftlos nicberfanBen.
„^einrid; Slnton“ — mie ein ©eufjer Bam's oon ihren
Sippen — „toas baft bu aus mir gemacht l“
©>a ftanb fie mieber oor ihr, bie blüheube, lad;enbe
SHaienjeit ber 3ugenb mie ein blühenber ©arten, in
golbene SBärtne unb ©>uft gctaud;t, als ob bas ©liicB
mit lachenben Singen oom $immc( auf bie ©rbc fchauc.
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□ Vornan t>on ©corg ^arhoig (Smmp ßoeppd,). 37
„2Bas l;aft bu aus mir gemad;t!" wieberholte fie
fliifternb.
„§>as ift nad) beiner Meinung alfo bie beftc 2lrt,
fid> um einen Seibenben perbient 3U machen: Staub
aufwühlen unb it>m bie Suft befd>weren! gd> habe
an ber ©egenwart genug ju tragen, icf) braud;e bie
Vergangenheit nicht h ccau f3 ll befd>tt>öien. Sonft" —
bas nod; nad>wirtenbe ©ift frod; fröftelnb burch feine
Stbern — „fönnte id; fo tpeit tommen, mein Sung-
gefellenleben ohne biefe Vatcrfchaft — "
§>as fjladern feines ^ulfcs febnitt bie Söorte burch.
Qn ihr tämpften unb rangen bie aufgcfcheuchten
©ebanfen nad; Slusbrud unb (Erleichterung. $>er Strom
ber ©rfenntnis trat über unb rif$ Scheu unb Vangett
mit fich fort. „§>u haft mich beinern oerwanbtfchaftlichen
Ejaffe geopfert," fagte fie, unb in ihren Slugen flimmerte
bittere Silage auf, „beinern gorn gegen Vollrab p. $lü-
per. ©arum bift bu ju bem ©ntfd>luf$ getommen, einen
(Erben haben 31» wollen. 2 Ber ihn bir gab, bas war
bir gleich. So ftellteft bu mich mit hinein in euren
llnfrieben, gabft mich bem Ejafo ber ©atfower preis —
benn fie hoffen mich als bie Urheberin ihres Veifeite-
fchiebens. ©ib es auf, Sjeinrid; Slnton, ihnen feinblich
511 fein, ©ib bir felbft 2 Ujl>e. Veuge bid> oor bem
Sdncffal. Victe Vollrab bie §anb 3m Vetfölmung.
2Bas will es benn fagen, wenn ihm bie 2lfd)cnurne
feiner 5 rau lieber ift als ein grüner (Erbhügel, wenn
er ihre lebten 9 ?efte feinem gönnte als fid; felbft!"
3 Bas fie nie 311 berühren gewagt, flog wie eine SBelle
über ihre Sippen, unaufhaltfam unb ohne Sagen. „Sein
Vater war ein Verfchwenbcr, in biefer Sd;ule ift er
aufgewad;fen. SBcitn er gelebt bat, wie bu es nicht
billigen fonnteft, wenn er nicht ein Vtanu nad; beinern
§er3en war — "
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38
$>er feligc 9Rajor.
©ie brach ab, benu n>as jefet tommeii mufete, fcfmitt
if>c burd) bic ©eele.
„Heinrich Slnton," fu!>c fic faum hörbar fort, „her
©d)leifftein beines paffes ift — unfer S?inb."
3h m legte es fid> u>ic ein eifetner 9?eif um bie
©tirn, ec taumelte unb griff um ficf>. „©el?! ©eh
hinaus !" ftiefe ec mit 3!tühe hetoor. ©s ftoch ihm u>ic
bcennenbes 5« ucc burefje ©ehitn.
©tjeifta rife in Slngft bic Sür auf unb eilte in bie
§alle hinaus. „$>er fjerr 93aron ift erfrautt. 9Zuft
^cofcffot ©tettenborn!"
§>as 33erfchunnben bes blauen SHeibes rnirfte
belebenb auf SHüoers Heroen. ©t mantte jur ©djtuelle,
bet Siegel glitt lautlos ins ©d?lofe unb trennte bie
Slufeentoelt oon ihm ab.
2Hit unfidjercc fjanb öffnete ec bas ©etmmfacf) bes
©d)ceibtifdjes. 2Ioch gitterte feine Rechte, als ec ben
$rmel feines ^auscodes jurüdfdjob. ©>en ©tief?, bren-
nenb u?ie ein 33ienenftid>, mit ungebulbigcr SBotme
empfinbenb, liefe er bie Stopfen in feine 2lbern gleiten.
©hriftas Jochen an bei* Sür fcheudjte it?n aus bem
oeeboteneu ©enuffc auf. SBie ein ertappter ^nabe
barg er bas blintenbe Qnftrument ooll forgenber £eim-
licfdeit in feinem 33erfted.
•©hriftas §anb rüttelte am Sürgriff.
©>a fam bec SBanblungsjauber fd>on über ihn.
©o elaftifct?, fo leidet mürbe es unter feinen ©ohlen,
als f dritten anbere bacauf l?in. 23is ins ^erj
ftieg bas trügerifefee 2Bol;lbel?agcn unb regte feinen
trägen ©d;lag 511 lebhafterer Satigteit an.
9lun tonnte er öffnen — toibermillig 310a r, aber
er tat es.
„©tettenborn mich gleid? — " ©heifta ftodte. „Qch
glaubte — “ fie ftodte rnieber.
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□
Siotnan t>on ©eorg §orta>ig (®mmp ßocppd). 39
„ 3 ft cs etwas ~fo Staunenswertes, wenn eine
fd>lect)te Stacht ®rmübungserfd)einungen jur ftolge
hat?" fragte er mit fpöttifd?er 93 etonung.
„Stein," fagte fie teife, unb ihre Slugen glitten,
fid) felbft mifjtrauenb, über feine oeränberten Büge.
„Söas alfo foll Stettenborn l)ier? 3 <$ will ihn nicht
fehen."
„®r ?ommt nur," fagte fie, feine £anb ergrcifenb,
„weil ich if>n rufen liefj. §>u tannft ihm ben (Eintritt
nid)t permehren. SDenn id> mid) irrte — "
„So fiel) ju, wie bu biefen Irrtum if)m gegenüber
berid>tigft. 3d; fd)lief$e mid> baron aus. ftcf) will
biefe S^ran£t>eitsfcf>nüffler nid>t um mid) tjaben, bas
weißt bu."
„Sein Vorgänger war bir angenehm.“
„Sein SDefen, ja. Slber biefer Stettenborn fällt
mir auf bie Steroen. — 3d) werbe mir," fut>r er mit
einem Slnflug oon Sd;erj fort, „eine Slutorität aus
23 erlin (ommen laffen ju beinet 33 erul)igung, bie mir
bringenb nötig erfd)cint."
3 t)re Slugen fentten fid), bann aber fah fie ooll 311
ihm auf. „Ve^eit) mir, wenn id) bid) perlest ober
gefräntt habe. 3 d) wollte, baß bu mir eine Saft 00m
fjerjen näbmeft, bu t)aft fie mir nun nod> fernerer
gemacht unb jurüdgefdjoben."
„§>u t>aft nod) anberes im Sinne gehabt," unter-
brach) er fie lebhaft, „unb bid) 311m Verbünbeten ber
habgierigen ©efellfd)aft in §>arfow gemad;t. $>u f>aft
bie Vermittlerrolle übernommen unb fie mit einem
Slnfd)ein oon $iirfotge fabenfd)eittig beEleibet. §>u
l)aft bid) nid)t gefreut, bem Spanne, ber mid) einen
Starren genannt, bas SBort 311 reben.“
„So wal;r ich oor bir ftehe, Heinrich Slnton," fagte
fie, biefe unoermutete SlrtElage wie einen Sd)lag
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40
§>v’t fcligc Atajor.
empfinbenb, „an Vollrab bad>te icf> babei nid;t, nur an
bid>. ©>u foütcft ^rieben haben wegen beines ©rbes.“
„Alein ©tbe! Atein ©rbe!“ tief ec. „ 3 ft es fd;on
fo weit mit mit nad> beiner Anfid>t, bafe biefe fjrage
fo brennenb wirb? Aod; bin ich §err. A3enn bic
©arfowee burcf) biefe fjintertür fid> wieber einfd>leid>en
wollten — “
„§>u weißt es n>obl , Meineid) Anton," fagte fie
mit fanftec SBürbe, jucüdttetenb, „baß beinc Beirat
mit mit ihre Abneigung auf mid) lenfte. Qd; fann bid)
nicf>t l;inbetn, Jalfches oon mit 311 beiden, wie icf? bid>
nicf)t überzeugen tann, bafj bu bit felbft jitrn 6 d>aben
bict) immer tiefet in £afj unb ©roll hineinlebft."
©r lachte bittet auf. „Aleinft bu nicht, bafj fie in
©>arfow ein ftceubenfeft gefeiert hüben, als ftatt bes
gefunben ©eben biefes — ©efdiöpf erfdnen? 3 a, bu
haft Hrfache, bet 53anbe bas A3ort ju teben, bu 00 t
allen !"
„$}etr ‘tProfeffoc 6 tettenborn !“
hinter bem amnelbenben Wiener etfehien fchon
bie tyotye ©eftalt bes Arztes.
©hrifta, burch bie 28ud)t bes leßten Eingriffs bem
Umfinten nahe, entzog fid> bem forfchenben 93lid
6 tettenborns unb ging fd;weigenb an ihm ooriibec
jut £üc hinaus.
SAüoec toac zu feht SBeltmann, um nicht feine Abnei-
gung ju oeebergen. ©c reichte bem ^Jtofeffoc flüchtig
bie fjanb. „ 6 ie finb umfonft Iwgefprcngt tootben.
3d> hatte eine fd>led>te Aad)t — bas ift alles. Ateine
Aecoen waren etwas aufgeregt butd> ben geftrigen
Vafartrubel. Aber ein ©hemanit barf leine Abfpannung
oerraten, ohne baß bie ©attin in Aufruhr gerät unb
nacl> bem Arzt fdnd't. 34> habe besiocgcn meiner
ijrau foeben febon Vorhaltungen gemacht.“
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. I • • • • • ■ I I I I III I II I I
Vornan oon ©eorg ^artioig («Smmp f?oeppel). 41
□
Stettenborn hotte aufmerffam jugehört unb un-
merfltd) feine ^Beobachtungen gemacht. „Sel;r begreif-
lief), §err Sarott. — 3d> borf ober tr>ohl einmal, ba id>
nun bod> h^t bin, 3h cc n ^3uls füllen?"
„©anj übetflüffig! $d; oerhehle 3hnert nicht, baj}
id; für biefe Hnterfudpungen nicht fchtoärme. Ob ber
Apparat ba brin" — er mies auf feine Stuft — „fo
arbeitet ober fo, etmas fdmeller ober langfamer,
mad>t mir wenig Kopfzerbrechen."
„3d> möchte aber bod> barum bitten. Oie Seroen-
reijung fd>eint nod; nid>t oöllig gewichen.“
„«Soll fie auch gar nicht, lieber ^rofeffor,“ Jagte
Klüper etwas gereijt. ,,3d) befinbe rnid; fef)r wohl
babei. ftd; weiß nid?t, warum ich 3l;ncn fo bebonblungs-
bebürftig erfd)eine. 3d> mir felbft fciuenfalls."
©t fühlte fid) unbehaglid; unb unlieber ben beobad>-
tenben Slugen gegenüber, bie in if>m ben Sltgwohn
erregten, als fd^lüpften fie hinter bas forgfam behütete
©eheimnis.
llnb bas gefd;al) tatfäd;lich, trott aller Slbwehr
unb Serftellungstunft. Stettenborns Serbad;t gewann
bie richtige ©r ftanb einem ausgefprod>enen
Slorphiniften gegenüber, einem Opfer neujeitlid;er
SBiberftanbslofigteit. 3n biefer ©rfenntnis löften fid;
alle ©egenfä^e non felbft auf.
Slber ©hrifta!
Oie traurigen Silber biefer Selbftzerftorung, bereit
Senge er oft gewefen, bie Sd;lu^Eataftrophe, brängten
fich ihm auf im allgemein menfd;lid;en unb perfön-
lichcn Sntereffe für bie unerfahrene, nichtsalmenbe
^rau, beren ftilles hinausgehen foeben fein hc r 3
erfchüttert hotte.
„hert Saron,“ fagte er, toohl wiffeitb, bafj biefen
Seibenben gegenüber bie größte Schonung unb Qaxt-
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42
$>cr felige QKujor.
l;eit gebeten war, mit jurüdhaltenber 9Uil>e, „ich bin
nid>t ber Meinung, bafr bie (Erregtheit, in ber ©ie fid?
augenblidlid) befinben, wohltätig unb erfpriefelich ift.
g<h holt« oielmehc bafiir, bajj fie gt>rem Organismus
burchaus fchäblich ift.“
Oer 23aron juefte jufammen. (Ein fcheuer 33lid
glitt unter feinen SBimpern ju ©tettenborn hinüber,
unb feine £anb legte fid) fefter um bie ©effellehne.
„5Bas wollen ©ie bamit fagen?“ fragte er mit ab-
weifenber ©chürfe.
©tettenborns Slugcn haften feft an ihm. „28as
ich ju fagen oerpflicbtet bin, wenn meine (Erfahrung
mid; baju nötigt.“
^lüoer raffte ficf> jufammen. (Er war bas fwd;-
angefehene ?Jtitglieb eines beoorjugten ©tanbes, ber
reichfte ©rofjgrunbbefihcr ber ^rorüns unb mit 2lus-
jeidmungen aller 2lrt bebacht. Hnb in biefem 93e-
wufetfein richtete er feine hagere ©eftalt empor, als
er nachbrüdlid) fagte : „gi>te Erfahrungen in Ehren,
£err ^rofeffor. 2Iur wenn fie auf mich ©ejug hüben
fallen, lehne id; fie mit OanE ab.“
©tettenborn judte bie 2ld>feln, aber er oerlor
feine 9Euf>c nicht. „Oem wohlmeinenben 2lrjt 93er*
trauen fchenfen, helfet fchori einen ©chritt oorwärts
tun.“
„93orausgefetd, bajj man Neigung l;<d> biefen
SJiarfd) anjutreten," fiel $lüoer fpöttifd; ein. „geh
beoorjuge ben ©tillftanb. ©ehr oerbunben für ghren
93efuch, £err ^rofeffor ! Oie ©chulb liegt nicht an mir,
©ie umfonft bemüht ju hüben.“
„gebcnfalls war mein Kommen nicht nutzlos,"
fagte ©tettenborn, einen feften 93lid auf bas erregte
©efid;t bcs ftreit>errn rid;tenb. „Es gemahnt mid;
an bie Oatfad>e, bajj biefelben 97littel in ber £>anb bes
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a Vornan oon ©eorg $attxoig (Smmp ßoeppel). 43
Siebtes (reilenb, in bec £anb bes £aien oecnidrtenb
mieten tonnen.“
©inen 2lugenblid t)idt ec bett ©ciff bec £üc um-
spannt, ab fei ec eines 9?ücfcufs gemäctig, unb als
folcfrec ,nrä>t ecfolgte, perneigte ec fid> ftumm unb per-
üefj bas Simmer.
3n bec S)alle blieb ec jaubernb fteljen. §>ie ftragc
bcängte fid> il>m auf: £atte bie 2Bat>cl;eit füc ©f)cifta
Söert unb Stufen? 2Bac es gut, it?c jurn 33erftänbnis
ju perf>elfen? Obec mar es beffec, fie in llnmiffenfreit
ju erhalten?
§>er Wiener näherte fid>. „$>ie 5*^11 SBaronin
bittet itod> einen 2lugenbli<f — "
„3d> fomme,“ fagte ec rafd>, ofjne bie 2lntmoct
gefunben ju traben, unb ging bem 93ocanfd>ceitenben
nad>, bec bie £ür jum 6alon öffnete unb (>inter ibm
loiebec fd)lofj.
©t>rifta ftanb am Jenftec neben bem blüfjenben
23lutnenreid>tum, ben bec ©ärtnec füc fie aufgebaut
t^atte, unb beffen $>uft fie fritylitigsmarm ummelrte.
Sie t?atte gemeint. 2ln tycen SBimpern glanzten
nod> Jeanen.
§>iefe ftille Trauer pertiefte bas SHitgefül;'! ©tetten-
boens ju einec faft äiirtlid)en 2lnteilnabme. ©r tcat
ju it?c, bie nocf> ficf?tlicf> mit tränen fämpfte, unb naf>m
if>ce 9?ed)te in bie feine. ,,©s ift nichts oon 23ebeutung !
Söenn bec Q3aron auct> nid)ts Port mic toiffen toill,
fo meifj id> nun bod? ©efdjeib."
,,3d) bin fo fcf>cectt?aft getooeben,“ fagte fie leife,
ooc biefec Hmfdjreibung bec 2öal>rl>eit eccötenb, „unb
il>m babued) oft unbequem. Qd; oecftet?e fo menig,
erljeiternb auf ihn einjumirten. ©>as föinb,“ cief fie
auffdjludjjenb, „bas S^inb ftet)t roie ein ©dnuect
jmifd>en uns. ©s oecipunbet it>n, toenn ec nuc barart
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44
©er felige 22tajor.
n
benft." ©o oft er bei ii>r mar, entriß il;r §erj fid? bem
gmange, ben bie ©ereinfamung it>r . aufgebrungen.
,,©ttd) erfaßte ein jo fd)redlid)er ©ebanfe,“ flüftertc
fic — unb er mufcte fid) porbeugen, um bie SBorte
aufaufangen — „ab ©ie mich perließen. 5>ie Verlobung,
pon ber ©ie fprad;en, tpar baran fd)ulb.“
„ftcaulein p. $alaus Verlobung?“ fragte er mit
1'anfter ©ermunberung.
©ie nidte. ©5 ftieg unb fanf in ihrer ©eele mie
bie ©ranbung im ©teere. ©leict) ber 38elle, bie jum
©tranbe fließt unb jurüdgleitet, fo feinte fid) unb fo
bangte bas Verlangen in ihr, überjuftrömen.
$>er ©otfdmei: $d) raubte nicht, mas id; tat, ab id)
meinem törichten ©tolje folgte, meiner finblicben
©itclfcit — brängte fid) it)t bis an bie -Sippen, ©ollte
fie es it)m banfen, baf$ er biefes ©emufjtfein in ihr
aufgerüttelt? 9Bar fie nicht glüdticf>cr getpefeu in
bumpfer Hrteilslofigfeit?
„ffrau ©aronin,“ fagte er, if;re feelifd;e ©rfd)ütte-
rung im Sittern ber £)anb ermeffenb, bie er um*
fd)(offen hielt, „tparum bas?“
3t)r blonbes Jjaupt fenfte fid; por feinem fragenben
©lid. „3ft es möglich, ift es benfbar, bafc mein £tinb
mir — uns jur ©träfe fo elenb jur SBelt gefommen
ift?“ murmelte fie mit ftodenbetn 2ltem.
©r trat jurüd. „3öie fommen ©ie auf biefen
törichten ©ebanfen?" fragte er fet>r ernft.
©s ftieg unb fanf ju übermächtig in it)r auf unb
nieber. „©in ©ruttb — “ flüfterte fie taum perftänblid).
,,©s mar feine Siebe — “ ©in roter ©chatten flog über
il>r geneigtes ©eficht. „3d; mußte nicht — meine
©chulb — bie 9lngft — "
3n bie halbe ©emufetlofigfeit, barin biefes ©c-
fcppfuip lauf ipurbe, flang feine ©tirnrne mie ein
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□ Vornan pon ©corg Wartung (Sinnig Rocppd). 45
SBecfruf, ber fic auffchrcdte. „g<h ftd;c in hoppeltet
©igenfd;aft gtjncn gegenüber — ab Slrjt unb ab
ftreunb. beiben gälten fann ich beanspruchen,
bag Sie mir ©tauben fd;enfen, unbebingten ©tauben.
Semen Sie atfo junächft non mir, baf} berlci Sltiß-
bilbungen burch ganj anbere 3ufcillig?eiten bebingt
toerben ab burd? pfpd?ifd>e Stätfel, mit benen fie gar
nichts ju tun haben." ©r fd>toicg einen Slugenblicf,
oon Seinem ©efütjl übermältigt. ©>ann beugte er fid?
über it?re §anb unb fü&te Sie Scmft unb fcf>onenb, ab
mären auch biefe meinen Ringer tounb unb täten it?r
met> u>ie ber Sttng, ben Sie trugen. „Slud? in bet beften
unb glüdlichften ©t >e Sinb Solche 93otfommniSSe ju
betlagen. ©>ie Statur fann Set>r graujam fein, unb in
it>re SSerfftatt hineinjuSehcn marb noch teinem gestattet.
©5 gibt ba einen febt beberäigenstoerten Sprud? bes
föonfujius, ber fi4> auf manche SBunbe legen läßt:
64>ulMoie mad?t bas 6d>i<fial fdnilbcnppll,
Um jie ju Strafen gleich ben fünb'gen Unechten.
23it Sinb nur beffer als bie Schlechten —
ltnb bpeh ift feiner, tpie er foll,
Unb nicmanb barf mit feinem Schicfjal rechten.
©r Sah ihr bebeutungsooll in bie feuchten Slugen.
„Sliemanb. 2lud> Sie nicht. SHan fann eine Saft Schlep-
pen — unb man fann fie tragen., fragen mit bem
93eu>ußtfeui ber Unoermeiblicbfeit. Schleppen mit
fchtoädilicher gammcrfeligfeit. Silan fann fi<±> mit
einer £atfad>e felbft abfinben, ünb man fann fich
abfinben laffen. ginben Sie fid; felbft ab, grau 93a-
tonin. ©5 ift ber greuttb, bcr cs gimen ans §erj legt,
©rftarfen Sie an ber Unabmenbbarfeit, barein Sic
bas -Sehen gcftellt f>at unb vielleicht noch Stellen mirb.
Sin jebcs SIicnfd;cn i)immd fteht ein Stern. 8u
bem fehen Sie auf, an ben glauben Sic. Unb mir,"
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©er fclige 9ftctjor.
n
fuhr er fort, it>rc beiben $änbe erfaffenb unb fanft
brücfenb, „oerzeihen ©ie, bafe id> meiner Ergebenheit
fo oicl Freiheit zuteil werben liefe.“
©ie ftanb unter feinen Porten wie unter einem
fdnrmenbcn ©ad>, bat)in fie flüchten tonnte oor ber
2lngft unb 2tot bes Sehens, unb wie ein S^inb, bem
oor -bem Unwetter graut, llnb auch wie ein föinb,
bas feine talten Ringer erwärmen taffen will, lieft
fie bie Söärtne feiner $änbe in bic ihren h* n äber-
gleiten. Unb bamit entglitt auch beo ©rud ihres Her-
zens. Es fdtlug hoch auf in ferner jlichfter Ergriffenheit,
als fie mit bebenben Sippen fagte: „3cf> bantc g^mett,
mehr als ich fagen tarnt, bante ich ghnen. geh will
ftarf fein, will alles tragen, gd> will glauben an meinen
©tern. 2tur hoffen tann ich nicht mehr.“
Nichts Slübrenberes hotte er je gefehen unb nichts
Sieblidteres als biefe zuoerfichtlid; an ihm hangenbett
2lugen, über benen ein tiefer 3utunftfd)atten fchwebte.
„2Bec glaubt, ber hofft auch," fagte er mit herzlicher
3?eftimmtheit. „©lauben unb hoffen ift eins. Sehen
©ie wohl, llnb feinen ©auf.“ ghre Ergriffenheit
jwattg ihn zu einem ©cherz. „©er SBorte finb genug
gewedtjelt, lagt uns nun enblich ©aten fehen.“
Es glitt ihr unwiberftehlich wie ein ©eufzer über
bie Sippen: „2Hcin fjreunb — "
Er niefte, liefe ihre S)änbe aus ben feinen gleiten
unb ging zur ©iir.
Einmal nod> wanbte er fich zurüd, währettb burch
ihr golbblottbes Sfaar ein paar ©onnenftrahlen fich
oerwoben, bafe es wie eine S^tone über ihrer ©tim
leuchtete.
©ann fdtritt ec hinaus — unb um fie würbe es
wieber öbe unb leer.
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□ Kornern oon ©corg §arttoig (Sinmp Koeppel). 47
(Elftes Kapitel.
„93ätbel," fagte grau p. Kalau, tpährenb fie ben
roten fjeberhut unb ein paar neue, tpeifoe Sjanbfchuhe
ppc ihrer Tochter auf ben £ifd> legte, „tpenn id> barait
benfe, roie i<h mit beinern feligen 93ater 93rautoifitcn
machte unb mir bie 5 üf$e babei brannten in ben ju
engen ©d>uf>en, baß ich nur trippeln formte! ®s
roar beinern feligen 93ater eine folcf>e SSonne, mich
öffentlich am 2 lrme ju führen, fich oor aller SBelt
ab mein ©drüber unb 33efi^er 511 ecfennetr ju geben."
3 n SDahrheit hatte ber feüge 92tajor biefen 9Umb-
gang einen elenben 93löbfinn genannt.
„Tttan fann nicht alles unb jebes über einen Kamm
fcheren," entgegnete ^Bärbel ungebulbig. „Qn mir ift
nichts als Unruhe."
„2llle 93räute finb unruhig, SBärbel — meil fie
tpeber ftiüh noch 33ogel finb. §alb finb fie losgelöft,
halb fi^en fie noch feft. 5Bit tappen in bie ©he hinein,
als trügen toic ©cheuflappen. Nachher toerben tpir
balb helläugig. ®s febabet nichts, tpenn ein ^Bräutigam
fnapp gehaltert urirb. ©einem feligen 33ater tpar bas
allerbings fehr fcbmetälid). 2 lber es muntert auf."
„ 3 ch bachte, toir tpären beibe fnapp genug, Slrnolf
unb ich !" fagte 33ärbel aufladrenb. „3h m ift bie Siebe
eingefroren. THandnnal mufe ich nrit toirflid; Tftühe
geben, um ju glauben, bafe bas berfelbe ©üßholä"
rafpler ift toic bamals. ©r beifd jeijt ben ftoeffteifen
©rtglänbet heraus. 2 öie ec mich feinen ©Item prä-
fentiecte, ich fage bir, man hätte lad;en fönnen, fo
ftanb er oor ihnen, baf$ fie nicht piep fagtert trot$ aller
SBiberborftigfeit."
„Sin cbler, junger SKann!" rief bie THajoritt
begeiftect. ,,©c hanbelt nach betn ©ah-' ^Biegen ober
brechen."
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48
©er fdige SHajor.
□
„«Seine SHutter fufeberte mit ben Singen au il;m
herum," fagte 33ärbel lacbenb, „als ob ec ein falfd;er
©rofdjen toäte, mit bem man fie anfübren toollte.
2öie ein ©isbeiliger ftanb er ba. ©>et St’ommcräienrat
brummelte ettoas in ben 93art, ben ec nicht bat, bis
ec mir enblid) feine biebere 43fote entgegenftredte.
SBie toic bann beibe abjogeu, fagte Slcnolf: ,Zlm ben
Slnftanb ju toabren, nennen mir uns oon nun an bu.
3d> lann nid>t bulben, bafe ©loffen über uns gemacht
toerbend 34) liefe ihn reben.“
„Stecht bat er!" rief bie Sttajorin gerührt. „§>u
baft einen 64>afe an ibm.“
„©inen 0d;afe, bec lein Schafe ift,“ murmelte
23ärbet, ben S)ut auffefeenb. 6ic liefe bie furtfclnbe
Stabei toieber finfen. „S3tutt4>eu, toenn bu toüfeteft,
toic mir ums §erj ift!“
§>ie £ürglode fcbrillte auf.
33äcbel fuhr jufammen. „5>u l; a ft mir meinen
Söillen genommen," fagte fie, ttaefe ben Sjanbfdmben
greifenb. „§>as 93efte oon mir ift nun bunter."
3bce fd>önen Ringer glitten jornig in bas toeifee
Sebet biaein.
„Stach ben jtoanjig fontmen bie breifeig," flüfterte
$rau o. ^alau — ihr S?ecnfprucfe unb Zlrtept ju aller
Überrebungsfunft.
Slrnolf SJlertens trat ein. „34> bitte um ©erjeibung,
toenn ich nicht ganj püultlicfe getoefen fein follte."
„ftüt biefes Vergnügen immer pünltlid) genug,"
fagte 23ärbel, unb ihre gähne blifeten jtoifd^cu ben beifeen,
roten Sippen. „SBollen toic alfo beu S?leinftabtfelcf>
bis auf bie Steige leeren. S3ielleicbt fallt ctioas Spafe
babei für mich ab. — Slbieu, Sttuttcfeen!“
„Slbieu, meine lieben ^inber!" lifpelte g^au
o. S?alau. „geh febe euch nad;."
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□ Vornan »on ©eorg Harttoig (©mmp ßoeppel). 49
Slrnolf fpra4> tein 5 Eort »eitet. Über bas ©lücf,
fic fein eigen ju nennen, f>atte bet ©tolj bes Sutücf-
ge»iefenen eine ftarre ©4>i4>* gelegt. 2lber eben »eil
23 atbara ef)rli 4 > unb »at>r ge»efen, j»ang ifm fein
©ere4>tigfeitsgefüf>l, fie nid>t bur4> 2luff>ebung bes
93 erlöbniffes blofejuftellen.
3f)t ben 2lrm reidjenb fdjritt et neben ü»r fcer,
bet ftlüperfcfjen 93 illa ju.
$>ie £uft »at bur4>fonnt, unb in ben f4>on bräunlicf)
Inofpenben Elften j»itfcf>erten bie Steifen. ©s tarn
et»as »ie -2enjesl)au4> untet ben aiefjenben SBolten
gefloffen, «>ie ein SBiefenoeildjenbuft aus »eitet,
»eitet ft* 0 »* »ie ein Sinnen jutünftigen SBerbens.
©ein ©4>»eigen reiste tyre üngebulb, abet fie
fpöttelte biefelbe fort, „Hoffentli4> fjaben bie Äeute
ebenfo»enig £uft, uns anjune^men, als es micf>
entjüdt, biefe läcf)etU<^e ßnidferei mitjumaefjen."
„ 3 Bir tun, »as nötig ift," fagte et rubig.
„ 9 tötig?" ©ie »erhielt ben ©4>ritt unb atmete
tief auf, als folle bas fernen»eite Senjesa^nen au4> in
tyre ©ruft einjiel>en. „ 38 er fagt uns, »as uns nötig
ift !“ gt>re ©timme Hang erregt, als fie raffet fortfufcr,
„SDeil »ir uns oot ben Leuten fürchten, buefen »it
uns. ©s ift läd>erlid> unb feige, ben 93 ogel ©traufj
ju fpielen unb fid> oon hinten gefangennef>men ju
laffen, ftatt ficf> ftramm auf bie Hinterbeine 511 fetjen.
34» »at ganj barauf porbereitet, bas ftommanbo
übet mein fieben felbft ju führen." 3f>r* Slugen
flammten auf. „2flein Programm »at ein gans
anbetes als biefes el>rpuffelicf)e 3 l 4 >l»rtjemine. ©in
©turmpogel »ollte i4> liebet fein als ein atmet ^iep-
mai$ im golbenen $äfig. 9 tad> bet ©onne »ollte i$
fliegen, um ju feljen, »ie »eit bie Kräfte tei4>ten,
f>erabfel>en auf ben ßrimsframs, j»ifd)en bem i<4>
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$>er felige 2!lajor.
nun fclbft l>erumt»immle, toeil iö) ju feige gemocht
toorben bin, bet ganjen Sippe meine gefunben Bäfme
ju jeigen."
Sie lachte hellauf bei biefer 93orftellung , ein
t)erjiges, melobifd?es Sachen, bas it)m non früheren
Beiten f>cc nod; im Ot>r haftete. St f?brte »ergangene
£age baraus fjerootflingen, too fie mit bem ^ufje
aufftampfte, toenn er ju langfam n>at ober ju unge-
fd>idt, bas ju tun, t»as fie oon it>m »erlangte, t»enn
fie il?n »or ficf> f>er trieb unb ladjenb burd> ben ©arten
jagte, luftig unb frot> u>ie ein junges füllen.
„Barbara," fagte er, unb feine Stimme butddlang
SBeljmut, „bas $inb unb ber 93acffifd> tjätten fold>e
pt>antaftif4>en Bbeen nicf>t gehabt, ©a bacfjteft bu
gefunber über bicf> felbft."
„35rettlbi»a märe aucf> nid>t übel!" fagte fie mit
trotzigem Spott. „5>aju fjätte mein £alentd>en »ielleicfjt
gereicht."
„SSeifet bu, bafr bu beleibigenb mirft?" fragte er
feJ>r nactjbrüdlicf). ,,©s ift nid>t ftattljaft, eine foldje
9ftöglicf>feit in meiner ©egenmart nur ju ermähnen.
Srinnere bid> gefälligft baran für künftige ftälle."
Sie judte bie 2ld)feln unb febtoieg. —
ftn ber 93illa ßlüoer mürben fie angenommen.
„§>ie ftrau 93aronin lä&t bitten, einjutreten l"
melbete bet Wiener.
$>a ftanb Sfjrifta, ein mübes Sädjeln auf ben
Sippen, jmifdjen ben fjäd>etpalmen am ftenfter,
bie blauen 5lugen nod> »erträumt »om Sonnenfpiel
jtoifdjen ben tnofpenben Bw^igcn unb Q?üfd;en.
Sie ftredte2$ärbelglüdmünfd)enb bie £anb entgegen,
aber Stettenborns 2lnbeutung über ben 33emeggtunb
if>rer Verlobung mit bem Sotme bes reichen ftom-
merjienrats erfältete ben toarmen §>rud unmillfürlicfj.
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D Vornan pon ©eorg Sjarttoig (Srtitmi ßoeppel). 51
,,©o hoben tote hoch eine bauernbe (Erinnerung an
bett 93afar," fagte fie, ihr blonbes £aupt gegen Slrnolf
neigenb. „$ür ©ie beibe bie fd>önfte. 3 <h gehe tuohl
nicht fehl, tpenn icf? eine balbige §od> 3 eit permute?"
„ftalls id> porter nicht noch einmal nach (Englanb
hinüber mu|." (Er fat>, bafc 23arbara bas 93lut f>ei^er
in bie SDangen flieg, unb brach bapon ab.
„gt>re junge fjrau möchten ©ie nicht mit hinüber
nehmen?"
„§>ie junge $rau," fagte 93arbata mit nid;t ganj
freiem Säckeln, „fann nicht über ben ftanal tommen,
benn fie leibet an ©eefranfheit. ©cfnpimmen fann ich
roie eine (Ente, aber aufs ©chiff brächte mid) fein
(Eheftanbsgelübbe ber SBelt.“
©tettenborn f?at red;t, bacfjte (Ehrifta, benn tpenn
fie ifm liebte, mürbe fein (Element fie aufhalten fönnen,
intern 9Kann su folgen.
„«Dann ift es jebenfalls beffer, ©ie bleiben auch
hier, Sjetr Hertens. 3Bas getoifs ber 98unfd) 3f>rec
ftrau Schwiegermutter ift, bie fich fo gro&e 93erbienfte
um ben 33afat ermorben hot."
„93efonbers um bas Sanjoergnügen,“ fagte 33ärbel,
fid) ethebenb, unb bie (Erinnerung an ben Slbfdüufj
besfelben färbte abermals if>re Söangen. —
2 lls fie über ben $iestpeg äurüdfdjritten, in bie
33orfrühlingsfonne lünein, rief 93ärbel l;aftig: „drüben
geht ©tettenborn l“
(Er tarn fd;on über ben ©trafjenbamm gekritten
unb fdmttelte Slrnolf bie S)anb. „Sd> braud;e nicd>t 31 t
fragen, toie es geht?" fagte er mit liebenstPürbigem
©cf>erj 311 93arbara. „<Es ift nur 3 U tpünfehen, recht
oft einen fo erfreulichen Slnblid 311 hoben." v
„Söenn ©ie biefes ^erumtpimmeln meinen feil-
ten — " 93ärbel machte ihren 2trm frei. ,,©ie hätten
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s 52 ®er fdigc 9!tajoc. □
biefen (Senuf} ja fchon längft haben tonnen. SBarurn
haben «Sie nicht geheiratet?"
$>as f<4>o& if>c über bie 8unge. 3Bie es heraus
war, fcf>lug ihr £erj tyod) auf. i
„SBatum?" fragte er läci>elnb. „£at mid> benn
fd?on eine junge $>ame haben wollen? (Ss ift gar
nicht fo leicht, eine ftrau ju betommen. ftafob biente
oierjehn Sahre barum, bann hatte et allerbings gleich
jwei. 3ch wäre mit ber Hälfte aufrieben. 2lber auch
biefe Hälfte will nichts oon mir toiffen. So graufam
ift 3hc ©efchlecht."
3hre leuchtenben, braunen Slugen fnngen un-
oerwanbt an feinen Sippen. „Unfinn!" fagte fie
haftig. „9Ber fucht, ber finbet auct>."
„2Bir finb auf bem 9Bege ju 33reunides," fiel
Slrnolf ein, nach ber Zlhr fehenb.
„sS>a pflegt immer etwas Ult für mich abjufallen,"
fügte 93ärbel rafch hiuju. „§>iefe SBirtfchaft! §>ie
SBirtfchaft geht ba über alles 1"
Stettenborn lachte. „§>ann oiel Vergnügen t"
„(Sehen Sie au fttüoers?“
„§eute nicht."
Sllfo er ging oft hin — nur getabe heute nicht.
$>icfe blonbe fttau brauchte nur ju rufen, fo war er ba.
S8ei ihr fpielte bie (Selbfrage ja auch teine 9tolle wie
bei bet armen grau t>. S^alau. Neulich hatte jemanb
erjählt, unter ^wanjig 9Hart Honorar liefje er fich über-
haupt nicht fehen, unb wenn man ju ihm in bie Spred>-
ftunbe ginge, unter jehn 9ftart teine «Silbe, Unb bann
noch immer nach bet Uhr über bem Schreibtifch gefehen,
bamit bod> nur ja teine Minute mehr oerftriche als
bringenb nötig. (Sr follte auch fchr fd;roff unb turj an-
gebunben fein fönnen. Unb bas, gerabe bas erfüllte
Barbaras tro^ige Sttäbchenfeele mit wonniger gteube.
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□ Kommt oon ©cotg §arttoig (Smmp Roeppd). 53
„g<h an beiner Stelle," unterbrach Slmolfs Stimme
biefen jagenben ©ebanfenflug, „mürbe feinen §errn
fragen, toarum er nicht ©bemann geworben ift. ©tan
läuft babei ©efahr, an eine 2Dunbe ober an eine fatale
©rinnerung ju ftofoen, unb fetjt fi<^> nebenbei bem
©erbaut aue, nicht fo jartfüblenb 311 fein, als toün-
fchenscoert erfcheint."
Sie fab erftaunt 5U ihm auf. 2 Bas fiel ihm ein,
fich biefen £abel heraussunehmen l „8erbri<h bir nicht
beinen ßopf übet mein ©erbalten," fagte fie fürs,
„gebet bat mit fid> felbft 3U tun, baf$ er nicht irgenbwo
unb irgenbmie mal umpurselt."
• „ßannft bu benn gar fein ©ertrauen 3U mir haben?"
fragte er emft, „bir nicht oorftellen, wie gut ich es
meine?"
„§>u madbft es fo toie ber Solbatenfönig, ber bie
fieute burcbroicbfte, bamit fie ihn liebten," entgegnete fie
lacbenb mit einem ©nflug ihres guten Humors. „Ober
wie ber gahna^t, roenn er hersig fagt: Aachen Sie
nur ruhig ben ©tunb auf, ich meine es ja fo gut."
©r oerftummte.
ftcau ©reunicfes fehlgefchlagene Hoffnung haftete
noch immer ferner auf ber ftamilie. $>er guftisrat
hatte fich allerbings für feine ©erfon ©uhe oerfchafft,
als er ben etoigen Klagen in feiner ©egentoart mit
einem Donnerwetter ein ©nbe machte, aber aufeetbem
fenfte fich t>»e SBolfe bes ©tifeoergnügens fpürfam herab,
befonbers auf gräulein ©ieta, ber gegenüber bie ©tutter-
liebe 3utoeilen in recht ftacheliger f^orm Slusbrucf fanb.
©rft heute, nach bes Hausherrn Fortgang, als
©lütter unb Tochter fich bem ©efdjäft bes Slbftäubens
mit fanatifcher ©rünblicf>feit hwgaben, fctjrte ftrau
©reuniefe abermals einen folgen Stachel heraus.
„Die ©ans oon Schneiberin hat für bein neues
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54
©er fdige 9Rajor.
53afarfteib fünfunbjmansig 22tarf f^affon geregnet
5ür fo ein futnmeliges ©ing fünfunbjmanäig 27tarf!
Gal) aus toie burd) Muttermilch gejogen."
„§>u fanbeft es bod) fehr l;übfch," fagte fträulein
Mieta empfinbfam, einen fünftlid)en Mltimenftraufj
abblafenb.
„5Benn id? gemußt hätte, mas id; je^t melfs,"
beteuerte ihre MUitter, mit Gturmesgemalt über ein
(Sdbrett lünfahtenb, „fo Q>ürbe ich fein folcf)es Gdrnf
gemefen fein, bir mas 9leues anjufd;affen. (Sine alte
ftafme märe gut genug gemefen. $>u hätteft ganj
baoonbleiben foüen. geh fjabe in biefen Klagen oor
Sirger minbeftens jehn ^funb abgenommen."
„§>as ift bod) nicht meine Geh ulb," lifpelte bie
Gilberblonbine gereijt.
„(Sin Meferenbar roirb fid> ja mol)l noch finben,“
fuf>r ftrau Mreunicfe fort, bie ®piegelfläd>e ani>aud)enb.
„5lber fo ’ne Partie toie Slrnolf Mtertcns, bie fannff
bu bir malen — bie fommt alle hunbert 3af>re einmal
oor. Xlnb bie l>aft bu bir megfdmappen taffen, toeg— -
fd)nap— pen," mieberholte fie, jeben (Sintoanb 5urüd-
fd>iebenb, „oon einer mafcf>echten Motette."
„llnb roenn id) es nun ebenfo gemacht hätte,"
erbofte ficf> Jräulein 2Ma mit unanfed;tbarcr Sogif,
„roenn id; es nun aud; fo barauf angelegt hätte,
roäre id? bod) ebenfo mafchecht fofett toie Matbara-
S^alau."
$>as mar ein Gd;lag in ftrau Mreunicfes ©emiffeti
unb ©erecf>tigfeitsgefüf)l. 6ie räufpertc fid) ftarf
unb erleichterte in ber (Srregung einen ^orjellan-
hirtenfnaben um feinen blonbgclodten $opf.
„$>as fommt baoon — "
(Ss flingelte, unb bas Miäbchen brad;te 5 mei harten
herein.
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Ü Vornan patt ®>eorg #atttoig (<£mmp ßoeppd), 5 $
,,©as f4>öne ftcäulein mit intern ©räutigaml" fagte
fie fd)tnunäelnb. „ 2 tee, fo was Schönes!"
„Schnappe mal brin bas ^enfter 5U in ber guten
Stube! ltnb bann füftre fie f>etein. — Sur ju f>intcc-
birl" bonnerte es fünterbrein.
„34) will ifjn ni4>t fejjen," beteuerte Fräulein 1
SHeta, bis in if>re filberblonben ^lec^ten erglüljenb. '
„©u tommft mitl Hnb bafj bu mir ladjft! 2lur
ni4>t seigen, bafj bir bie ftelle fortge{4>wommen
jinb! 9 ftad> tein fo wefjleibiges ©efid)tl S 4 >ürje
weg !"
©ie §ängef4>üräen flogen — unb mit fefter Sjanb
brüefte bie 3uftijrätin ben Türgriff nieber.
©a leuchtete mitten in ber «Sonne ber rote
f4)mud über (?eimlid? lacfjenben Slugen, unb bas turje,
blaue £ud)tleib jeigte ben reijenbften 2Bud>s unb ^ufe
unter feiner enganliegenben S=altcnlofigteit.
„2ta, ba l>aben wir ja bas neue ^aar!" fagte grau
23 reunide, ein paar flüchtige ^änbebtüde austauf 4 >enb.
„©as Sofa ift für Sie beibe! ©er Fimmel fjängt
3fmen ja jel$t no<$ ooller ©eigen. 2Han tann fi4> nocf>
gar nUfct barein finben, wie bas fo fd;nell oor fid)
gegangen ift. — 9 tid>t waf>r, 2Heta?“
„ 2 Zein, gar ni<t>t. Scttrerflid) fcfjnell. 3 $ niöctjte
mid> ni<f)t fo I>aftig oerloben."
„©a f>aben Sie reetjt," fagte 33 arbara lacf)enb,
unb ber Sd;elm judte i(>r um 2 Hunb- unb 2 lugen-
winfel. „ 33 effer, man tut es nicf>t."
1 „Hnb oielleid)t aud> eine ebenfo f>aftige £jo4)jeit?"
fragte bie ftuftiärätin.
„©arüber ift ttod? nichts befcftloffen," erwiberte
2lrnolf ablefmenb.
„©as ift ja fef>r fd;abe. 23 iellei 4 >t überrafd>en Sie
uns aud; bamit eines fdjöncn Sages. 3f)re grau Butter,
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56
$>ec felige 9!tajor.
Fräulein Satbara, toirb bas fd>on fingern. — 9Bas
ift benn babei ju lad>en, 2Heta?"
©ie l?attc gar nid>t gelabt. 2lbet toie fie baran badete,
bafc fic lachen follte, oerfiel fie in ein getjüfteltes
Kickern.
„92täbd>en, bu bift toirflid) aufcet 9lanb unb 23anb,"
fagte ftrau 93reunide, fanft tabetnb. „£err Hertens
maefjt ein fo ernftes ©eficf>t baju, als ob er bid? nod)
niemals fo ausgelaffen gefeiten t>ätte. 0d> benfe mir
meinen einftigen ©djtoiegerfofm — “
„2ld>, OTama!" lifpelte fträulein 2Heta, ben Kopf
fenfenb.
„9ta, 9Häbel, bu roirft bod) audj mal — 3Keine
2tteta ift toirfüd) ein liebes, gutes Kinb. 3f>r einjiger
^ct>Icr ift nur, fie toill nidjt heiraten.“
33ärbel I;ielt es nid>t länger aus, ©ie ftanb auf.
„SBenn ber 9ted>te tommt, roirb fie fd)on trollen l"
SBie fie nod) braunen im ©ange ftanben, fafc $räu-
lein SHeta fetjon am Klarier unb fpielte mit Snbrunft
unb falfcfjen Spänen bie Kloftergloden aus ©rofc-
mutters 2llbum. —
5>er 9Binb trefde fo Unb aus SDeften, unb bie
©patten lärmten fo laut auf ben ©tragen, als ftünbe
ber Senj fdjon mitten in ber ©tabt.
©in eigenes ©el>nfucf>tsgefüf>l 30g burd; 93ärbels
©eele. ©ie blidte auf ben 33tann an ifjrer ©eite, ber
in ben 93reunidefct>en ©eficfjtstreis t>atte t>ineinge-
jtrungen roerben Jollen, unb Sftitleib Uefj fie ben ©djritt
oerbalten.
„SDürbeft bu bie 9Reta genommen ^aben?"
©r faf> fie erftaunt an. „9öie fommft bu auf folcfje
Zlnbenfbarteit?"
,,2Birflid) nid;t?" fragte fie nad^brücflic^.
,,9lber — niemals!"
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□ Ponton Don ©sorg §arta>ig (Smmp Koeppel). 57
©a wufcte fie, bafj et ficf> ebenfowenig baju |>ättc
jwingen laffen, wie er fid> nicht fcfjeute, fie feinen
gltern als 25raut jujufü^ren. ®s war bocf> mertwürbig,
bafc ber einftige „©ammel" einen fo feften SBillen
jeijt in ficf> trug.
„5ch fjabe genug an biefem lebernen Vergnügen,"
fagte fie, bas fächeln hes SBinbes wie fanfte Siieb-
fofungen empfinbenb. „2Bir wollen am ftlufj entlang
nach #aufe gehen."
©er $luf}, ber bie ©tabt in 2tlt- unb 9teuftabt
teilte, war ein frifd>er, nicht gar breiter ©efelle, bet
5 wifcf>en bufchigen Hfern feine SDaffer gewöhnlich
ruhig hintreiben lief*. 2tur wenn, wie je^t, bie ©chnee-
fchmelje an feiner ©eburtsftätte begann, tarn ein
wilberes Sieben über ihn, unb mit ben leisten ©isfcfwllen
tanjte er aisbann in tofenber £aft feinen 2Beg entlang.
£eute, wo bie grauen SBaffet mit weiten ©chaum-
trönd>en ineinanberfloffen unb bie golbene ©onne
wie mit bliijenben Pfeilen bajwifcfjenfdjofe, bot er ein
93ilb lenjestruntenen Übermutes bar.
2ln feinem Ufer fpielte eine ©chat fröhlich« Kinber,
bie bas bürre SBintergras am Spange ausrupften unb
in bie wüfüenbe glut hinunterwarfen.
©iner bet Süngften unter ihnen, beffen ©ifer ftärter
war als bie Meinen £änbe unb güfre, tämpfte mit
einem ©rasbüfchel, beffen SSurjeln nicht nadjgeben
wollten.
9n bem Slugenblicf, ba 93ärbel unb Slrnolf fich
näherten, enbete ber Kampf urplöhlich jugunften bes
Kleinen, ©er ©rbtlumpen gab nach, unb jwar mit
folget ©ewalt, bafj ber ©ieger bas ©leicf>gewicf)t
oerlor unb mit lautem ©cf>rei bie 33öfd>ung hinunter-
rollte, in bie treibenbe ©trömung hinein.
©rft burd) bas ©efchrei ber anberen Kinber auf-
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68 Cer fetige 9Hajor. flf
metffam gemacht, Slrnolf fotoohl toie ©ärbel
nad; bec ©teile fcin, Port bet bie ganje ©d>ar
rufenb auseinanberftob. §>a fah auch ©ärbel bas blonbe
§aupt nod; untpeit Pom Ufer auftauchen.
Sin ©riff — ber fjebechut flog jut Stbe. gm
nächten 2 lugenblid fchofc fie toie ein ^feü bapon,
als ob bec ©oben unter ihren güften feinen £alt mehr
gemährte, bet 9ttd;tung ju, too ber $Sopf aufgetauci>t
toar. Sin ©ah — unb fie ftanb an bec ©ofehuttg,
ein ätocitec — unb fie roar unten im SBaffer unb brang
mit aller gugenbfeaft, ihrer ©chtoimmfunfi oectrauenb,
burcf) bie roirbelnben Söogert ju bec ©teile por, bie fie
ins 2 luge gefafjt.
Slber bie ©tcömung hatte ben leidsten Körper
fd>on Ijintoeggetragen — einige Slrmlängen entfernt
tauchte ber $opf oon neuem auf.
$>et ©ifd)t, oon bec rubernben ©emegung ber
Slrme erjeugt, fprihte roie ein ©dreier um ihr ©efkht,
toähcenb itjre ©ruft mit Slnfpannung aller Straft
gegen ben flutenben §>rucf fich anftemmte. §>abei
bemächtigte fid? it?rcr ein ©efühl, als hielten unfidjt-
bare S)änbe ihre ftii&e umfaßt unb jögen fie baran in
bie £iefe nieber.
ge^t — fie fdmetlte u?ie ein ftifcf) mit ein paar
©tößen gerabeaus, auf bie ©teile ju, ipo ber fleine
Körper in ben SBellen auf unb nieber fchroantte. Sc
wollte finfen — ba griff fie ju. ©ie hatte bas S?inb
•gefaxt, ©ei ben blonben paaren h^lt fie es unb 50 g
■es an fid> heran —
gm erften Slugenblid, als bec fteberhut ihm oor
'bie Oaifte flog unb ©arbaca oon feiner ©eite toie ber
©lih perfchtoanb, hatte 2 trnolf, ahnungslos, toas
dommen follte, ihr nachgefet>en. 211s ihm bie Srfcnntnis
■aufging, ftürjte er ihr nach, um fie aufjuhalten. 2 lber
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D Vornan »ott ©eorg Wartung (Smmp ßoeppcl). 59
ba toar es fcf>on ju fpät, ba rang fie fd>on bas $inb
bem naffen Element ab. 9flit ihm im 2lrm, fd)toer
atmenb unb erfchöpft, machte fie eine leiste Slnftrengung,
bas Ufer 511 erreichen.
3f)t bas fianben 511 erleichtern, ergriff 3ltnolf eine
auf ber 53öfd;ung liegenbe abgebrochene 9tuberftange
unb trat fo tief ins SBaffer hinein, bafe 93ärbels freie
§anb bie 6pifee ergreifen tonnte. 60 30g er fie mit
ihrer £aft, jitternb oor Erregung, 3um llferranb, bis
©runb unter ihre güfee f am< n n i> a j 6 |j e ccm attct in
bie S?nie fanf, hob er fie in bie Slrme unb trug fie unter
ben fjreubenrufen ber Sjerbeigeeilten bie 93öfchung
hinauf.
©as betoufetlofe S^inb gab er bet Butter, bie
Bärbels §änbe mit Hüffen bebedte.
Sie lächelte fchon toieber, liefe fid; in Suchet toideln
unb eilte baoon, Slrnolf feine Seit laffenb, ihr ju folgen.
2Bie ber Söinb flog fie burch bie ßtrafeen, um ihr
erftarrtes 93lut ju enoätmen, unb trat atemlos oor bie
SHajorin.
„93ring mich ins 93ett, Muttchen, unb mach mir
einen fteifen ©rog. Sd; (mbe ein JJlufebab genommen."
„93ift bu oerrüdt, 93ärbel?“ rief grau o. $alau
entfefet.
§>as Söhneflappern ihrer Sochter mad;te aber
allen gragen ein ©nbe, toie fehr bie Neugier auch in
ihr brannte.
3m toarmen Söett fam rounberbare 9tuhe unb
(Schlafluft über Barbara, ©rft mit offenen Slugen,
bann mit gefd;loffenen, lebte fie bas ©efchehene
toeiter fort — nur bafe bie grauen SDaffer jefet früh*
liugsblau tourben, jmifchen benen fie mühelos bat>in-
fchtoamm, toe'tt fort, unbefannten gernen 311. —
5>as ©erüd;t oon Barbaras £elbentat burd>liej;
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60
©er felige SRajer.
mie ein Lauffeuer bie ganse ©tabt. Unb menn auch
bie SRajotin in nachträglicher Slngft bittere Sränen
oergofe, ihr ©tolj auf biefe Sachter mud)s baburch
bod) ins itngemeffene.
©iner ber erften, ber fich einfanb, um nach Särbels
Sefinben ju fragen, mar Sßrofeffor ©tettenborn.
©r hegt« aufrichtige ©emunberung unb ^ocN^tung
biefer tapferen ©chönheit gegenüber, bie ihm ohne jebe
SBichtigtuerei, ein leichtes ftreubenrot auf ben SBangen,
entgegenfam.
„3ch hotte ©orge um ©ie," fagte er, ihre $anb
an feine Sippen jiehenb.
,,©s mar nicht fo fchlimm. geh bin boch teine
bleierne ©nte." ©ie fagte es lachenb, aber bas ©mp-
finben feines ftuffes burchjitterte ihren ganzen Körper,
„©er Meine £ofenmat$ ift, mie ich f>öre, auch mieber
ganj obenauf."
,,©as ©efühl ber furcht ift ftfmen, mie es fcheint,
ganj unbefannt, mie bas ©efühl ber ©efahr," fagte
er neefenb.
„©anj, toenu es brauf unb bran geht — fonft nicht.
2lls SSDafferleiche irgenbmo ju lanben, mar nie mein
Sieblingsgebante. 9flir märe es überaus angenehm,
man fchmäijte nicht fo oiel »on ber ©efchichte."
„2lls ob ich »hten feligen ©ater fähe unb hörte,"
flüfterte 3=rau o. ßalau. „Söaffer mar ihm ftets un-
fpmpathifch* fchauberte, menn ich ein ©las SBaffer
tranf. ©tell's meg, pflegte er ju fagen, mir mich
übel.“
„Slber fagen barf ich boch,“ fuhe ©tettenborn
fort, biefe SBafferfcheu bes einftigen ©lafors richtig be-
mertenb, „bafc ich ©ie oon £erjen bemunbere unb
oerehte.“
93ärbel niefte nur. ©s flieg ihr fo marm aus bem
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D Montan oon ©cocg ^arttpig (Smnti) ßoeppel), 61
£erjen empor ju ben Slugen, bafe fic bie langen, bunflen
Söimpetn fctmfeenb barüber fentte.
Draufeen ober brüben, irgenbtoohet fang eine
ftrauenftimme, ab Stettenborn ging:
„SJteine 22tuttec hat's gewollt,
$>afe ben anbecn ich nehmen foüt" —
Da war es 23ärbel, ab fehnürte {ich ihr £erj ju-
fammen.
Sltnolf h>atte fie feit bem Sprung in bie Söellen
nicht roiebet gefehen. Die ftähleme Straft ihrer ©e~
funbheit befafe er nicht. Schrecf unb ©rläitung hotten
ihn bettlägerig gemacht.
Sin einem Spätnachmittag, ab bie rote #immeb-
glut bas Simmer mit ihrem Dämmerlicht erfüllte,
liefe ihn bao Stäbchen unangemelbet eintreten.
JJtau o. &alau toar nicht baheim. Bärbel fafe am
fünfter, ben ßopf in bie S)anb geftüfet, unb träumte
oor fich hm.
Slrnolfs Schritt ftbrte fie nicht auf, unb fo ftanb
er neben ihr unb fah mit tiefem SBeh bie ihm frembe
SUifje in biefen fonft fo beweglichen 8üg<m.
3n bem Slugenblicf, ab fie in bie tofenben Stuten
fprang, toar in feinem £erjen bie alte, h*‘& c Siebe
burch alle 93itterfeit unb Selbftbefchräntung machtooll
toieber h«t>ocgebrochen, unb ab ec fie in feine Sitme
genommen unb ihr S)aupt an feine Söange gelehnt,
hatte ihn trofe Slngft unb Sorge eine Vorahnung beo
©lücfes gepacft, bas biefe gefchloffenen Sippen ju
oerfchenten hotten.
„Barbara — " fagte ec leife, um fie nicht ju er-
fchrecfen.
Sie fah auf. Sin ihn, bet ihrer finfenben ftraft
ju S)ilfe lam, ber barutn erfrantte, hotte fie nicht
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62
©ec fdige SRajot.
gebadet. heften fd>ämte fic fid> in biefem Slugenblid.
„Ou bift's?" <£c fat> blafe aus. Oas tat tyc leib. ©o
ftcedte fie if>m bie £anb entgegen. „Sd> l>abe gehört,
bafe es bic nid)t gut ging."
2öie ec it>re 9tccf>te aus bec feinen gleiten liefe,
oecbcofe fie if>ee llnbanlbacteit nocf) mef>c.
baute bic — icf> bante bic fefjc füc beine
§ilfe," fagte fie nid?t ofme S3eclegent>eit. „Allein
t>ätte i d> es nicf>t mef>c fectiggebcad)t. Ou wacft mein
SRettec.“
•- (Sc nat>m ben 6tuf>l if>c gegenübec ein. „Oafe bu
an mid? nidjt bactjteft, als bu ins SBaffec fpcangft,
oecftef>t fid> oon felbft," fagte ec fdjeinbac unbewegt,
•„abec an bid; felbft l)ätteft bu benfen tonnen.“
„3d> bacfjte nuc an bas S^inb. 3ct> — “
„3öas?" fcagte ec cuf>ig.
(Ss judte um ifjcen 9Runb. „3cf> weife felbft nicf>t,
ob icf> mic oiel aus bem Sieben mad>e. $>en 3Tob füed;te
id> auf leinen fjall. Söcnn ec leinen 9?efpett mel)c
l;aben tann ooc meinec Qugenb, na bann — bann eben
nid>t.“
<5c fal; fie focfdjenb an. „$>u t>atteft fonft fiebensluft
tibecgenug in bic,“ fagte ec nacf)bcüdlid). „§>as toac
bas lefete, toocan es bic fehlte."
„O ja, ceid?lid? ! Oft lommt es mic aucf> wunbec-
fd?ön ooc — bas bcollige Sieben. SBeifet bu nod;,"
fuf>c fie mit Sjumoc foct, „icf> oectcug bas ©cfjauteln
nie. SBenn wie es beibe oeefucf>ten, wuebe mic immec
übel babei. ftebesmal betam id> einen S^laps auf ben
Sftagen."
*- „3cf> weife,“ fagte ec eenft.
„2Za, fo wie eine 6d?autel lommt mic bas Sieben
ooc. 9Ran fliegt ja mol;l fdjön |>ocf> — abec jueüd,
i>a tommt’s, ba gibt es ben ^laps." ©ie lachte auf.
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□ Vornan »on ©corg Wartung (©mmp ßoeppel). C3
©ec ©ämmerjauber f?ufd;tc aud> an fie ^ecatt unb lofte
if?rc gunge. „Golfen Spaft wie bamals l^abe icf> bod)
nie wieber gehabt, als wie beim Stegen in bie £unbe-
t?ütte frodjen unb abwedjfelnb bellten, bis bein 33atec
bas ftenftec aufrifj unb ^erausfc^cie: »Stufig, Karo!'
— SBeifjt bu nod>?"
„3d> weifc," fagte ec wieber leife.
„Unb wie wie auf bie grofcf)jagb gingen! ©u
fonnteft bie 93ieftec nicht anfaffen. Fimmel, f>ab' icf>
gelacht !"
Sc nidte. Ss fiel ihm fcfjwer auf bie «Seele, baf$
alles anbers getommen wäre ohne bas ihm bamals
aufgebcungene Schweigen. ©ec Kujj, ben fie ihm
gab, wac bafüc 93ürge.
„93arbara,“ fagte ec mit jähem Sntfdjlufe, „wenn
irf> benten tonnte, bu gingeft gern aus bem fieben
um meinetwillen, wenn bu mic biefe Saft aud; nod>
aufbücbeft — 3<h will bic einen SBeg jeigen, bec bid>
freimachen fann. ©eine SHutter, jebecmann, hielt mich
für eine reiche Partie, aber icf> habe tatfäd?lid> nuc
mein ©ehalt. 93ctenne ben grrtum unb — "
• „^fui!" fagte fie aufftehenb. „Sd;äme bicb, mic
bas juäumuten!“
„gd> will bic nuc helfen. So tann es bod> nicht
bleiben, ©ie Stolle, bie irf? je^t fpiele, biefe ^ansnarcen-
colle als bein Verlobter — id> f>affc unb »erachte fie.
3d> höbe Steckte an bid?. SHeine St>ce, mein SHannes-
ftolj höben Steckte an bid). SBollen wie in eine Scheinehe
hinübertreten wie in biefe Sdmnperlobung?" Ss würbe
ihm leicht ums $erj, als bie Spannung fid> jecteilte.
,,©u madjft bic ein falfd?es 93Ub oon mic," fuhr ec
röfd>er atmenb fort, „bu f>ältft mich noch immer füt
ben unbeholfenen jungen, ben. bu nad; belieben
hin unb her jögen tonnteft. ©ib biefen $rrtum auf.
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64 ©er folige JHajoc. a
6 ieh ben 92tann in mit, ber aus Siebe oiel, aus «Schwäche
ober furcht nichts tun fann, auch nicht für bid>.“
6 ie war sufammengejudt unter bem 2 Bort
„Rechte“. ©aran hatte fie noch nicht gebadet. „geh
!ann bic feine Rechte geben,“ fagte fie, oerfomten
oor fid> hinblicfenb.
„Unb f?aft mich hoch einmal gefügt.“
ghr Slntli^ flammte auf. „Oaran warft bu bod;
auch fcfmlb!“ fagte fie heftig.
„$>a mar bod> Neigung für mid> in bir,“ fagte et
mit bitterem Säbeln. „Ohne furcht!“ unterbrach
er einen Gcinwurf mit rafchet §anbbewegung. „geh
habe nicht bie Slbficht, um beine Siebe ju betteln —
batüber hinaus haben mich £age unferes 23erlobt-
feins gehoben. 9tur tlarftellen will ich, frafj mir am
©efilj eines Räbchens unb einer ftrau nichts liegt,
bie fich oor mir surücfjieht wie bie SHaus oor ber
&a$e." 6 eine 33läffe oertiefte fich oon «Sah au 6 atj,
aber feine Haltung blieb feft toie feine 6 timme. „SBenn
ber Grifer beiner Butter beinern SBillen juoorgetommen
ift, fo hat er um nichts weniger meine ^anblungs-
freiheit befchräntt. Sieh bas ein unb benfe baran,
bafc nicht nur oon beiner ©eite Opfer geforbert worben
finb, fonbern auch oon mir."
60 hatte fie ihn nie gefannt. ghr tröget 6 tolj
bäumte fid; bagegen auf. „Ou wirfft mir oor — “
„3<h werfe bir nichts oor,“ unterbrach er fie ruhig.
„Ou wäreft bie Setzte, ber ich wehtun möchte. 2tur
bein 9techtsgefühl möchte ich lebenbiger machen."
„$>u tuft mir ja leib,“ fagte fie, über ihre heifje ©tim
ftreichenb.
„3ch bante für bein OTitleib,“ fiel er fchtoff ein,
„unb für alles, was bamit jufamtnenhängt. — 2Hir
wäre es ja ein Seichtes," fuhr er erregter fort, bg all^
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□ Vornan oon ©eorg ^artroig (5mm!) Roeppcl). 65
fcf?u?cr (Smpfunbene in biefer Stunbe aus if>m fjeraus-
brängte, „biefe Stabt 511 perlaffen, bei SBf>eeler wieber
einjutteten unb bic ältefte Socfjter ©tarp jur grau
ju nehmen. ©tit offenen Firmen würbe icf> bort emp-
fangen werben."
„So tu's!" fagte fie mit unruhiger $aft. „ 34 >
f;alte bkf) nid)t."
,,©u nid;t, aber ber ©tatet I>ält micf>, bec auf ent-
(obten ©räuten ju Ijaften pflegt. ©ot bem giftigen
$latfd; ber ©reuniefes unb ^onforten will icf? bicf>
betoaf>ren in biefer S^leinftäbterei, aus ber bu nid)t
(jeraustommft. ©ber," bic ©ber auf feiner Stirn
fd>woll i?ocf) an, „bas müfjte ein ©tann oijne (Sfjre unb
®(>rgefüt)I fein, ber eine ©raut, toie bu mir bift, nocf>
an fein £erj ju jief>en ficf> feinte.“
©ie Sür ging oorfidjtig auf. grau o. $?alau erfd>ien.
©8 mar au buntel geworben im Simmer, um 8üge
unb ©efidjtsausbrud unterfcfieiben ju fönnen, bafjer
©ärbels Reifte ©öte unb ©rnolfs bitterfte Srregtljeit
ben ©liden ber ©tajoän entgingen.
„$übfd> beifamnten?" fragte fie mit fanfter ©üte.
,,© 3 ic ijaben uns gl;cetwegen arg geforgt, mein befter
©rnolf. ©ärbel f)at mir erjä^lt oon ber gefegneten
alten ©uberftange. 3^ ©eiftanb fetjt bas Süpfelcfien
auf ©ärbels f)evoifd;e Sat.“
„3d> tonnte leiber rtidrt met)t tun," fagte et turj
ableijnenb.
„Sie bleiben bod; jum See? — ©ärbel, es fommen
fogleid) ein paar ©amen, bie Fräulein Klippers, bie
bid> burdjaus umarmen möchten."
„Sie follen mir oom Seibe bleiben," fagte ©ärbel
jornig. ,,©ie alten $latfcf>bücf>fen 1 28 enn bu mid) lieb t>aft,
©tuttdjen, bann tuft bu ben ©Umb nicf>t auf wegen bet
98 affergefcf>id;te. 3 d; gelje fonft fofort aus bec Stube."
1914. xi. 5
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66
§>« felige SHajor.
□
„9Jteine »ft um." Sltnolf nal>m feine £anb-
fcf>uj>e oom ©tul>l. ,,©ie ©amen Klippers müffen
f4>on ofme mid> fettig roerben. ©ute 9tacf>t!"
3n Sarbara gärten feine SBorte nacf>. „©ute
2ta<$tr ©ie ftreefte it)m bie §anb entgegen.
®t überfat) es, grüßte gemeffen unb perfd>toanb.
„Särbel," fagte $rau p. &alau, etwas perbu^t
hinter ii?m fjerblidenb, „bu f>aft i£m fcfjledjt befjanbelt!
©pröbigteit barf nicf>t ju weit getjen, gef) bin bafüt,
baf* eure £o<t)jeit mbglidjft balb ftattfinbet. ©id>er
ift ficf>er. ©r tarn mir eben fet>r merhoürbig por, um
niefrt ju fagen perfefmupft.“
Über Sarbaras ©efid;t flog Reifte Söte, als fie
unfidjer fagte: „92lit bet £od>jeit bürfte es lange Seine
fmben. ®r f>at mir foeben erflärt, bafc et gar nicf>t
bran benft, mid> ju heiraten."
„9tid>t?" rief bie Stajorin, por ©cfjred bie §änbe
3 ufammenfd>lagenb. „2Bas tpiü er benn?"
„Sine jjtau," fagte Särbel leife.
,,©u bift bocf> !ein Stann, Sätbell“ tief ^iau
p. JSalau ungebulbig.
©ie lachte auf. 2lber if)re fd)ön gefdjtoungenen
Srauen jogen fief) banaef) um fo £>id?ter jufammen.
„Son ber großen ftlamnte roollteft bu nichts roiffen,“
fagte fie leife.
,,©rof$e flamme l" rief bie SHajoän unruhig.
„2Bas ift bas für ein ©erebe! 2Bo ift fie benn, biefe
flamme? gd> fet)e nur eine großartige Surtie unb
roeif 5 , bafe grauenfd>ont>eit ber Seit fel;r fdmell in ben
Dänbett bleibt. gd> barf toofjl fagen, baß meine fünf-
unbpierjig gat)re auef) pon meiner 3lnmui fe£r piel
toeggenommen l)aben. ©ein feliger Sater pflegte
ju fagen: ,2öo bet £ad einmal 'runter ift, tommt
et ni<$t wieber brauf.' — ©in fo gefeiertes 9Räbt$cn
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□ Vornan pon ©eotg S)avttoig (Sminj) !?oeppcl). 67
toie bul Qtn Sheisblatt hat bie 2öaffccgcfct>ict>tc lang
unb breit geftanben in alten Seitungen. ltnb ee
machte fi<t> befonbers gut, baf$ ber Barne ßalau fett-
gebrudt ben Seuten unter bie Bafe gehalten tourbe."
,,©s läutet!" fagte Bärbel troden unb tief aus bem
Simmer.
©ie brei Butein Klippers, bereu Bienfchenliebe
roeit genug ging, fich ungebeten ben Angelegenheiten
anberer ju toibmen, tonnten es nicht untertaffen, bie
Bettungsgefchictjte an bet Quelle 3U ftubieren unb
nebenbei fict> ju oergetoiffetn, inroietoeit bas ©erüdjt
über bie fühle 8»cüdt)attung bes Jungen Bräutigams
3U recht beftänbe ober nicht.
„ 2 Bir badjten bod> ficf>er, Shren lieben Bräutigam
hier ju finben," fagte fträulein JAothilbe mit järtticfjem
Bebauern. „Ratten uns fchon barauf gefpi^tt"
„@s toäre Ja auch nur natürlich, toenn er Jei$t bei
feinem Bräutchen fäfje," fctjerjte Fräulein Bielanie,
ihrer ßchtoefter mit bem ßtridbeutcl einen 6d>lag
auf ben Arm gebenb.
„Bielleicht fommt er noch,“ Ufpette fttäulein
(Emilie, Bärbel jubtinjelnb.
„Biein ßchtoiegetfohn,“ fagte ftrau 0. $alau ge-
toic^tig, „toar bis ju biefem Augenblid bei uns. Bärbel
unb ich fprachen eben oon ber ^ochjeit."
,,©ie ^ommeraienrätin," lächelte Fräulein ftlothilbe,
ben ßofaplat; einnehmenb, „u>irb fchon noch ©e-
fetjmad an ber frönen 6cf>toiegertocf>ter betommen.
Ober ift es eine Qnbisfretion, toenn id> bies ermähne?“
„Oh, neinl“ ertlärte fjrau 0. S?alau mit großer
SBürbe. „(Es ift Ja tein ©eheintnis, baf$ bie Siebe
bes ßol;nes ju meiner £od;ter ftärter toat als bie
Suftimmung feiner (Eltern. Bieine Barbara toeife
fich barein ju fd;iden — nach betn Beifpiel ihres
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68
©et felige Slajor.
eblen 33aters, beit meine ©Item auch einem anberen
naci)fe^en toollten."
Obfdion übet bie ©efichter aller brei tarnen ein
Stneifel cm biefet Q3ielbegehrtheit himoeghufchte, brüdte
gräuleitt Melanie bocf> bie runbe £janb bet Stajorin.
„3a, 3^ prächtiger Stannl“
53ärbel fagte fein 28ort. Sic faf> im Sampenlicht
nur fd>ön aus, tmausfpredjUcf) fd)ön.
©as jüngfte gräulein Küppers fanb in ifjten oierjig
galten feinen ©runb, auf fooiel gugenbblüte nicf>t
neibifd? ju fein. „Qft u>ol>l fei>r järtlkh, bet glüdlidje
Bräutigam?“ fragte fie mit fpi^etn Sedton.
„Sie öffentlich/' fagte grau o. Galati erhaben.
,,©as oerbietet ihm unb uns bas Bartgefühl. — 3<$
muß oft," fuht fie milbe lächelnb fort, „toenn id; bas
herjige ^aar anfehe, an bie Surüdhaltung benfen,
bie mir oon meiner Butter anbefohlen toar. ^ter
brauche id; nicht bie Snftanbsbame ju fpielen. ©ie
beiben £iebesleutd;en finb fo oomefmt — Bärbel,
giefce je^t ©ee ein 1"
©s toar Beit. Barbaras Sippen judten.
gräulein Sdothilbe nidte einoerftanben. „«Sagen
Sie, liebfte grau o. S?alau, u>ie finben Sie benn
unfere neuefte Seu^te, ben ^rofeffot Stettenborn?
2Bir fönnen uns gar nicht für ihn begeiftern. Sber
man toirb förmlich barauf angefehen, toenn man nicht
mit einftimmt in bie allgemeine Schwärmerei."
©er letzte Strahl ©ee flojj ju tjeftig in bie ©affe.
Ober gitterte Bärbels §anb? Sinige ©topfen fprißten
abfeits über bie ©ede.
„28iefo?“ fragte bie Stajorin interefjelos. „Stein
feliger Statut hatte für $arbolftrategen, mie er bie
State nannte, nichts übrig, ©anf bem §intmel haben
toir fie bisher nid;t nötig gehabt.“
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□ 9tomatt üott ©corg i3artu>ig (SmntJ) Koeppel). Ö9
„£affcti 6ie ficf> nur crjö^len," fiel gräulein
Stefanie Saftig ein, burd) ftraffes Sicf>ciufdci>ten bie
2lufmertfamteit ber Surtbe auf fid? smingenb, „toas
es mit feiner £iebensmürbigteit in 2Daf>r!>eit auf fid)
t?at. 3 d; mar leijtfnn mit unferer guten, Meinen ©milie
bei ihm, bie fid> ben Stagen an 6chlagfat)ne perborben
hatte. 5 >ie liebe Sreunide ift bod) bismeilcn f)aac-
fträubenb utmorfichtig unb !;atte fid; angcfäuerte
©ahne anfd)mieren laffen. Slfo, mir gelten in bie
@prect)ftunbe, blo^ um — na, mcil er leiber nun mal
ber erfte Strjt t)ier am Ort ift. Sfartcn mußten mir —
ad), id; fage §fmen: er mu| ein ©ünbengelb perbienen,
biefer Stann!“
„SDenn er etmas leiftet — marum nid)t?“ fragte
Särbel furj.
„$ören 6ie nur 311 ©nbel Unfere gute ©milie
gibt if>m bie Sjanb — fo red;t h^ensüeb. Söiffen ©ie,
mas er fagt? , Sitte!' unb jeigt auf einen ©tul;l.
3d; fah, ba^ bie arme ©milie fid) barüber grämte, unb
fagte: ,$etr sprofcffor, unfer bisheriger ^ausarjt' —
,Skr non gfmen ift leibenb?' unterbrach er mich unb
fah uns beibe an, als ob mir ihm feine £afd;enul;r
goftohlen hätten. , 3 d)l' fagte unfere Meine ©milie,
unb es ift 311 begreifen, bafj fie es etmas perfchärft
fagte. ©lauben ©ie, baf} ihn bas genierte? ©t fetzte
fid; an feinen ©d)reibtifd) unb fpielte mit feiner gebet.
— 2tun ift es allen unferen Sefarmten geläufig, bafj
unfere ©rofpnutter biefe Stagenbefcf>merben auf uns
pererbt hat. 3d) h^lt alfo für meine Pflicht, «hu
auf biefen Xlrfprung tnu3umeifen, unb fagte: ,§«rr
^rofeffor, es ift bies ein fieiben pou unferer peremigten
©rofjmutter her.' — £ören ©ie nur, liebfte grau
p. S^alau, einen Sugenblid mar id; fprad;lcs. SBiffen
©ie, ma3 er fagte? ,Son ©rofemüttern fehen mit ab.
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Sec jeligc 9Rajoc.
Sitte, geigen Sie bie Bunge!' — Sun wiffen wir ja
alte, bab unfece gute ©milic fo fchamhaft ift — ach,
ganj rührenb! Sie ftredte alfo bie Sungenfpitje ein
bifec^en heraus. , Sitte, weiter !‘ fagte ec fchonungslos.
Sie tat es langfam, aber fie legte fchütjenb bie §anb
bacübec. 9Bas macht et? B^h* ihre £anb herunter
unb fagt: , Keine Spielerei, wenn ich bitten baef.
©s warten noch mehr Krante braunen.'“
„Scheufalt" murmelte fjräulein Klothübe.
„Unb bafür jelm Start!" rief fttäulein Stelanie,
ihre 3Taffe austeintenb.
„Stein feligec Stann— " begann bie Stajorht.
Sber fie tarn nicht weiter. Fräulein ©milie lacbte
hpfterifd; auf. „Stan wirb ibm fd>on noch hinter Me
Schliche tommen. 2Bic höben fo etwas läuten hören
im lebten Kaffee.“
„Sieb, wie benn?" rief bie Stajorin höcbft intereffiert,
wähtenb Särbel ihre Sugen immer ftarrer auf bas
fpinnige ©eficht ber guten ©milie gerichtet h*«It*
„§>u — bu I" gräulein Klothilbe brohte ihrer S<hwe-
fter läcbelnb mit bem Ringer, bffnete aber im felben
Sugenblic! bie Scf)leufen ihrer eigenen Serebfamteit.
„Sa, wiffen Sie — ein gunggefelle ift ein gunggefelle !
Unb junge grauen, wenn fie bübfd) unb eitel finb — “
„Sun fo hübfeh finbe i<b ftrau o. Klüoer gar nicht,“
warf Fräulein ©milie, bie herjensliebe, mibächtlich
bajwifchen.
Sei bem SDocte Klüoer ging es wie ein Schlag
burch Sarbaras ©lieber. Sie faltete bie §änbe auf
bem Schob unb brüctte fie feft ineinanbet, bab niemanb
ihre ßcfchütterung gewahrte.
„£at er ba — etwas?" fragte 5=rau o. Kalau, in
bie halbleere Seetanne guefenb.
„Slber mächtig 1 Bchfah neulich, wie fie fich begegneten.
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□ 9?oman pon ©corg §cittt»ig (Smmp Koeppel). 71
0ie errötete u?ie eine fölatjehrofe, unb er 30g ben S)ut
unb tarn übet bte Strafe getrabt — unb £anb getüfjt unb
gebienert unb gemacht. §>a jal; er nicht nach ber Uhr, ba
hatte er Seit, ber §err <^ 3 rofejfor, in g=üUe — unb
ging aud; richtig eine ganje 0trede neben ihr."
„Ss ift ja bie grau Varonin!" bemerfte gtäulein
Smilie fpöttijch.
„ 9 ftir tut nur ber arme, liebe $err p. ßlüper leib,"
jagte Fräulein 37 lelanie barmijerjig. „ältere Scanner
follten eben teine jo junge 9 ftäb<$en heiraten."
„§ier ift eine §\%<i aum Itmjinten I" Varbel fprang
auf. 3j>re Söangen glühten, §>as blonbumrahmte
Slntlitj mit ben tiefblauen 2lugen jehtoebte ihr fo beutlich
por bet 0eele, baj$ fie meinte, bie 9 ?ed)te auöjtreden
3U tönnen, um es fortäuftofcen.
„©as macht bie junge Siebe," rief gräulein grniüe
mit lauernbem Säckeln.
@8 jüeg Värbel bis an bie ^etjte, ju jagen: 3 <h
hajje euch, ihr Klatfcheulen. t?ajje euer Vergnügen,
im Verborgenen bie Slfmungslojigteit $u bejdjleichen
unb aus einem ©enftorn Söahrheit ein ganjes gelb
blühenber Verleumbung ju jüdjten. „§ier tpirb mit
j«4>tomblig,“ jagte jie laut unb ging ungeachtet ber
bittenben VUde ihrer Viutter aus bem Sircimer.
Slber ber ^feil jajj in ihrem ^»erjen fejt. Sr jitterte
barin bie ganje lange 21acht h«nburch.
§>a tou&te jie, bafc jie ßtettenbom mit erfter,
glühenber Seibenjchaft liebte — unb tpar eines anberen
Vraut!
SiPölftes Kapitel.
2 lm nächften Vormittag geriet bas fleine $aus-
toejen ber SBajorin in Sluftegung, als bet Sanbrat
p. S)allerjtein jeinen Vejud) anmelben lieft.
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72
§>ec fcligc 92tajor.
„§>u liebet Sjimmel, 23ärbel,“ Jagte grau o. $alau
mit taum oerhefütem ©tolj, in bet £jaft ben ©d;lüjjcl-
forb mit Jämtlid>en ©chlüjjeln auf bic ©tbe fallen
lajfenb, baf} es toie ein ©onnerfdjlag burchs Simmer
bräunte, „unjer £aus ift jetjt bet reine £aubenjd>lag.
©elbjt .ßanbräte fliegen nun fchon aus unb ein. — ^3ut-
jel, bitten ©ie ben §errn Sanbrat in ben ©alon."
Barbaras ©clbfterfenntnis f>atte ihre 2 lugen um-
flort. ©ie toar {ich felbft eine geworben in
ben ioad>en träumen biefet 9tacf>t.
Slber oielleid;t toar fie nie fo fdjön geioefen als
unter bem §>rud biefer ©elbftertenntnis, bie in ihre
frijeh pulfierenbe Sebenstraft einen erften 2 lnl;aud?
leifer Melancholie oertoebte.
„Mein gnäbiges Fräulein/' Jagte §ett o. §allerftein,
ttjre reijoolle ©tjeheinung mit Jtiller 25etounberung
unifajfenb, „es gereid;t mir ju t>ot>cr ftreube unb ©c-
nugtuung, ber Überbringer einer Slusjeidmung ju fein,
welche ©eine Majejtät ber S^önlg in Slnertennung
gi>res unoergleid)li4»en Mutes 3l)nen ju oetleihen
geruht f>at. 3 d; l>abe bie ©l>re, garten im Mler-
höchJten Auftrag bie 9*ettungsmebaille am 33anbe 31 t
überreichen."
Barbaras SBangen toaren oor Übetrajd)ung er-
glüht, unb ein ©trahl freubigen ©toljes leud;tete in
ihren 33liden auf. „§err Sanbrat," Jagte Jie, bas ©tui
mit ber filbernen Mebaille am orange unb weifc
gejtreiften 33anbe entgegennehmenb, „eine Jolche 2lus-
jeidmung h^be ich nicht oerbient, ©s ift fchr gnäbig
oon ©einet Majejtät, mich bamit 311 begliiden, unb
Jeht liebenstoütbig oon ftfmen, mit biefe ©abe ju
überbringen, deinen beften $>anf bafür." ©ie reichte
ihm herjüd; bie £anb. — „Muttd;en, toas JagJt bu nun?"
ftrau 0 . $alaus 9*ührtränen flojjen. ©ie niefte
/
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□ Vornan cort (Seorg 9atta>ig (©mmt) flooppel). 73
hinter il>rem £afd;entu<$ ber 23eglüdwünfd;ung aud;
it?ccc ^erfon milben 93cifall 311 . „3cf> Jage, bafj bie
Sapferfeit in unfern Familie crblicf) ift. 2 tud) ber
Heroismus meiner £od>ter, £>etr Sanbrat, ift ein
©rbteü if>res feligen 23aters. Qd) barf wofü Jagen,
baf$ pon einer Galati nidjts anberes 51 t erwarten
ftanb. fta, »d; würbe mid) gewunbert f>aben, wenn
meine £od;ter itue Slbftammung fjätte perleugnen
fönnen.“
„9111c, bie $etrn p. Galati fannten," perficfscrte
^allerftein in f>öflid;ftcr 2 trt, „finb bapoit überjeugt.
— 3 d; werbe mir geftatten, mein gnäbiges Fräulein,
aucf) gijrem £ctrn 23rciutigam meinen ©lüdtounfcf)
ou 6 jufpred;en. hoffentlich wirb er nicht ju übermütig
im 53efit$ einer folgen 33raut," Jagte er, fid> erhebertb.
„Slber bas ift bei feinen oorttefflid;en ©harafter- unb
hersenseigenfehaften nid;t porausjufeljen. ©in junger
9Jtann, bet ftd? fo allgemeinfter $od>ac()tung erfreut — “
©5 judte if>r burd)ö ijerj. 6ie nterftc fautn, bafc
ber Jßanbrat unb bie Flitter bas 8 immer perliefjen.
$>ie SHebaille in ber $anb l>altenb, ftanb fie unb fjörte
bie rütjmenben Söorte in fiel) wiberflingen. 3a, Slrnolf
hatte red;t, er a>at ein anberer geworben. §>ü 5 hotte
fie an fid; felbft erfahren.
3 f)re Slugen hafteten an ber Snfdnift auf filbernent
©tunbe: „ffür Rettung aus ©efahr." §>a ging it>r ein
Stinten auf, ein tiefauffteigenbes 2 tl;nen, bafj es ttod;
anbere ©efahren gab als im treibenben ©trom, ©e-
fahren, bie feine S^örpertraft befiegen fann. —
2 lm 9tad;mittag erfdnen ber Komme^ientat, um
anftanbshalber auch feinerfeits ein paar glüdwünfehenbe
SBottc ausjufpreefjen. ©r war nad; ftrau t>. ftalaus
2 lnfid>t nod; „flappriger" als bisher geworben.
„$<$ fomme," Jagte er, „um gl>nett 31 t ber ©>e-
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©et felige Sltajpt.
74
□
toration 31t gratulieren. Sie tft ja ein ganz ^übfc|>e6
Spielzeug für ©rtoadjfene.“
$n 23ärbels 23ruft regten fid> Übermut unb £umor.
„Sie ift meine Slusfteuer," fagte fie, olme grau o. Kalaus
tüfteln zu beachten. „Ünb jrnar eine fold?e, bie man
mit ©elb nicf>t begaffen tann. 23erfud>en Sie es
einmal.“
„3d> tann's entbehren," fagte er angeärgert unb
griff nad) feinem §ut.
„23ärbel, bu tönnteft fdjnell nacf> bem ‘•putjgefcfjäft
geljen unb fragen — toeifjt fd?on t — §err Kommerzien-
rat, ein 2Dort nocf> !“
„2Benn ©amen fagen: ein SBort nocfjl bann tann
man auf taufenb rechnen,“ tnurrte er, fielen bleibenb.
,,©ut, rechnen Sie 1" grau 0. Kalau faftte feften
Stanb oor if>m, als fie il)m if>re runblid)e ©eftalt
getoidjtig in ben 2Beg ftellte. „§err Kommerzienrat,
u>ie benten Sie über bie ^oefoeit unfeter Kinber?“
„Of>, ganj nad> ^Belieben l 2Bir finb burefwus un-
beteiligt," fagte er mit tütjler 2lblel>nung.
„§err Kommerzienrat, icf> neunte zu 3f>rer unb
Qfcrer ©attin ©l>re an, bafo biefe SBorte in ben Söinb
gefprodjen finb. neunte an, bafc gijnen bie 23er-
pflicfrtung bet ©Itern gegen ben Soljn, gegen ben
einzigen Sohn — ©8 ift f>erzbred>enb, bies betonen zu
müffen.“
„Sie meinen bie gulage?" fragte er mit pfiffigem
Säbeln. glaubte, Sic roollten oon 9£ret Cocfjter
unb meinem Sofm fpred)en.“
,,©as tue icf>, toenn id; — “
„Stein, Sie fprecfjen immerfort oon mir unb meinem
©elbbeutel, ©er ift unb bleibt gefd)loffcn. 2lbet id>
l >abe nichts bagegen, toenn fief) bie jungen £eute aus
eigenen Mitteln eine frö£licf>e ^oefoeitsreife unb eine
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□ 9ioman ooit ©eorg ^attroig (fimmp Koeppd). 75
gtänjenbe ^äuslicfje ©inridjtung geftatten. 2lud> gegen
©inlabungen uni> ^ausbälle (>aben mir nid>ts etnau-
menben. Stur nid;t mit meinem ©elbe.“
„§aben 6ie eigentlich ein §erj, §err ftommerjien-
rat?" fragte bie Sftajorin mit jornigem Pathos.
„Stuf ber Unten Seite. — SBenn fonft nichts por-
liegt — “
„Sie motten bie ^inber auf bie paar taufenb SKarf
©e^alt heiraten taffen?“
„3d; mill nid;t, fie motten, $<$ f>abe bie ©t>re — “
„$err ^ommerjienrat,“ rief $rau o. $alau, ifm
am Sirmel fefthaltenb, „ift bas 3f>r letztes SDort?"
„©ins für taufenb," fagte er fpöttifcf>.
„©iefe Sünbe mirb gt>nen nicf>t ju Sped geheimen,"
rief fie, ohne ihn losjulaffen.
„SHeine S^onftitution perbietet bas oon felbft.“
©anj gebrochen ftüfterte fie hinter ihm t;er. „Oh,
bu fuchst"
©in frifefjer Storbmeft hatte fiel) aufgemacht, als
93arbara bie Strafje betrat, unb ftrich burd; bie faft-
ferneren Sifte bet Stfjombäume längs bes ^ufcmeges.
©in fanfter grühtingsregen glühte noch auf ben braunen
93latttnofpen unb brängte fie, bie erften grünen Spiijen
herausjuftrecten. ©ine te^te graue SBolte jerflatterte
über ben Käufern, S>et blaue £immel mölbte fid> in
neuer Klarheit, unb am SDeftranbe bes §orijonts ging
ein ©otbgeftimmer auf, ba, tpo bie Sonne fkh sum
Stiebeigange neigte.
93ärbet atmete bie frifd;e Kühle mit tiefen Bügen
ein. liefet alte Sflann hatte ihr 93lut toiebet in SBal-
lung gebracht unb bie Unnatur if>rer Verlobung in ein
unerträglich grelles £icf>t geftettt.
©in Kinb ftolperte it>r in ben 98eg. $>a gebaute
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76
$>er fclige 23tajor.
fie bes kleinen, beffen fiebert fie gerettet. ©s 50g fie
plötjüd) ju it)tn f)in, um fid? oon feinem 2Sol;lerget>en
ju überjeugen.
©ec Qnfralt it)iec 33örfe, fcfnttal mie er mar, oer-
manbelte ficf> in eine Bucferbüte. 9!tit biefet fdmtt fie
t?aftig oormärts in bas ©emirr bes Slrbcitcroiertels
hinein.
©as 8meifamilienl>aus mar halb erreicht, unb
23ärbel tlopfte an bie ©ür.
„Vereint — 2ld>, §errjel“
2lm £ifd> fa$ bie Hausfrau, ftopfenb unb fticfenb,
unb um fie t>er ein Häuflein 23lonb- unb Scfmrarjtöpfe,
fpielenb unb auf Schiefertafeln feihclnb.
Strumpf unb Sdrere, ©arn unb fjingerfrut — altes
flog jur ©tbe.
„©as g=räulein ! — S?inber, fornrnt ! — S^omrn, $arle-
tnännefren, gib bet guten ©ame bie ^atfct^anb ! 2lber
l;aft bu and? faubece Ringer?"
93äcbel bcüdte ihm bie ©üte in bie Keine, fofrmutjige
S)attb unb ftreichclte fein lodiges £aar. „fiaffen Sie
nur, es geht fdron. £>at er bas Stur^bab gut über-
ftanben, ber Heine Schelm?"
„SHad; bu mir bas bloß nod; einmal !" fagte bie
Butter brolrenb. „2111c £age gibt's liiert fo 'tten Sd;u^-
eugel, bu Schlingel, bu ! — 2Sas macht bemt ber $)erc
Bräutigam? 2lcf>, gnäb'ges Fräulein — gungens,
macht, bafe if>c meiterlommtt — betn §etrn felbft barf
man ja nichts fagen, aber mein 22tann unb id; tönnen’s
nicht genug loben, mie gut ber junge £err 314 uns gc-
mefen ift. ©egeben hat er uns unb gefd>enft für ben
23engel unb für uns. ©er ©oftor hat tommen müffeu,
meil bas $inb fcfron fo oiel SBaffer gefd;ludt hatte unb
gar nicht ju fi<t> fommen molUe. — ©a fann man mirt-
Ud) gratulieren, men ber jur $rau nimmt."
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□ Vornan »on ©cocg §arht>i<j (Stump Äoeppel). 77
93ärbels 9**3 begann mieber unruhig ju plagen.
Der £anbrat unb biefe fdjlichte 3=rau — alle fagten
ba&felbe. Unb fie felbft — mas fagte fie?
Das ©efiihl ber ©nge unb Unruhe, bas (ie immer
oon Rinnen treiben mollte ins Unbefannte unb ftetne
hinaus, erfaßte fie mieber mit f>ei^er Kraft. ,,©s freut
mich — " fagte fie fwftig. „Stbieul"
2 lls it>r braunen ber Söinb ins <Sefid>t mehte, mar
es ihr, als ffre'icfje eine liebenbe £anb ihr bie trüben
©ebanfen non ber «Stirn.
Sie fcfjritt ben SBeg jum bluffe hinab, auf beffen
Spiegel ein ©olbgefpinft in fd>aufelnbem ©lanj fi<$
belmte. Das Slbenbrot, am moltenlofen Fimmel empot-
fteigenb, ummalte bie Murine unb Sore bet Stabt mit
‘•Purpurfarben unb ocrflocf>t bie anbre<f>enbe Dämme-
rung in feine erglütjenbe unb oerfcbminbenbe <prad;t.
©anj leife, mie SBiegengefang, jogen bie 2 Delld;en
ju Sal. 2 öo ©mpörung gemutet, füfjte jetjt ^rieben
bie gleitenbe Strömung.
Da mar bie Stelle, mo it>re Kraft 511 ©nbe ging unb
bie $ilfe ihr fam.
Sie fah nid;t oormärts auf ben einfamen 2Beg, nur
grübelnb oot ficf> hin unb in ben SBitrmarr ihres ^erjens
hinein.
Schritte, bie ber 2Binb oermel;te, tarnen it>r ent-
gegen. 2 lls fie bie Slugen auffd;lug, ftanb Slrnolf oor it?r.
„§ier hätte id> bid; nicht gefud;t," fagte er fidjtüd;
erregt. Seine 8 üge fpiegelten ben 55erbacbt mieber,
ber ihn beunruhigte. „Kein 9Kenfd> meit unb breit in
ber 3tät)e — "
„92tachft bu es benn beffer?" fragte fie, ihre ©e-
banten fatmnelnb. „Dein 93ater mar oorhin bei uns.
©r mollte mir bie 9lettungsmebaille oerefeln.“
,,$d) freue mich, baf? bu fie betommen l;uft,“ fagte
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78
•5>et feligc 9Hajot.
ec, if>c feft ins Sluge blidenb, „unb wollte fjeute abenb
noct> ju bic — Söic tßnnen ober aud> (>iec auf unb ab
geljen," bcad> cc lucj ab.
(Sin £äd>eln alten Situtwillens umfpielte tycen
SItunb. ,,©anj allein? Ofme Slnftanbswauwau?
2ßas weeben bie Seute für Vergnügen bacan l>aben."
(Sc blieb eenft. $>ie ^altc jwifcfjen feinen 93cauen
geub fi<$ tiefec ein. „3d> fjatte nod> einen anbecen
8we<f füc mein kommen. 3d> wollte eud; Slbieu
fagen. 3d> bin genötigt, ju oecceifen."
„§>as ift nid;t rnafwl" entfuhr es ifcc Saftig.
„S>u mufct bief) nun fcf>on bacan gewönnen, bafj
ic^> ftets bie 2Bal;cl;eit fage. (Ss ift eine ©efd>äfts-
ceife.“
„97acf> (Snglanb?"
„Unb wenn cd fo u>äce? (Ss ift ja niefjt fo, abec wenn
es fo wäce, was wäce (Scftaunlidjes babei?“
„9Han>!" fagte fie mit fpöttelnbec Scfjäcfe.
„8d> tann meine Steigung nidji wie einen $anb-
fdml) wed>[eln.“
(Sie füllte es mit unumftöfjlicfjec ©ewifofjeit, bafc
es fo toac, baf$ feine Siebe ju it>c nicf>t oon if>m gemieden
wac. ©iefes ©ewufctfein griff Ijeute tief, fel?c tief in
tyc #ecj.
ftlufjcaufcfjen unb Söinbioeijen umfci>meid;elten it?r
Ctyc. Sie ging an feinec Seite wie im wachen £caum,
bie $änbe ineinanbec oecfcfüungen, als hielte fie ftille
8wiefpcad>e mit fid) felbft.
£ätte Stettenbocn niefct it>cen 2Beg getceujt, bann —
„<Ss wäce oielleidjt feoct? gut," unteebead; Slcnolfs
Stimme bas Schweigen, „bu wüfjteft meine Slbceffe.
(Ss ift nod> f>ell genug, fie füc bicf> aufjufefjeeiben. SKan
tann niefjt wiffen — "
(Sc blieb fielen, 30g fein 9totiäbucf> b«fooc, riß ein
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n Vornan von ©eorg §artu>ig (Sminp ßoeppel). 79
Blatt hetaus unb fchrieb fchnell ein paar Seiten barauf
niebet. „fjier! $ür ben Botfall!"
6ie griff nicht banoct). „SDann mirft bu toieber
fommen?" ©ine nie empfunbene Beängftigung oet-
Ueh ihrer 6timme einen umnberfam meinen $lang.
,,3d) toeif} es nicht deshalb fragft bu bemach?"
2Beil ihn ber toeiche $on ins Derj traf, gewannen
93itterfeit unb ©roll abermals bie Oberhanb. ,,©s
folUe bir hoch gleich fein, ob ich hier ober anberroärts
meine ‘■Pflicht tue."
$n biefem Slugenblicf fafjte fie einen ©ntfehluf}.
„Söenn bu mieberfommft,“ fagte fie langfam unb fenfte
bie SBimpetn tief über bie buntlen Slugen, „toill ich bir
etroas fagen.“
©t fah fie überrafcht unb oerftänbnislos an. „3et*t
nicht?"
„3tein — je^t nicht l"
„So nimm!"
6ie hielt bas 93latt äu>ifd>en ben Ringern unb lief}
es hin unb her flattern, ©in SBinbftofj toehte es ihr
aus ber §anb.
2lls er es auffing, griff auch fie banach, unb fo legte
fich für einen Slugenblicf ihre Rechte über bie feine, ©r
hob fie mit bet hinten empor, als roollte er bie Be-
rührung oon fich n>eifen, aber ebenfo fchnell empfanb
er einen §>rucf ihrer $anb.
„Beife glücflich !"
6chon roat fie in ber Dämmerung oerfchrounben
unb eilte flüchtigen ftufees ben ‘•promenabenweg hin-
unter, ins ©etoirr ber Slltftabt hinein.
©»reijehntes Kapitel.
Über bem Rittergut ©arfom roat bas erfte ffrüh-
lingsgeroitter niebergegangeit. ©leich barauf ftanb ber
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80
©er fclige 2ftajor.
Stord;oater wieber auf bem Scheunenbach unb klap-
perte, bafc es weit über ben §of J?imr*egfd^aIIte.
Quer rar lag bas Herrenhaus, ein maffioes, ein-
ftöckiges ©cbäube mit ungepflegter Sluffahrt. ©ine
burd>löd)erte §unbet>ütte, auf beren Dach fid> ein paar
Hühner sanften, lehnte fich gegen bie SHauerkante, um
welche fjerum ber Söeg in einen ftark oernachläffigten
©arten führte.
3n ben geöffneten Ställen, bie für einen jal>l-
teichen 33iehbeftanb eingerichtet worben waren, brumm-
ten unb grünsten ein paar oereinfamte 33ierfüfjler nach
Fütterung, unb eine Sd>ar gieriger ©nten umquakten
ben langft geleerten $rog.
Der $crr biefes h^untergewirtfehafteten 33efi^es,
beffen 33erfd>ulbung unb Dürftigkeit beutlid) genug in
bie Singen fprang, 33ollrab o. S^lüoer, ftanb in 3oppe
unb lwh cn Stiefeln als fein eigener Snfpektor neben
ben Dungauflabern unb wetterte über beren Lang-
famkeit mit bem gansen Slufgebot feiner Lungenkraft.
©in auffallenb hüt>f<h er «nb fdjlank gewachsener
junger Sftann im Oleitanjug leimte an ber Deichfel
eines Leiterwagens unb läd>elte ben S^ernausbrücken
feines S3aters füllen 93eifall.
„SBenn bas Kapitel ju ©nbe ift," tief er ihm in
gutem ^ranäöfifd? ju, „bann wollen wir jetjt unfere
Spiegeleier effen. 3d; fmke einen morbsmäfeigen
junger."
93ollrab o. ^li'wer fd;of$ noch ein letztes Schimpf-
wort in bie Luft, bann wanbte er fich feinem Spröjj-
ling ju, bet ihn gemütlich unter ben Sinn fafcte unb im
©ilfehritt bem S)aufe entgegen führte.
„Quftus, infamer 23engel,“ fagte S3ollrab, „bu ißt
mich mit beinern Seemannsappetit noch rattenkahler,
als id; fd;on bin.“
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O 9vonmn von ©cotg fjartioig (öinntn itocppel). 81
„(Sin 9öit*tfcf>aftcr muft bei fd;atfent Slppctit fein,"
rief bet ehemalige Ulanenoffijier mtb jeigte babei feine
prächtigen Sahne. „Unb id; lerne bei bir bie SBirt-
fcf>aft. Unb was für 'ne 38irtfcbaft ! ©etwrt uns noch
bie SBetterfabnc auf bem ©ad;? Smeifelbaft —
UMS?"
„behalte beine fchlecbten Süifte für bktr. 9öir pfeifen
auf bem lebten £ocb. ftbr beibcn Schlingel habt mid;
— i)alt mal! Raffelte ba nicht was?“
„OTeine leeren (Singeweibe — fonft nichts. ' —
S^omm !"
„8mn ©onncrwctter, fteh boch cnblich ftill!“
Um bie Biegung ber £anbftrafte, an einem (mlb
verfallenen Wadofen vorüber, ber ab Pächter oor bem
©utstwfe feine (Sebrechlichfeit jut Sd>au ftellte, tarn
in ber Cat ein ©efährt in Sicht, ein offener ^albwagen.
„Sothar!“ rief Suftus unb lieg ben 2lrm bes ^rei-
l;errn fahren. „ftreue bich, alter fjcrr, nun h rt ft bu
uns beibe!"
,,©a foll bod; gleid; — "
(Sr tarn nicht weiter. Qm eleganteren 3ü>ü u>ar
fein 3iltefter aus bem 98agen gefprungen unb auf ihn
Vugeeilt.
„Alterchen, bu bejahlft wohl ben SBagen! (Ss ging
fchneller fo ab mit ber <Poft."
„3hr müftt rein Stroh im S?opf haben!" fagte ber
Freiherr wütenb.
„Unb ein anftänbiges Crintgelb vergift nicht! ©er
W1enfd> ift famos gefahren.“
ftuftus befam wieber einen £ad;anfall. „Wa, her-
aus mit bem Wlammon, Slltcrcheu!" rief er, feinen
Wrubcr umarmenb. ,,©ie «Spiegeleier werben fonft
falt.“
„3ch babc einen Warenhunger mitgebiacbt," fagte
1014 XI. G
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82
$er feliqe 9ftajor.
□
Sothar, „SBas laben bie beim ba für geug auf? 0tinft
ja bis hierher!"
5>er Freiherr hatte feine 93ötfe heroorgejogen. „gt>c
Blutegel ! gl>c 0chri>pf topfe!“ $>abei mufete er bocf?
in feines güngften Sachen einftimmen. „$ommt an-
gefahren rr>ie ein ^rinj! Hub id; alter ©fei bejahe es
and) noch. — $>a — nun mach meiter !"
0el;r gemanbt entlebigte ber junge 97tann fid> feines
Auftrags. 9Kit größter 9lad>läffigfeit liefe er jum 0d>lufe
ein ©reimarfftiicf in bie S)anb bcs $utfd>ers gleiten.
„^lagt bid; ber Teufel?" fragte ber Freiherr, ben
3 ufammengefcfemoljenen gnfealt feiner 23örfe befid>-
tigenb.
„gmmet nobel! $lüoerfd>e 9lrt!“
Hnb bann gingen fie in befter Saune jum ga-üt)-
ftücfstifd?.
©äs alte gaftotum, bas jefet S?öd)in, 0tubenmäbd>en
unb Wiener in einer ^erfon mar, hatte reidüid) auf-
getragen. Xlnb jebes ©lieb bes gamilienfleeblattes
beeilte fid>, fo oiel mie möglich bauen perfchminben ju
laffen.
§>abei leiftete bie jüngere (Generation bas 9ftenfd;en-
möglicfec an fd>lecf)ten unb guten Söifeen, fo bafe bas
Sachen fein ©nbe nahm, bis ber lefete tropfen aus ber
glafdie Dcrfduounben mar.
9llsbann fing ber greiherr mieber ju fdjelten an.
„9Bas millft bu beim hier, bu Taugenichts? 2öir fönnen
bid; nid;t gebrauchen. Hnb befahlen fann ich feinen
Pfennig mehr für bid; — id> müfete es mir gerabe aus
ben Rippen fd;neibcn. 2öas ift benn paffiert? 5)aft bu
ben SHeuft quittiert? 0oll id; euch jefet beibe hier mit
burchfuttern? gd; habe an gttftus fchon genug, gmei
folche 0traufeemnagen oerträgt bie alte SHitfchc nid)t
mehr.“
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O Vornan oon ©corg §artu>ig (Smrnp ßoeppel). 83
„?llter £jerr," fagtc Sotyar mit ©emütsrube, ein
filberncs Btgarettenttui berporsiebenb unb t>erum-
reidjenb, „bebiene bid; ! Q^id^ts 93efömmlid)eres nad>
STifd> ab eine gute Bigarette."
Oer Jreibetr fnurrte jtoar, aber et langte ju unb
tat einen pcüfenben Bug- „9toud;t bet 35engel 'ne
feine Kummet! Steine 6tintabores finb bem oor-
netjmen £etrn natürlich nicht gut genug. — fragte,
ums bu Ijiet roillft?"
Oer junge £ufat lehnte ficf> bequem in ben Seber-
ftubl jurüd unb blies einen feljr gelungenen Kringel in
bie £uft. Oabei fiel ein £icbtftraf)l in ben 93rillantring,
ben er am Meinen «Jinger feiner moblgepflcgten S)anb
trug, unb auf bie ^erlenfnöpfe feiner 9ftanfd>etten.
„3d> t >abe mit bem Oberft gefproeben,“ fagte er,
einen jtoeiten Kringel tabcllos beförbernb. „Sr fagt,
es fei fd)abe um mid). 3$ mürbe einen famofen 9titt-
meifter abgeben. Ou follteft bod) noch mal jufeben.
ob bu mid) nicht halten fönnteft."
„Oer 9Uenfd) mufe total oerriidt fein !" rief ber fted'
t>crr, mit ber 9led)tcn auf ben Oifd) fdüagenb. „Unb
bu besgleid)en! — Buftus, toeun bu bas £ad)en — “
Sr tarn nid;t toeiter, beim bas £ad)en t>atte it>n
felbft angeftedt, unb in befter Sinigfeit lad)tcu je^t alle
brei um bie SDette.
Oarauf Mturrte ber 2llte uneber los: ,,3d) hätte
euch Stader 6d)ufter unb 6d)neiber merbeti laffen
folleu. Ou jichft natürlich ben bunten 9?od aus u>ie
Buftus. — Oonnerwetter !" rief er plöfjlid; in geller
2But, „bas mujj man über fid> ergeben laffen, unb ba-
neben fitjt ein fteinreid)er Sdüoer unb rüdt feinen
Pfennig heraus ! Sine Stute t)ai ber OTcnfch poriges
Babe gehabt, bafj ben 3'ifpcftoreu bie £>aare ju 33etge
ftanben, tocil fic nicht mußten, umhin mit bem 6egen,
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84 ©ec jclige S2lujor. O
SBcnn ec jebent pon eud) monatlich fünftjunbcrt SHart
gäbe, märe es für if>n eine SHeitiigteit.“
„Sille Söetter — fünft>unbcvt Sftärter !" vief guftus
mit leucf)tenben Singen.
„Slieft barauf!" jagte bei fjreilterc mit einem pec-
geblid;en SUnf bic ftlajdtc untbrebenb. 0 ie gab nichts
mel>r f>er.
„SBie märe cs beim," jagte £oti)av, „meint mir
iintt mal peceint auf bie 33ube rüdten, biejem per-
ftodten J^röjus, bamit er mal einen 93egriff betommt,
mie anftänbige (Arbeit ausjet>en?“
s^es ^reiltecrn Singen jdmjjeit einen 0tral;l jtol^er
33efriebigung auf bic beiben jchmucfcn 0öfme, bann
bomtertc er micbcc meiter: „§attc er bamals ein SHajo-
rat aus feinen ©iitern gemacht, et>e bie tleine SHiggebuct
juc SBelt tarn, tonnte er jid> jeijt auf ben S?epf ftcllen,
es fiele bod; au uns. 3 ct*t tarnt ec bamit machen, mas
ec mill."
„SZa aljo, ein ©runb mein - !" rief Qujtus. „5>er
$>ung fornmt auch oljne bict> aufs f^elb, alter £err.
^al>ren mir los! — klingle bod> mal, £otl)ar! Sine
jjejtung überrumpeln, macht 0 pag. ftiic ben genialen
Sutfall mirb nod> ein guter Stopfen jpettbiect. SHan
ijt ja taum auf beit Sejcbmact getommen."
„§>u bleibjt jiijcti,“ rief her Freiherr grimmig. „5>as
©epicbele t>ört auf!"
„5>u, meifjt bu,“ jagte £otbar ruhig, „tnucrig taunjt
bu fein, aber uid>t fdjäbig. 0 d>äbigteit ijt aller £after
Slttfang. — ftätbe! Sine 5lajd;e roten SMirgunber! .
Sved>ts um bie Sdc, bann lints um bie Sde — “
„Unb bann gecabeaus — hierher!" rief ftujtus bec
Slbgehenbcu nadt.
fju angenehmer Simartuug bes Komtnenbcn fingen
beibc an 511 miljdn über bie flajfifcbc Srjchciuung biejer
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□ Steinern pon ©corg ?>artu>ig (Stump l?ocppel). 85
Hinblicken £ebe. 5Jeim brüten 93etgleid> fd;on liefe ber
5 teif>err feinen ©roll fahren, unb mit cinftimmigem
Subei begrüfet ctfcfjicn bie beftoubte f^lafcbe auf bem
runben g=amilientifd>.
2 lls ber 38agen auf ber 6 tation antam, ftanb bet
8 ug fd;ott fettig jur ?lbfal;rt, unb es trat gctabc nod;
fo Diel bafe bet - greifen: poran, feine 6 öt>ne l;inter-
btein, in ein leeres 9lbteil fpeangen. ©abei gcfcbal; es,
bafe bet 9llte mit bem &nie gegen bie 6 ifecdc ftiefe unb
mit einem gemurmelten fjlud; feinem nad;l>üpfenbcn
@obn guftus einen fräftigen 9?ippenftofe Derfefete.
„©ummer 33engcl, mit beiner ©rängelei ! — ©ie
ganje £jaut mufe abgefdteuert fein. ©s brennt n>ie
Reiter!"
„ 2 ld; was," fagte £otbar genuitpoll, „bas ift nur
äufeerlidn“
„©er 9Henfd> mufe eben and) mal ^3ed; l;aben/‘ be-
merfte Suftus, „fonft perlicrt er ben ©cfdunad am
Seben.“
©er ^eeiberr trollte auffafnen, aber bie 38eisl)eit
feines Siingften reijte it>n 511 m £ad;en. „©u .fjans-
bampf! ©leid; nacl) unferer 3lnhmft mufe id) in bie
Slpotftefe gehen unb mir pon bem ©iftmifdter S?ül;l-
falbe auflcgen laffen. ©as fommt poti biefen bummen
©den! können fie bie ©ingcr nicht runb machen!“
„9?unb toie 'ne SBurft!" fagte Sotbar beifällig.
„Ober roie bie 9?üdenanfid;t ber Kathi," pflichtete
Suftus bei.
(Öovtfcfcuiiß folgt.)
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Oie fiörperfultur des Kindes.
t)on <£rn)Tt 6dffert.
mit 8 Oildern. ♦ (na^dnuf otrboUn.)
3 m Scltaltcr bes Sports, bes Strebcns nach
harmonifcher Slusbilbung bes Körpers tauchte
natürlich aud) mef)tfad) bic ftrage auf: fallen mir
ben Qüngften unferer kleinen ebenfalls täglicf> be-
ftimmte Übungen geben, braucht ber ^arte Selb nod;
nicht jur ©dmlc gereifter kinber ebenfo täglid; fpftema-
tifd;e 9lusarbeitung roie mir?
93ist>er galt als felbftoerftänblid;ec ©runbfaß: S>as
S^inb foll bis jum fechften Lebensjahr fpielen, nur
fpielen, beim fo einem fleincn ©teufchen ift bie SBelt
noch neu, ihm finb ^3flid;t utib Arbeit unbefannte
©egriffe, unb mas es mirtlid) baoon hört unb fielet,
ift ilmt unbegreiflich, ift ihm leerer Sd;all.
9tun münfcf>ten bic ©elehrten unb befonbers bie
großen ^ir^te aber bod>, baß aud) bem Meinen kinbe
ooti jmei bis jefm Sauren eine regelmäßige Übung
gegeben merbe, beim fie fagten, baß oiele krantheiten,
bie fid> in folgen 2 lnfangsjat>ren entmideln unb oft
bann bas ganje Leben tjinburcf) fchlinime Begleiter finb,
butd) fokt>e Übung im keim erftiett merben tonnten,
©eheimer ©tebijinalrat SProfeffor §>ottor heubnet
fctjrieb feinerjeit als ©irettor ber königlichen üni*
oerfitätstinbertlinit 311 ©erlin unter anberem folgenbes:
eine methobifd;e ©pnmaftit für bic erfte
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□
33on Srujt ßciffcct.
87
&inM;cit ausjuarbciten, entfprid;t einem 33cbürfitis,
bas id; fd;on oft bei ber 33ehanblung musfclfcbtoadjer
$inber in ben erften Lebensjahren empfunben fmbc.“
— Hnb ©oftor S^lapp, “^rofeffor ber Stmurgie an ber
Unioerfität 33erlin faftte feine Meinung alfo jufammen:
„ 2 tnfere 3 ^it braucht ftarfe ?Kenfd;en, bie ben Stampf
SBcim $iefatmcn.
bes Lebens crfolgrcid; bcftchen fönncit. Ss roäre
oerfehtt, toolltc man bie vielerlei 6 chäblid;!eitcn bes
53erufs, oor allem bes moberneit Lebens in ber ©rofe-
ftabt, paffio auf fid; einroirfen laffen. Leiber gcfd;icl;t
bas nur 311 häufig, anftatt bafj man fid> burd> jmed-
mäfjigcn 6 port bas notmenbige ©egcngcir>id;t gegen
bie 6 chäblid;tciten bes 53erufs u>ie bes Sflüfeiggangs
in ©cftalt eines ftarfen unb toibcrftanbsfäbigen Körpers
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88 ©ic Rörpccfultuc bes ftinbes. □
erwirbt unb erhält. 6p ift noch vielfach bie Meinung
verbreitet, man forge am beften für bie Kinbcr, wenn
man fie woblgefüttert unb -gepflegt in bas fiebeu
eintreten laffc. Ohne in bas anbere (5,rtrem 311 ver-
Sungenübung bei OTäbchen.
fallen, müffen wir es für jweeftnä^ig I?altcn, wenn
and; in früher ftugenb fd>oti ausgefuchte unb gut
geleitete törpcrlichc Übungen getrieben werben."
9tad; beit 5’lufeerungen fc>ld>er Slutoritäten tonnte
nur noch bie £?rage beftehen: 3l»ie ift bie 6 trenge
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□
93ou Stuft Seiffett.
89
bes Spftems bei; u>ei<$en Kinbergemütern anjupaffen?
§>enn bas war flat: $>ic Sonnige, ungesroungene
Kinblid>teit Sollte unb mufete heilig gehalten roerbett,
unangetastet bleiben, §>ie Schulmänner Sträubten
Sin fdjneibiger Sprung penn Tifcb unter innerlicher §ilfc.
fid; energifd;, beit Sport in bas £cbrprogranun auf-
juneljmen.
5 >aS) cs nid>t gan; 311 Unrecht gefdjab, mögen bie
nad>Stel>enbeu SBortc eines beroorragenben 5ad>-
inannes, bes 33 orfihenbcn bes berliner Sporttlubs
„Komet“ beträftigen, bie alfo lauteten: „60 mert-
ooll, ja Sogar unentbehrlich Sport jeglicher 2 lrt bei
ben jetjigen geiftig aufreibenben unb entneroenben
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90
Sic Rörperfultut bes Riubes. □
£ebensoerhältniffcn für bcrt Jüngling unb Sftann 311t
Sntwidlung unb (Spaltung torpedier unb gciftiger
Süchtigteit, für unfere ganjc Nation jur <£rt>altung
eines gefunben, leiftungsfäf>igen Qtachwuchfes ift, fo
falfcf) unb für unfere gulunft nachteilig muß es er-
scheinen, fd)on ben tleincu Knaben 311 erlauben, 6port
ju treiben, ©er fporttreibenbe Knabe würbe, leicht
empfänglich, wie Knaben finb, erfaßt unb nicht wieber
losgelaffen werben oon bem gewaltigen Sauber,
ben ber 6port ausübt. Sc unirbe nicht ©elbftbifjipUn
genug befißcit, um feine ©ebanten aus bem Sport-
lichen ^beentreife jeitiueilig fo weit los3ureißcn, baß
er genügenb Seit, Energie unb Slufmerlfamteit für
feine gebiegene geiftige Slusbilbung unb S^ichuttg
übrig behielte, ©er 6portbetrieb, gleichbebeutenb mit
$afchen nach Srfolgen, löft bei nicht gauj ftarlcn
Staturen auch lcid?t Schlechte ©harattereigenfehaften aus:
9 teib, 6treitfucht, Ubethebung, Unlauterteit, Un-
wahrheit, Hoheit, 33 lafiertheit, (Selb- unb Beitoec-
fchtoenbung, Unluft 31t geregeltem ©eitlen, Steigung
311m 93 untmelleben. ©urd; 311 fd;arfes ober über-
mäßig langes Stornieren lann ber in Schneller ©nt-
widlung begriffene Körper bes Knaben, tonnen be-
fonbers bie inneren Organe leicht überanftrengt,
bauernb gefd;äbigt unb in ber natürlichen Slusbilbung
gehemmt werben, lann ber unausrottbare Keim 311t
Steutaftbcnie gelegt werben. Söir wollen alfo leine
trainierten ober gar übertrainierten, eiufeitig ent-
widelten Knaben mit mübem ©cfid;tsausbru<f, bie
fchon alle gceuben unb Slufregurtgen bes 6ports
burchgetoftet hoben, fonbern wir braudiett unfdwlbig
in bie SWclt unb in bie Butunft fdutueube, irr golbenec
Freiheit aufgewaebferte Buttgen, bereit .Körper fid>
nad; beit Qtaturgefeßcn oon felbft gefd;meibig, träftig,
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93on Srnft Sciffect.
91
ebenmäßig unb jefjön entu>i<felt. Schaltet unferen
Knaben fo lange als möglid; bie nabe greube am
tinblic^en Spiel unb bamit il?re glüdlicf)e Kinbtjeit!“
22tan fie|>t , bie Sportleute finb burdjaus nid>t
immer bie ganatifer, als bie man fie allgemein t)in-
Oberleutnaut 9lcumann-0kurobe mit einem feinet
jüngften göglinge.
juftellen beliebt, unb befonbers in ben großen Kluben
tvirb fel>c vernünftige Körperpflege getrieben, ©od;
u>ie mau aus ben ^lufjerungen flar erfetyen tann,
mufo ein fportlidjcs Üben ben Kinbern überhaupt
fremb bleiben.
3Dät>renb nun in ber Sdm^eit bie Surnftunbcn
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92
Sic ftöcpctfuüuc öcs füubco. □
manches bcjwcdeit, ift bas S?inb in beit fahren oorher
f id> fclbft überlaffen. Oas würbe als Sücfe empfunbeit.
Oarunt würben oott toiffcnbcit Männern neue SBege
erfomten, neue Vtett?oben, pou benen bie befanntefte
u?ol>I bie bes ©acbeoffijicrs Oberleutnant Veuntann-
Veurobe, bes* Turnlehrers ber ^ronprinjentinber, ift,
itad? ber aud? bie < ^ 3 t>otogiapbicn biefes Artifels auf-
genommen fiitb.
Oberleutnant Octleff Veumann-Veurobe bejeid)-
net als beit $)aupt3wccf eines fd?on mit jtueijährigeu
S^inbern beginnenben, befonbers angepafcten Tutn-
unterridjts bie Vorbeugung gegen foldte S?rantbeiten,
bie einen fd?wäd?lid?en Körper als ©runbbebingung
haben, unb bie Vorbereitung bes S^irtbes auf bie 6chule,
bie fonft plöt$lid?e Anftrcngungen burd? bas ftunbenlange
6ihcn jeitigt. 6cine Viethobe l? 0 * er fo jufanmten-
gcftellt, ba£$ fie an ben ^nftinft bes S^inbes appelliert,
feine langweiligen unb feine forreften Übungen oer-
langt, aber ben ganjen Körper burd?arbeitet unter
befonberer Veacbtung bet Tntwicfluug bes Aüdens,
ber ben meiften ©efabren ausgefeht ift, unb aud? ber
Veiite, 3U bereu red?tjeitiger pflege fid? bie ©Item
feinen Aat toiffen.
8u bead?teit finb uad? biefer oft erprobten Sehre
folgenbc ©ruubfähc:
1 . Vtau faitn mit bettt Turnen febott beginnen,
wenn bas S^inb anfängt, ©eboetfud?c 51t mad?en;
bas wirb gewöhnlich im Alter oon einem 3 al?re fein.
2. 3ebc Audbemcgung am föinbe ift 311 oertneibeu,
im allgemeinen muf$ bie Ausführung ber Übungen
laugfant unb bebnenb erfolgen.
3 . S^cin $onfurren3turuen mit attberen Ambern
barf oeranftaltet werben, bentt es fornrnt nicht barauf
an, baft bas $inb „etwas fann“.
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93
□
33on ßruft Öciffcrt.
4. $>em ftinbe ift ftreube cm bicfct* 2trt Suvncn ju
ertoeefeu.
©aju ift 511 berücffid;>tigeu, bnfj feine beftinunteu
Surnftunbcn angefe^t »erben Miefen, baf$ nur ge-
turnt u>irb, wenn bas $?inb £uft bnjn f>at. S>ie tjat
ßine fcfiöitc Übung jur Kräftigung ber 23aud>nuiöfula(ur.
es ja faft immer. 33ci Slinbcrn, bie nod; nicht fprcchen
fönnen, mufo man mit ber Übung fofort auftjören,
wenn fie Unbehagen jeigen ober gar febreien; benen,
bie fid) febon ocrftcinblid) machen fönnen, ift in ihren
2 Bünfd>en in bejug auf bas Surnen 311 willfahren.
$>er ftnftinft bewahrt bas föinb oor Überanftrengung,
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94
5>ie ftörperfultur bes Rinbes.
Ö
anbcrfeits bas gcfunbc SÜnb bas Bebürfnis nach
Bewegung — man {oll alfo aufhören, wenn cs nicf>t
mehr turnen will; mag cs bic eine Übung nid;t machen,
bann {oll inan nicf?t barauf befteben, fonbern eine
jroeite unb brittc oor{ 4 >lagen, ba es junäd){t nicht
barauf anfommt, was es turnt, es {oll überhaupt
»orläufig nur einmal lernen, etwas nacbsumachen.
Geht balb tut bann bas S^inb alles, u>as im Turn-
unterricht oon ihm oerlangt toirb, freitoilUg. 5Benn
{ich bös $inb felbft eine Übung erbadü höt, mufc bie{e
ins Repertoire aufgenommen toerben, mit £ob unb
Bewunberung barf man, befonbers bei ben ganj
kleinen, nicht geijen. 5>a^ man oermeiben tnufo,
bem ^inbe ioehe 311 tun, ift felbftoorftänblich. §>oct)
auch t>*>t ^ cni Zöllen muf$ man cs bewahren.
£äf$t man ein Sünb allein turnen, was es will,
{0 wirb taurn etwas paffieren, bagegen wirb es immer
grofee G4’ceierei, wenn nicht gar Gdilimmeres geben,
{owie man mehrere jufammen ohne Ruf ficht üben
lüfet.
Süeinlid; barf ber Beauf{i4>tigenbe nicht {ein, auch
oon betn ft'inb nicht Korrefthcit in ber Rusführung
ber Übungen oerlangen. T>ie Gchönheit ber Be-
wegungen fommt mit ber Seit oon felbft.
Übungen, bie an {ich leinen gpmnafti{ 4 >en SDert
haben, aber bem S^inbe fjreubc machen, finb bur4>aus
glüctlicf>c Einlagen, fmuptfächlich bann, wenn bem
S^inbe eine Übung 311 fchwer war unb man biefe ab-
brcct)cn mußte. ftinber höben feine Rusbauec unb
langweilen {ich, wenn bie Übung nid;t balb gelingt.
§at bas S?inb Rngft oor einer Übung, fo laffe man
biefe eine Seitlang fort; nur wenn es gerne
unb willig turnt, höben b e i b c Teile
5 r e u b e bar« n.
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33on (Stuft Seiffcrt.
93on biefen ©runbfätjcn xft bet ganje Stfolg ab-
hängig.
6 d>lief 5 lid> barf nicht unerwähnt bleiben, baß bie
Kinber bei allen, aud; ben anftrengenben Übungen
Siegen bet 2lrme nad; füctoärts, bei Slnjpanuung bet
©einmuölulatut burch Stehen auf beu Seheufpißen.
gleid;mäßig atmen tnüffen, unb baß bei bet leid;teften
3nbispofition bes Küthes bas Junten unterbleiben muß.
23ei Stäbchen ift in 9iüdfid;t auf ihre jartere Bau-
art bas Surnen mit befonbetet (Sorgfalt, 53crfid;t,
unb mit mehr llnterftüßung burd; ben deiner ju
betreiben, als bei Knaben, bamit jebe Übcranftrcngung
ausgefchloffen ift.
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9Ö ©ie ßörpertultur be$ ftiubcs. □
6p ungefähr ift ber Kern ber 2 }tctl)obe, bic mit
großer $>eutlid)teit ein liebevolles 33 erftet>en bev
Kinbespf2)d;e funbgibt unb u?oi;l bas 2tusgereiftefte
barftellt, bas u>ir bisher auf bem ©ebiet bet Körpcr-
Eultur bes Kinbes l;aben.
©er upit Oberleutnant 9teuinann-9lcurobc fonftruierte
Apparat im ©ebrauch.
2lus beit beigcgebeucn 33ilbern möge man eiferen,
wie bic einzelnen 2 ’lbungen gebaut finb. Oberleutnant
Qteumatm-ftcurobe fagt über fic, bafo man ihre 3a bl
nach belieben pctmcbren t'ann, bafj aber in feinem
6i)ftem bic bauptfäd)lid>en ?]custelgruppen febon genug
berüdfidüigt worben finb, um eine barmonifebe Ourrb-
arbeitung bes jungen Körpers 311 geftatten.
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■ ■ | | l III
33cm Stuft ßciffcct.
97
ftür größere Kinber finb Übungen, bie fpielenb
erlebigt werben, meift nid;t met>r austeidjenb unb
oud) !aum nod> möglid); wer inbeffen bie eigenen
ober bie ihm anoertrauten ©pröplinge in ber augegcbc-
SaUftofecn jur Kräftigung ber Slrmc.
nen SBcifc bis jum feebften 3at>r tjat turnen taffen,
wirb nicht in Verlegenheit um 9ieuiibungen geraten.
5>ap S^inber, bie jeitig 311 turnen beginnen, leid;t
Hein bleiben, trifft nur bann 311, wenn einige TKustel-
grtippen überanftrengt werben unb ber übrige Körper
311 fnr3 fenunt. Vernünftige ($»mnoftit ift bem 713 a d^r-
1'J14. xi. 7
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98
$>ie ßörpcrtultur bes Rünbcs.
tum bcs Körpers nur förbcrlidt, ba bie SDibcrftanbs-
fät>igfcit bes Körpers gegen Krantyeiten u?äd;ft unb
burd) bas turnen in ber Kinberftube bet ©runb ju
einem gcfunben ftraucn- unb SKannesalter gelegt
trnrb.
3tod; einmal: ©er 8 u>ccf ift bic Slusbilbung 3 U
einem gleichmäßigen, musfelträftigen Körper; bie
©ctoatibtheit foll früh enttoicfelt unb ber fogcnannte
„ 6 d;ncib“ ganj allmählich 3 ur ©emohnheit tuerben,
ohne baß auch nur 2 lnfd;ein aftobatifd;er 9lus-
bilbung gegeben fein tarnt. Ob ein ©rfolg ttad; einiger
Seit Dcrhanben ift, utirb am beften ber Slrjt fcftffcllcn
tönnen, ber aud; oor 93eginn ber Übungen um llriter-
fuchung ber 33efd;affenheit ber Pusteln unb bcs gattjen
Körpers bes göglings, fotoie um einige 3Zotijen 311
fpäterem 33ergleid; gebeten tttcröcn muß, inenn alles
fich rid;tig abtuideln foll.
Sluch für ben £el>rer ift bas ©unten mit bett Kleinen
eine gute 23en?egung, bie ihm halb fjreube machen
unb 311 m 23ebürfnis toerbett roirb.
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Die Wette des flmertfanerö.
HoceUe ©oit fl). $arb.
i
(t1a<J>dru(f »erbeten.)
S m S-Mllatbjimmcc eines ber hocheleganten S^tub-
häufer, mie fie fiel) nur bie oornehmften Streife
bauen fönnen, fcf>Iug bie golbene Stutjuhr auf bem
reid; Datierten Supusfamin mit ihrem feinen ©loden-
ftimmeben oiertnal an. ©>as Mang fo frifd> unb h^i.
als ob es 9Iad;mittag märe, unb es toar bod; 3tacht unb
6 d;lafens}eit — menigftens für ben bürgerlichen 9Ior-
malmcnfchen, für ben, ber in feiner Seiteinteilung Orb-
tuing unb Solibität liebt, ber oernünftigermeife ben
©ag jur Arbeit benützt, unb bie 9tacbt jum Slusfchlafeu
unb jur erquidenben SRuhe.
©>ie Meine Uhr roar ein S?unftu>cr! unb [teilte ben
oiclgeplagtcn 2ltlas bar, ber auf feinen fräftigen Schul-
tern bie Saft ber ©rMugel trug. 5>ie fjigur richtete
ihre toten, unbeweglichen Stugen mit bem ftarren, faft
grimmigen 33lid auf eine ©ruppe oon Herren, bie in
einer ©de bes fonft leeren Simmers allein noch beiein-
anber waren. ©s }d>ien fie wertig ju fümmern, bafc ein
heller Streifen am.öftlichen S^orijont ben jungen bor-
gen bereits 51 t oerl'ünbett begann, ©s mar, als loollten
bie barten Slugcn unb bie ftrengen Sippen ihnen 311 -
rufen: Seht ihr nid)t, ihr Schlemmer unb 3Md;tstuer,
wie bas Sebctt rings um euch herum Slrbeit unb Saft
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100 $>ie 32kttc t>c& &iucritaucrs. Ö
unb ZTtübe ift, wie Millionen ficb jetjt erbeben werben
jum fc^wcren S>afcinstampf um bes Sehens nötigfte
Srforbetniffe — unb ihr ftel>lt bein Herrgott ben Sag,
unb bic Olacbt baju!
Sr burfte wohl fe teben, benn er trug bie 3lct einer
ganjen 3Delt auf ben Schultern.
Ss awren jwei junge Scute aus ber eleganten Sebe-
welt unb ein jebcnfalls bebeutenb älterer £err, beffen
3abre febwet ju beftimmen waren, bie bort noch eifrig
initeinanber rebeten, febwarjen Kaffee tränten unb
rauchten. 5>ie grimmigen Olugen bes 2tlten aus ber
Sagenwelt ftörten fic nicht.
33ei bem piermaligen ^inf ber bübfdjen Hbr jeboeb
warf ber ältere, 91tr. 9teginalb King, ber hagere Qlmeri-
Eaner mit bem bartlofen §>ollargeficbt, einen furjen
33lid nad> bem Zifferblatt unb fagte in recht gutem
©cutfcb: „53icr Ztbr! S^tt jum Schlafen, meine
Herren!" Sr blies ben 9?aud> feiner feinen 3>S arc ^c
pon fid> unb fd?ob bie geleerte Kaffeetaffe jurücf. „3br
habt fonberbare Sitten im alten Suropa! 33ei uns
überm Ojean liegt alles auf bem Ohr unb febnarebt
um biefe Zeit. 'Ss ift fein SBunber, bafj Slmcrita auf
ber ganjen Sinic fiegt im gropen ZBcttfampf ber Leiter.
2Bir hören bie S^äbne traben, wenn wir auffteben, unb
Sie, meine Herren pon ber anberen Seite bes SBaffers,
wenn Sic ju 23ettc geben.“
5>ie beiben jungen Sente lachten.
Otorbert p. ijalling jag eine frifebe Z*S<N-*ettc aus
bem Stui. „Ollles 3b rctroe 3 cn > King. f)abcn Sie
ficb nicht porjüglicb unterhalten biefeit Olbenb unb biefe
3tad>t? 3Bar bie 33orftellung im Sbeater nicht aus-
gejeid;net, bas Souper nid>t föftlicb unb bas Stüdcben
raufebenben ©ropftabttreibens, in bas wir Sie ein-
führten, nicht amüfant unb febenswert? Kurt Olimter
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D Oioodlc pcm 53. 101
unb id> l;aben uns für ©ie aufgeopfcrt. ©ie 53tllarb*
partie, in ber ©ie uns jum ©cblug eine ^robc 3^rcr
unübertrefflichen ??teifteifd>aft gaben, mar 3hre eigene
Anregung. 9Benn ©ie nun anfangen wollen, pl>ili-
ftrös ju werben — "
„9tein,‘‘ fagte fting, „bas fällt mir nicht ein. Alber-
ich bin mübe.“
ßurt o. huptet, ber bisher fd>weigfam gefeffcn,
legte bie £>anb auf Norbert p. Gallings Altm. „9?tr. $ing
ift 3t)nen im ©runbe feines Jjcrjens augerorbentlid)
banfbar, lieber Mailing, für bie fclbftlofe 9?tüt>e, bie ©ie
fid> gaben, if>m feit ad;t Sagen bas £cben bierjulanbe
fo fdmiadbaft wie möglich ju machen. 3tr>cifeIöot?ne
ift et 3f>nen befonbers bantbar, bafj ©ie it>n in einige
Familien eingeführt unb ihm bie 33efanntfd)aft per-
mittelt Ijaben mit einer 9?eif»e ber fcbonften jungen
©amen, bie — "
$?ing oerbeugtc ficb. „©as war in ber Sat fet)r
licbenswürbig pon 3h nen -“
„Unb fet>r felbftlos baju," rief 9*upter lad>enb. „ftd?
habe ©ie gerabeju bewunbert, fjalling. 2luf bie ©e-
fabr t)in, baß bas fifd)blütige Jjerj unferes 9ür. $ing
burd> ben Slnblict pon fo piel Siebreij unb Alnmut in
23ranb geraten tonnte, hüben ©ie fogar biejenige junge
©ame ben Alttadcn feiner 93erfüt)rungstunft unb feines
Unterbaltungstalents ausgefeijt, bie für ©ie fclber —
ich bin bod) nicht ganj mit 33linbheit gefd;lagen — bas
Siel ernfter ABünfdte ift. Stemmen ©ie ficf> por 92tr. SUng
in ad;t, Sperr *>• Galling. Unfet lieber $ing fcheint
fid) ber genannten ©ante mit einem Leiter ju wib-
ttten, bag — “
Mailing batte bcluftigt jugebört. Scbt brach er in
ein fd^allenbes ©eläd^ter aus. „©ie finb töftlid;,
Gunter!" ©r maf} bie eefige ©eftalt bes langen Almcri-
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102
©ie 3Qctk bca Slmenfaneta.
□
faners, helfen ©efidjtsjüge oon grotesfer S)äfeüd;feit
maren, mit einem fcrglofen Vlicf. 2lugcufd>einlicf>
fürchtete er biefe Konfurrenj nid;t im minbeften.
,,3d) 'fd;iefec hoct) nid>t baneben mit meiner Ver-
mutung, Galling?"
„Sie meinen fträulein Sjilbburg Kanbelljart?"
„§>a 6ie es felbft fagen, mein Vefter — nun, bie
2Belt fagt es fd>on lange. Veljmcn mir alfo als £at-
fad;e an, baß Qt>re ffreiersfüfee fid; in biefet 9?id)tung
bemegen. Vun, bie oon gbnen beoorjugte 5>ame f>at
Jjerrn King ebenfalls ausgejeidmet gefallen. 3lict>t
maf>r, Vtr. King?“
„Sie ift ein fef>r fdjönes Vtäbcljen," liefe King fief)
l>ören. „Qd; t>abe niemals in meinem Seben ein fo
fd)önes Vtäbd;en gefeiten."
,,©a l)ören Sie es, ffalling!“
„2Benn fie au<£ Verftanb tjat unb ein £erj — "
„Sie t>at alles, mas einen Vtann bejaubern fann,
Vir. King. 3<$ fage hinten, fie ift umfdjmärmt mie
feine unb mäf?lerifd> mie feine."
„3ft fie fd>on $f)re 23raut, §err v. Galling?" fragte
King gerabeju unb lüftete feine grauen klugen feft' auf
ben Slngerebetcn.
Vorberts ©cfid;t rötete fid> bei ber bireften Anfrage
ein menig. „3d> mill 3l;nen etmas fagen, Vir. King,"
antmortete er, „es gibt l>icr in ber ©cfcllfd>aft oiclc
£eutc, bie bas ©ras machen l)ören unb eine propl;e-
tifdje ©abe befifeen, bie fd)on beinahe an bas berühmte
^rncite ©efid;t ftreift. 9lud) $?err t>. Vuptcr tjicr l;at fein
S’eil baoon abbefomnten.“
„Sie ift alfo nidit 3l;re 93raut?" erfunbigte ficf? King
mit unerfd)ütterlid;er 23el;arrlid;feit.
Galling marf ficb in bie ^elfter juruef unb lad)te
noch bcrjtidKr.
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9t»»eUe »Pu 92). S3<irb.
103
„SHr. fting," jagte Stupter unb flopfte bem Stiefcn
auf bie Schulter, „es ficht toicflid? fo aus, als roollten
©ie Galling ins ©ehege brechen."
„SBarum nicht?" rief 2lorbcrt übermütig. „SUit
3U, SHr. $ing! ©ie finb fein 511 oerachtcnber freier,
wahrhaftig nicht — trat) 3t>rcr ^ahre. Söie alt mögen
©ie fein?“
„^ütifjig,“ erwiberte $ing prompt.
„Sftacht gar nichts. ©0 ein Profus aus bem ©ollar-
lanbe mit oier Millionen 93örfengeu>icht — “
„ftünf Millionen,“ berichtigte 5?ing.
,,©ut, alfo fünf Millionen — 3l;rc Slusjichten finb
glönjenb, S2tr. S^ing. 3d> fage 3h nGn , unfere jungen
©amen »elfteren 311 rechnen.“
„Silles fclbft erarbeitet oom erften ©ent an,“ fügte
S^ing f>iitju.
„Stile Slchtimg, Sftr. ^ing! ©ie finb fid>cr ein ©e-
fchäftsgenie! Qnbeffen — im ©runbe ift es toohl gänj-
lich einerlei, ob man fein S3erntögen felbft erioorben
ober ob man es ererbt hat. 23efih ift 23efiij — bie $aupt-
fache bleibt, baf$ man überhaupt über ein angenehmes
Quantum SItammon oerfügt."
©er hübfehe junge SKann lehnte fich behaglich jurücf.
©s war hoch ein erhebenbes 93ewuj}tfein, ein beneibens-
toertes £os, als Sfücfenbecfung ein S3anffonto fein eigen
311 nennen, bas über alle Sebensmiferc weghob unb
bie ©rfüllung ber roilbeften SBiinfche geftattete.
„(Erlauben ©ie," fagte S^ing nach einer deinen ^3aufe,
„bas ift nicht einerlei.“
„Söas ift nid>t einerlei?" fuhr Storbcrt 0 . Galling
aus feinen ©Traumen auf. ©r hatte ben gufammen-
l;ang ber lebten SDortc ocrlorcn,
„ftd? fase,“ meinte fting ruhig, „bag cs zweierlei»
ift, ob jemanb fein Vermögen mit harter Sltiihe felbft
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104
©ie Qitette bes 2imcrifaucra.
□
erarbeitet feat, ober ob cs if>m in ben 6d?ofe fiel
oon feinem reichen Leiter. ®s ift ein großer llnter-
fcf)ieb."
„ 28 eld;er benn?"
„2lur mer toirflid) gearbeitet t>at, tann aucf> mirtlid)
genießen. $n ber Slrbeit liegt allein bie malme 33 ered>-
tigung 311m Reichtum.“
„6ie finb eigentlich rcd;t grob, 37 tr. $ing,“ rief
§alling ladmitö.
„8iefpred;en uns alfo,“ fiel Olupter ein, „fcf>lantmeg
bas 9 led;t ab, unfer (Selb mit gutem ©emiffen 3U oer-
jel)ren? S>antit treffen 6ie fomol;l Galling als mid).
§>enn u>ir tjaben es ©ott fei 5 >ant nie nötig gehabt, uns
311 plagen unb 311 fcfmiben. llnfcre ©Item mären fo
freunblid) gemefen — “
„Well,“ unterbrach it>n S?ing. ,,gd) meine es fo.
3d) mill mit gi)nen metten, bafe 6ie triefet einen Pfennig
felbft ermorben feaben."
„3n ber £at — iefe feabe noefe nie eine 2lrbeit oer*
richtet, bie id; mir be3afelen liefe, ßd; bin über3eugt,
Mailing aud; niefet."
„6clbftoerftänblicfe nkfet !" ftimmte Galling bei, unb
cs flang ein menig feoefemütig. llnfcre 2(nficfeten gefeen
feimfnelmeit auseinanber, 2ftc. $ing. 91 ad; gferet berno-
tratifd;en 2luffaffung finb mir ©rofenen unb mertlofe
2licfetstuer, unb ber ift ber SRann nach gferem fersen,
ber fid? plagt unb fefeinbet unb ^unberttaufenbe auf
^unberttaufenbe 3ufammenfd>arrt. — #err 0. Olupter,
mir merben es bem Jperrn nie tlar machen tonnen, mie
turmbod; mir über ber arbeitenben klaffe ftefeen.“
,,©s tut mir leib, menn id> eine 23 elcibigtmg gefagt
feaben follte," erflärtc S^ing l>öflid>. „3cfe fage immer
gcrabe feeraus, mas iefe bente. 2Dir feaben in Slmcrifa
oben eine anbere Oluffaffung über bie ©*inge.“
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Qloodle t>ou 323. ijorb.
105
Jedling reichte ihm bie £anb. „0ct)on gut — laffen
0ie nur."
„Sott fei ©ant, bafe man nid)t ju fünften braud)t,“
{agte huptet-. „Siebet £err, 0ie feilten ficb auch jur
9tul) c feiert unb Sehen geniefeen.“
„Söenn id) jurüctgefahren fein werbe nad; Slmerita,“
ertlärte ®ing bagegen, „werbe id; arbeiten wie immer.
$d> arbeite jefet ju meinem Vergnügen."
„0ie finb ein fonberbarcr ^eiliger, S2lr. &ing. Slls
ob wir bas nicht aud; tonnten, wenn wir wollten !“
„Stein," erwiberte S?ing turj. „0ie werben es nid;t
tonnen. 2Iicf>t eine 2Bocf)c lang werben 0ie leben
tonnen oon fjt)rer §änbe Slrbeit."
„Söarum in aller SBelt follten wir nicht arbeiten unb
uns erhalten tönnen, S2k. $ing? 3Dir bähen beibe jwei
träftige Slrme unb finb jung baju. 2lud) einen hinläng-
lich tlaren $opf bürfte man uns nicht abfpreefeen,
alfo — “
„0ie würben oetbungetn,“ fagte S?ing im gleidj-
mütigften Sont.
5)ie tleine Xlt>r, bie auf ben 0d)ultern bes Sltlas
ruhte, pintte aufs neue, ©er t>eUe 3Korgenfd>ein
tarn burch bie ftenfter unb ftad) fonberbar ab gegen
bie elettrifcf>e Beleuchtung.
Mailing laut aufgelacht bei Swinge lefeter 93e-
mertung. „Ss wäre ja läcberlid;," meinte er, „wenn id)
mit bem ganzen 0ct)afe meiner intelleftuellen unb ge-
fellfd)aftlid)en Bilbung, ober wenn’s ba nicht reichen
follte, bod; mit ber rohen Straft meiner £änbe nid)t
fo oiel 5 ufammenfd)arren tonnte, um bie notwenbigften
Sebensbebiirfniffe ju befriebigen, alfo um ju effen
unb ju fd?lafen. Unerhört wäre bas!"
„2lm britten Sag würben 0ie oerbungert fein."
„93lr. S?ing, id) habe bie gröfete Sichtung oor 3b**m
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106
®ie 23ctte bcs 2lnicritancrs.
□
(Seift unb Shrcr Slkltteuntnis, aber l;icc bürfte Sh c
(Slaube Sie bod> trügen. <£s gibt Hmibcrttaufenbe —
Millionen, bie Sag für Sag ins Unge»iffe bineinlebcn
unb fid> nur burd) gelegentliche Slrbeit ernähren —
benten Sie an bie Lanbftreid>er, an bie unterfte Hefe
in ben Stabten. Sie alle fd;lagen fich burch ! Unb »ir
fällten es nicht tonnen?“
„Bein,“ fagte ^ing. „(Serabe Sie tonnen cs nicht.
2Beil Sie ju oornehin finb baju, tonnen Sie es nicht.
Unb ich n>ill alfo mit 3h ucn »etten — "
„kupier, bie SBette nehme ich an. SSir »ollen uns
nicht blamieren. — Blr. S^ing — ich oerpflichte mich,
eine 3Boct>e lang, t>om heutigen Sag an gerechnet, ohne
einen Pfennig (Selb in ber Safdje hi'^nsjugehen in
bas (Setriebe ba braufeen unb mir auf oolle ad;t Sage
meinen Lebensunterhalt felbft ju oerbienen. Blofe um
Ofmen ju be»eifen, bafe Sie unrecht haben mit Shrer
Behauptung. Qch »erbe alle Brüden hinter mir ab-
brechen unb teine ber Hilfsquellen, bie mir ju (Sebote
ftefeen, in Slnfprud; nehmen. Btit meinem QBort oer-
bürge id; mich für bie genauefte Busführung. (Seht's
nicht roeiter, fo melbe ich mich bei Shnen als gefchlagen.
Sic finb Beuge, Herr o. Buptcr.“
„Unb ich," faßte Blr. SUng, inbem er in bie bar-
gebotene 9*ed>te bcs jungen Btannes einfehlug, „»erbe
ein reichliches Sffen auf alle ^älle bereit halten."
„Ss möd;te Simen Ealt »erben. S<h wette um
taufenb ^funb — "
„Um taufenb ^funb, well. Sic »erben oon hier
nicht nad; Haufe gehen, »erben Eein (Selb mitnehmen,
»erben — "
Halling roar ftcuer unb flamme. Sr brüefte auf
ben S^nopf ber cleftrifcben Leitung, »orauf nach fel;r
turjer 3eit ein bienftbarer (Seift crfd;ieu.
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?tor>dle pon 33. §arb.
107
„Sie müffcn eine 33iertelftunbe für mich tätig fein,
Scan.“
3 ean perbeugte ficf>.
,,©s gilt einen tleinen S<hcr 3 , Qean, unb ich bebarf
baju eines einfachen, eines höchft einfachen Slnjuges
unb fcines ebenfo gewöhnlichen £utes. Steine SBert-
fad>en unb bas bare ©elb, bas id; bei mir führe, nimmt
ber $lub in Verwahrung. — Sie fel;en, meine Herren,
wie ernft es mir ift!"
3 ean perfchwanb unb brachte bas Verlangte. ©s
gab feinen 33efehl, ber nicht mit größter ^ünftlichteit
unb ©enauigteit ju jeber Sages- unb Ttacht^eit im
$lub ausgeführt worben märe.
Oie Verwanblung bes eleganten Norbert p. Mailing
in einen gewöhnlichen Ouljenbfterblichen ging fchnell
per fid>. SBohlgemut unb unter Scheinen entlebigte
fid; Norbert feines ©efellfchaftsanjuges unb ftieg in bie
gröbere fjülle. Oen graugrünen 5*4 ftülpte er jid;
perrpegen aufs Ohr. Vehutfam nahm Scan in feine
Obhut, was Galling ihm an S^pftbarfeiten unb ©elb in
bie £änbe gleiten lieft.
„7luf Sßieberfehen alfo in acht Sagen !" rief Galling
übermütig.
„Viel Vergnügen !“ fagte 5?urt p. Otuptcr, bem bie
Söette ungeheueren Spaft machte.
S^ing perjog fein fteinernes ©cficht 311 einem Schnwn-
jeln. „ünb wie werben Sic — “
„Über jebe SRinute befommen Sie Otechcnfchaft,
3Rr. $ing. 3<h bente, mein Verid;t wirb fur^weilig.
genug ausf allen."
„Oas glaube ich auch," perfekte &ing lafonifch unb
mit eigentümlichem Vachbrucf.
Vod; ein i)änbefd;ütteln, unb Norbert p. Galling
fdjritt hinein in ben golbigen ftrühlingsmorgen, in bas
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103
©ic 28 c tte bcö 2lmcrilaucrs.
□
oidgeftaltige, tebenbig pulfierenbe Treiben ber ©rofj-
ftabt, bas allmählich ju ermachen begann.
fting unb 9Uipter entfernten fich in entgegengesetzter
Dichtung.
„3<h fentie Galling genau,“ fagte 9tuptec noch beim
Slbfchieb. ,,©r ift jäh unb rnirb fid; burd;beißen. 0ie
merben $h rc SBctte »edieren, 9Hr. Sling."
„Well," fagte ber Slmerifaner. „©eminne ich, fo
ift es gut, »ediere id), fo ift cs auch gut. ©s geht nid;ts
über eine feine Süctte!“
S^urt o. 9tui;ter gähnte, ©r feinte fid; ehrlich nad;
feinem Vett.
5ln bemfdben £agc faßen im Salon bes Kaufes,
bas bem Vanfbirettor fömbdbart gehörte, jrnei junge
$>amen, beibe oon beftridenber Slnmut ber äußeren
©rfd)einung, fo bafj ein Preisrichter in Verlegenheit
getommen märe, meldjer oon beiben er ben Schönheits-
preis hätte juerteilen Jollen. £ilbburg S?anbdt>act mar
rötlicf>blonb, unb bie ^ris il;ret 9(ugen flimmerte in
munberbar mecbfclnbeni ftarbenfpiel, mährenb ihre
ftreunbin Sufanne, bes ßonjuls fjrebebaum £o<ht a '>
tiefbrünett mar. Sie maren feit langer Seit befreunbet,
ihrer Väter Käufer ftanbcu nicht meit »onfinanber.
Sufanne grebebaum h fl tt c Spänen in ben Slugeu,
unb Sjilbburg gab fid; Vlühe, fic ju trodnen.
„©ränen machen häßlich,“ fagte fie, bie Jreunbin
umarmenb unb fid) mit ihr aufs Sofa nieberlaffenb.
„9Bas bu mir ba erzählt haft, finb ja nur Vefiirchtungen,
unb oielleicht fiehft bu oicl 311 fd;marj. 9Kan muß nicht
eher trauern, als bis fo ein llngliicf hereinbrid)t. Über-
haupt — man muß bas Sebcu ftets oon ber leichteften
Seite nehmen."
Sie hüpfte 311m Vaucr ihres bunten Papageies unb
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Sloodle oon 33. Jparb.
109
□
ftedte itnn ein 6tüd Sudet in ben fcfarfen 6d;nabel.
§>et Vogel treifd;te unb fpceijte bie ftlügcl. ©r ftiefe
einen Reiferen £on beroor, ber offenbar feinen ©an!
bebeuten follte.
Sufanne trodnete fid> bie tränen. „STlir afnt
5ürd>terlid;es, hübe. ^apa ift fo anbers toie fonft.
<£r l;at fd;redlid)e Verlufte gehabt — es gefeit fefon
©erüefte um, baß es mit uns aus ift. ©ott, wenn toir
alles oerüeren feilten — “
,,3d) glaub's nid;t, Sufanne. ©s wirb übertrieben
fein. Slls icf meinen ^Papa über cucf befragte, wufjte
er nichts baoott. Unb toenn fefon — ba vnufjt bu tlug
fein unb bidj> oorfer fid;ern, efe bet $rad; tommt unb
cs 51t fpät ift. §>as erforbert boef ber eitifacffte £rieb
ber ©elbfterfaltung.“
„Söie meinft bu bas?“
„Slcf — tu bod> nicht fo. 5 >er junge 9 Uu;ter mad;t
bir bod> auffallenb ben §of ! Slf — jef t toirb fie rot ! —
föittbd;en, mit etwas ©cflaufeit wäre eure Sacfe bod;
fd?on längft im reinen! Stupter ift eine Partie, naef
ber oiele ausfefauen. Sllfo gib beinern fefäntigen ©e-
tue einen Stoß unb lod ihn in beinc Sitme ! fnibfd)
genug bift bu wafrfaftig, um bas fertig 311 betont-
men — - mein ©ott, es ift bod; wahrhaftig meft fefwer,
einen SHamt 311 feffeln unb 31t halten, wenn man
nur will!“
$>as feföne ©efeföpf redtc bie Sinne unb 3eigte
lad;enb bie Serienreife ber weißen Scifme.
„§>u bift leichtfertig, 5 >tlbe.“
„Stenitc mid> lieber praftifcf unb frei oon jeber Senti-
mentalität, Siebftc. ©ariit follteft bu oon mir lernen,
benn bu bift oiel 311 fcftoetfällig unb ooller Vorurteile.
§>as pafct nid;t in unfere Seit, unb man tomint nicht
weit bamit. Sllfo weg bie tränen unb ein fröhliches
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110
©ic SBctte bca Slmccifauccs.
a
©cfid;t gcmad;t ! $>u u?eißt ja nict>t, u>ie hübfd). bu bift,
wenn bu ©rübchen t>aft unb lachft!“
gn fcf>nellet ftolge ßafpelte bie 6tui}uhr zwölf
6d>läge ab, unb im fclben Nugenblid faft fuhr braunen
per bem $aufe ein Nuto per.
33 antbircttor 5 ?anbdi;art fam fofprt aus bem Neben-
zimmer herein unb begrüßte bie Ntäbchen. Gufannes
§anb 30g er leid;t an bie Sippen, unb feiner £od)ter
tätfd>eltc er bas mit ©bclfteinen gefchmüdte i)anbgelent.
„N 3 ir betommen 2?efud>, ^inber. Nlr. S?ing hatte ge-
beten, feine Aufwartung machen 311 bürfen."
„Nh — bet lange Nmeritaner! §err p. Mailing
ftellte it>n uns por."
* „©in fd>a?erreid}ct Nlenfd) aus Neu? ?)prt ! Ntif Pier
bis fünf NJillionen wirb er gefd;ä^t — nid;t Nlatf,
Kinber, fonbern ©ollar — Dollar !"
©ine Ntinute fpäter ftanb S^ing im 6alon unb per-
beugte fich artig. Nlan fe^te fiel? im Greife, unb bas
©efpräd? begann mit ben üblichen grafen.
„6ie finb fd;on längerer in ©>eutfd)lanb, Ntr.^ing?“
,,©rft feit ad;t ©agen.“
„llnb u?ie gefällt es ghnen?"
,,©s gefällt mir fet>r gut. ©>ie Nlenfdjen finb alle
fet?t üebenstpürbig."
„Ilnb u?ie lange gebeuten 0ie 311 bleiben?"
,,©s tann noch 3U?ei 2Bod;en bauern, bis meine Sc-
häfte abgewidelt finb. Nber id) tarn and) nod) aus
einem anberen ©runbe hierher.“
„Nus welchem ©runbe, Nlr. $ing?" fragte Jjilb-
burg, bie ben langen £errn halb fpottifd), halb interef-
fiert betrachtet hatte.
S^ing tpanbte ihr fein fchatf gemeißeltes Nntlitj 311.
„geh tarn hierher, um <2ie tennen 311 lernen, Nlifj
Ranbelhart."
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n
91pdcUc poii 38. §arb.
111
„9Hid;?" gab fic crftaunt surüd.
5>ann brachen alle in ein lautes ©eläd;tcr aus.
„0ie tnad;en fonberbare 28i^e, 5>erc $ing," Jagte
§ilbe $anbell;art mit l;od;ntütig erhobenem Stopfe.
„ftn bet £at, 9?tr. S^ing," fügte bet 33anfbireftor f>in-
ju, „0ie fprcd)en jum minbefteu in 9ttitfeln. Sollen
0ie fidj> nid;t nät)cr erflären?“
5?ing lächelte. „Qd) fprcctie nid;t in 9tätjeln, i)err
23anfbireftor, unb id; ntad;e feine jcf>led)ten 0pä^e,
meine fd)öne junge £abp. SBenn id) ftfmcn ausein-
anbergefetjt f)aben »erbe, u?ie id; es meine, »erben
0ie felbet jet)en, bafj bie 0ad;e fel)t einfad; ift."
^ilbbutg fctmttelte ben 5?opf. „0te »ollen mid;
glauben mad;en, bafj 0ie bie »eite Steife um meinct-
»illen gemacht l;aben, 97tr. &iitg? 0ie famtten mid’
ja gat nid;t, benn bis oor furjem »ufeten wir fid?er
nichts oon unferer gegenfeitigen ©jeiftenj !"
„ftd; 1 )abe nid)t gejagt, 97ttf$ $anbelf)art, bafj id)
allein um 3tuet»Ulen l)ierf)er (am, id; (am aud) in ©e-
fd)äften. 2lbet fonft ift es fd)on richtig — id; »ollte
0ie auffud;en unb 0ie fennen lernen.“
„0ie »ollten mid) fennen lernen?" fragte bas junge
2ttäbd)en lad;enb. gijre 2lugen blinften bet 3=reunbin
ju, als »ollten fie if>r jagen: ben l;at ber 0pleen abet
tüd)tig gepadt!
$ing richtete fid; t)öt)er auf. „gd) fürd)te, bafj id)
mid; nid;t ganj genau ausgebrüdt l)abe,“ oetbefferte
er fid;, feine 9IUene DerjiefKnb. „ftd; feinte 0ie näm-
lid) cigentlid; fd;on lange — fd;on über ein lialbes
3at>r.“
„§>as ift nid)t gut möglid), 9flr. $?ing.“
„$>od;, mein fd)öncs Fräulein. 3d? fenne 0ie nad;
einer ^otograplne, bie fcf)t gut getroffen ift. $>as,
»es id; in Sttatur oor mir febe, ift freilid; »eit fd;öncr
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112
$>ie 33ettc bcc- Slincritancri
□
als bie Photographie, unb ich bin febr entjiidt, büß ich
Sic fcnncn lerne, wie «Sie finb, 5?Ug Si'anbclbart."
©er jungen ©ante ftieg bie 9löte in ben Kopf. Sic
tourte nicht met)r, wa$ fie behfett feilte.
„©iefc Photographie," ful>i* S?ing im gleichen ruhigen
©otte fort, „bat eine junge amcrifanifd)e ©ame, bie
im lebten 3<H>cc in Sttjza unb in ©enf in Penfioit
mar, nad> 5lmerifa gebraut. ©ie ©ante heißt 2lnnie
2l>ompfon, unb fäanbclbart u>irb fief) fcboit er-
innern — "
„511)!“ machte fjraulein ^anbell;art, unb es ging ihr
ein großes Sicht auf. „5lnnie ^ornpfon mar freilich
mit mir in ©enf, unb mir mären fet)r gute fjrcunbinnen.
Sie t>at mein 3Mlb mit ficb genommen, unb hei ihr haben
(Sie es alfo gefchcn?“
„ Yes,“ ermiberte ^ing.
„Unb nun hat 2lnnie 3l)nen, beoor Sie abreiften,
an mid) ©rüfte aufgetragen unb glnien meine 5lbreffe
gegeben — nicht mäht?"
„©enau fo, meine fd)öne Sab». 5Kit SJtif} £hompfon
bin id) fet>r gut betannt, niüffen Sie miffen. llnb fic
t>at mir gefagt, baf$ ihre ftreunbin eine fcbr intereffante
©ante ift, unb bafc id) auf jeben ftall nicht oerfäumen
barf, ju if)t ju gehen unb fie lernten zu lernen."
„9Um finb mir orientiert," fagte 23antbireltor
^anbelf>a’t oergnügt.
,,Ot), Sie miiffen mir oon meiner ^reunbin er-
zählen, $)err S?ing, tt>ie fie bort brühen lebt, unb ma?
fie tut !"
„Sehr gern, llnb menn ich tjeimtonune, merbe icf>
bort erzählen, ma& id) hier gefeiten unb erfahren habe.
3ch bin fcbr froh, baß id) eine fo angenehme 5lufnahme
in biefent §aufe gefunben l)abc.“
„Sie finb un& ftete- milltommcn, 97lr. $ing. $d;
- • ii
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D Popelte »Ott 23. §arb. 113
bente, u>ic werben auch bas Vergnügen haben, Sie
nächftens einen Slbenb bei uns ju fehen.“
King perneigte fief?- ,,©as Vergnügen ift auf meinet
Seite, 9flr. Kanbelhart. 2lber i<i> würbe eine ebenfo
grofje g=teube haben, wenn id> bie jungen ©amen ein-
laben bürfte, mit mir bie Opet ju befudxen obet bas
Schaufpiel. 3ct> habe eine Soge — "
3Kan tt>at ein wenig perwunbert übet bie Schnellig-
teit, mit bet 92k. 91eginalb King bie eben erft angetnüpfte
33eBanntfcf>aft in Schwung beachte, aber man fagte ju.
92k. King machte ja feine Sinlabung in gat ju nettet
unb harmlofer 28eife.
„9llfo," fagte King unb ftanb auf. „Qd? f>ole bie
©amen mit bem 2luto ab."
„3öirb £err p. Mailing auch babei fein?"
Kings Sippen perjogen fiel) ju einem feltfamen
Sädxeln. „£errn p. Mailing tperben Sie in ben nächften
acht Sagen tpofjl !aum fehen — bas tjeifjt, es ift möglich,
bafo et bocf> früher wieber jum 93orfchein fommt."
„3ft S)err p. Mailing perreift?“ ertunbigte fi<h §ilb-
burg.
„33erreift nun eigentlich nicht, nur ein bifedjen per-
fd)tpunben. 9XUr haben nämlich eine 5Dette gemacht — "
„Sine SBette?“
„3Dir haben gewettet um taufenb ^Pfunb, bafc
92k. Mailing nicht pon feiner £änbe Slrbeit fich acht
Sage ernähren tann. 92k. fjalling behauptet bas aber,
unb ba ift er hingegangen unb hat fid> einen fchlectxten
9k>d angejogen unb — "
„Um acht Sage lang ben Slcbeiter ju fpielen?" rief
ber 93antbireftor erftaunt aus. „5Md;e Qbee!"
Sjilbbutg runjelte bie Stirn. „3d> finbe bas fehr
abgefchmadt unb eines Kapaliers unrpürbig," fagte
fie. „©ent bir bpcf>, Sufanne, um einer bummen
isu. xx. 8
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114 $>tc SBette bcs Stmcritancrs. □
SBctte willen tnifd?t er fid> unter bas gemeine 93ol! —
pfui !"
„®s ift eine ernfte SBette!“ betonte S?ing.
„Einerlei — id) finbe es gemeint"
if>n hoch, $ilbe 1 " ©et ©antbireftor legte be-
fchwichtigenb feiner ©achter bie S)anb auf ben 2 lrm.
&ing empfahl fid>. 9ftit einer getoiffen umftänb-
lichen ©ranbe^ja beftieg er fein ©efäbrt, bas auf Um
gewartet tjatte, unb rollte baoon.
Stach feinem Weggänge fafjen bie bret noch lange
im lebhaften ©eplauber beieinanber. §ilbe Kanbel-
bart tonnte fid> über ben ©infall Gallings, jum arbeiten-
ben 93olt becabjufteigen, gar nicht beruhigen.
„®r foll lange um gut Söetter bitten. 3 <b werbe
ibn gehörig päppeln laffen.“
„£ilbe — ich bäcbte, ihr jwei maltet jettf einmal
©rnft!" fagte ber 93ater.
Sie fehnippte mit ben Ringern.
„©s ift eine Stot mit bem SJtäbell Sie verfcherjt fich
bie beften Partien, fcbliefjlicb oerbirbt fie es mit allen.
Mailing ift ein äufcerft gut geftellter junget Sftann oon
ben angenehmften Snanieren unb anfprechenbftem
Siufteren — was willft bu mehr?"
„geh fmi>' noch 8 ^it," bebarrte fie eigenfinnig,
©ann tarn bie Stebe wieber auf $ing, unb fchon
beim Slusfprecben bes Stamens fcbmunjelten fie alle.
Unwilltürlid) trat ihnen bie lange, fnocfnge ©eftalt mit
bem troctenen ©efcbäftsgefid>t oot bie Seele, unb fie
glaubten noch fein fcfüeppenbes ©eutfd> 5 U hören, ob-
wohl es jiemlich torrett war.
„©in 511 brolligcr SHenfchl"
„Slber eine ehrliche §aut. SBie alt mag er fein?"
92?an berechnete fein Slltec auf fünfunboierjig bis
fünfzig.
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9tot>dle pon 933. flarb.
115
,,©r t>at fid> fid>ccli4> in bein 93ilb oergudt, §ilbe 1"
nedte ©ufanne, bk jeftt ruhiger geworben war.
$ilbburg errötete. „Mas bu ba rebeft! ©r benft
nid>t an bas, woran bu natürlich fofort benfft ! ©r hat
feinen ©ruft beftellt unb bamit fertig. Stur feine un-
beholfene Slusbrudsweife oerleitet eud> ju bem Irr-
tum, als ob er — "
„Sta, na,“ machte bet Vantbirettor. „Menn et
wirtlich mit ernften Slbfichten herausrüdt, befinnft bu
bid> wohl breimal, $ilbe. ©o gar alt ift er nicht, unb
manche gliicfliche ©he »ft mit einem folgen Unterfchieb
in ben fahren gefchloffen worben. Vier bis fünf Mil-
lionen hat et — nicht Mart, fonbern ©ollar — Dol-
lar !“
,,©r ftarrte bicf> an, als ob bu bie Mabonna wäreft
in bet ©>resbener ©alerie ober bie Mona £ifa im
fiouore l ,Mein fchönes Fräulein — meine fchöne £abp,
ich t>in fehr entjüctt, baft ich ©ie fennen lerne ! ©ie finb
ja noch taufenbmal fchöner als auf bet ‘Photographie 1‘
SBenn bas teine Siebeserflärung ift, #ilbe!“
^ilbburg hielt ber ©pötterin ben Munb ju.
§>ie unoerblümten ^ulbigungen hatten offenbar
hoch einigen ©inbruef auf bas eitle Mäbchen gemacht.
Sllletbings blieb ben anberen oerborgen, was für ©e-
banfen hinter ber weiften ©tim, über bie bie eigen-
finnigen golbfarbenen £ödd)en fo entjüdenb totett
nieberfielen, fid> bewegten.
©ie bachte an Qtorbert. 5>ec war hübfeher, flotter
unb oornebmer. Vielleicht nahm fie ben hoch, wenn
er eines £ages fie oor bie entfeheibenbe ftrage ftellen
follte. freilich — ber Slmeritaner hatte bafür bie
©chäfte ©oltonbas in ber £afche.
Menn ber nun mit feinen ©chäften tarn, um fie ihr
in ben ©d;oft ju legen — was bann? Sin feiner ^äftlich-
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$>ic 23ette bcs 3lmerifanets.
n
feit ftiefo fie fid? nid?t, aud? nid?t an feinem oorgerüdten
Sllter. ©igentlicf? n>ac er garniert einmal fo ^>äfelicf>. 5Ber
if>n länget* anfat?, mufete jugeben, bafj biefe Büge etwas
Vebeutenbes, Snergifches Ratten, gepaart mit einer
ftarfen ©utmütigfeit unb 93ieberfeit. 2Ber oon ihm
geliebt würbe, fonnte if>n gewifj um ben lleinen ginget
wideln. 3Hit ihrem fcharfen Verftanbe feierte fie feine
<Sigent?eit, förpertief? unb geiftig.
Es roarb U?r fiebenb t>ei^. S?am nun fd?on balb bie
Stunbe, bie für ihr Sieben entfd?eiben follte?
„Slbieu, fjilbel" rief Sufanne ftrebebaum oom
ftenfter l;er.
„ 33 er 3 eit> !" Sie gab it>c einen ^erälicfjen $ufj.
„SBer fo oiel ju benfen f>at wie bu, §ilbe!"
„9Um bift bu bod? wieber oergnügt, Sufanne!
93raoot 28er wirb fid? benn unterfriegen laffent"
Sofort nahmen bie lieblichen Büge bcs Stäbchens
wieber ben fdjwermütigen Stusbrud an. Sie lächelte
ber ^reunbin fd?merjlich 51 t unb ging.
©er Vanfbireftor trat auf feine ©od?ter ju. „Es
ift leiber wahr, Slinb, was bie Seute über $onful ftrebe-
baum reben. 3 d? f>abe mid? erfunbigt."
f?ilbburg fuf?t sufammen. „Steht es fchlimm?“
„Seht fdjlimm. Bet? wollte bas Sl?ema nicf?t be-
rühren, folange Sufanne im 3«nimcr war. get?
fürchte — "
„©och nicht ^onfurs?“
©er Vantbireftor nidte fchwer. „Vielleicht — man
fann ja nid?t wiffen — “
,,©ie arme Sufanne! Natürlich müffen wir ba
helfen, V<*pa.“
„©ewifc. 2 lber bu begreifft, bie gefellfd?aftlid;e
Stellung ber gamilic — "
„Schredlicf? I"
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1 1 l l
Jtopelle t>on 23. §aib.
117
„Sooiel id) toeifj, f)at Me grau Ronfnl eigenes 23er-
mögen, bas fid)crgeftetlt ift. ©ie ©laubiger fönnen
ba nid)t l)eran — “
„Sict)ft bu tool>l, ^3apa — es ift altes im £eben bod;
nur f)alb fo fcfüimm. Sufamte braucht fid> atfo gar
nicf>t fo übermäßig 311 ängftigen, unb id; toerbe it>r bas
fagen. SBenn fie nur oortjer — "
„ 2 Bas?“
,,©a ift bod; bet Heine huptet, bet* es auf fie ab-
gefetjen f>at. ©en mug fie fid; oorf>et fiebern. 2 lbet
fie ift fo ungetoanbt, fo — “
„Ofmc bajj er eine Sltmung tjat oon bem, toas beoot-
ftel)t? Kann man mit fold) einem 93erftedfpiel fein
©lücf finben?"
„3Bie bu bas auslegft, ^apa ! Sie befinbet fief) bod;
in einer Sage — id) nenne bas Qtottoeljr. Soll fie benn
rutjig 3 ufet)en, mie itjr ber freier enttoifd>t?"
„£itbe — bu bift ein Huges 9ftäbd>en, aber es fet)lt
bir bafiir anberes. ©ir fet>lt ber feine $)er 3 enstaft, bas
©efüf)l für 33erantioortlid?feit unb mafellofe ®f)ten-
l;aftigteit. ©u fiet)ft nur praftifdje Siele unb bift fftupel-
los in ber 28at)l ber Mittel, fie 3 U erreid;en!“
,,9ld), ^apa — toie oft f>aft bu mir fd>on fo eine 9tebe
gehalten! $d) bin fo, toie icf) bin, unb in ben ibealen
SBclten, in benen man red)ts unb lin!s auf ^inberniffe
ftöftt, bie bod) meiftens nur bie Sinbilbung aufgebaut
f>at, finbe id) mid) nid)t 5 ured)t. Sag bocf> felbft, toas
babei t)erausfommt, toenn man immer oer 3 icf>tet, immer
großmütig unb bcbenflicf? ift? 3Itan ift nur bet ©umme t"
Kanbetyart fd)üttelte ben Kopf. „£et 5 unb ©e-
roiffen finb geu>id)tige ftaftoren — "
„3Bas toirb benn grofe banad) fomnten, toenn Su-
fanne ficf> ben jungen SRupter red;t 3 eitig eingefangen
f>at? Sie fei fd)lau genug getoefen, fid) t>eraus 3 U 3 iet>en,
j
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$>ie aScttc bes Slmetitaners.
□
wirb es l>öd>ftcn& hcifeen. llnb fic behält bod; auch
etwas, jie ift bod> nic^t ganj ohne SHitgift. SBenn fic
ihm aud; nicht jo oiel mitbeingt, wie ec gehofft t>at,
na — er j>at bod> jelber genug, unb baju betommt er
ihre ganje Heine füfee "ißerfon!"
5>er 23an!birettor gab es auf, feine Mochtet au be-
lehren. ©r wufete aus Erfahrung, bafe ber Gchlufe bec
Hnterrebung genau wieber in ben Slnfang einmünbete.
©r liefe jie allein unb ging in fein 8»nuner jurüd.
#ilbbucg aber ftellte jid> oor ben Gpiegel unb orbnete
ij>r §aar. 97lit bem 93ilbe, bas ber Gpiegel ihr aurüd-
gab, burfte jie wahrlich aufrieben fein. Gie läd;elte,
unb wiegte ficf> in ben lüften.
Gchönheit unb (Selb ! §atte jie nicht alles, was bas
£eben reich unb wert macht? SBaren bas nicht bie
jicherften 23ürgjchaften für bas ©lüd? konnte man
bamit nicht alles hoben?
©ejehmüdt wie eine jjec erwartete jie am Slbenb
bas Sluto, in bem ber amerrtanifche Profus jie aum
S^oter führen wollte.
SKit einem gana eigentümlid;en ©efühl h^tte Stoc-
hert v. Mailing am frühen SHorgen bie Gtrafee betreten.
©>ie ©röfee unb Gchwierigleit bejfen, was er fich a u
unternehmen unterfing, tarn ihm nod; nicht recht Hat
aum ©ewufetjein, benn au tuhiger Überlegung war
noch teine Seit gewejen. S3om ©hrgeia angeftachelt,
jich als ganaen STtann gegenüber ber amecitanifchen
Slrbeitsmafdnne, bem bidtöpfigen ©ollarmann, au er-
weijen, hotte er jich in ein Slbenteuer hincingeftürat,
bejfen folgen in ben furaen SHinuten bes ©ntfchlujjes
nicht au überfehen gewejen waren.
©r fdjlenberte nachbentlich über bie breiten Gtrafeen
unb ^Pläfec, bie noch wenig oon SHenjchcn belebt waren,
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□ Appelle pon 223. §art>.
unb tarn fo aümät>Ud> immer mehr aus ben eleganten
©tabtteilen heraus, in benen er ju leben gemeint mar.
(Sin bunfles ©efühl fagte ihm, bah er al& ein Arbeit-
fud?enber borthin gehöre, mo bie ©tragen enget unb
finfterer mürben, roo t>inter langen, oben dauern bie
Jammer Hopften unb bie ©ampfpfeifen [grillten, mo
bie 5?ol)lenberge fich Rauften, unb mo eine Alenfchhdt
Raufte, bie im 6 cf)meifje bes Angefid>tß ihr 93rot ah-
Norbert fetjte fich, bie £änbe in ben Safcljen, auf
eine 93ant, bie in einer bürftigen Anlage unter einem
tümmer liefen Saum ftanb, unb b achte nach. „§>ah
icf) arbeiten fann, ift teine Srage,“ fagte et 511 fid? felbft;
„meine phpfifdjen Kräfte l?at ber Ameritaner auch mof>l
gar nid;t angejmeifelt. Schmieriger aber ift e&, At-
beit auch ju finben.“
Shm hämmerte bie Ahnung, bah es fojiale Probleme
gab, bie für bie arbeitenben Schichten bcs Soltes oon
einfchneibenbfter Sebeutung maren, unb mit benen er
fid) bieder fo gut mie gar nid?t befd>äftigt I>atte. (St
hatte mol>l f)ie unb ba einen Artitel gelefen über An-
gebot unb Sachfrage, über fiohnoerhältniffe, über Ar-
beitgeber unb Arbeitnehmer, aber mas et la&, hatte U;n
nicht fonberlich intereffiert unb ihn meiter nicht auf-
geregt. Qe^t traten biefe oolfsmirtfchaftlichen fragen
an ihn heran ab £eib- unb Alagenftagen, unb er er-
tannte bie Unerbittüchteit bes unterften S^atbinalfaheß
aller ötonomifchen Serhältniffe: menn bu nicht arbeiteft,
mirft bu nichts ju effen haben, unb menn bu nicht effen
fannft, muht bu oerhungern.
Sorerft machte ihn bas aber nicht bange. Atit
$umor fich in bie ungemohnte Solle hineinfinbenb, bie
er nun acht Sage — acht lange Sage l — fpielen follte,
lehrte et oergnügt feine Safdjen um, um feftjuftellen,
bah toicMich fein ^Pfennig barin mar. Sicht ein einziger
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120
§>ie 28 ette bcs Slmettfanera.
D
elenber Pfennig! §>ie mit 25anfnoten pollgeftopfte
93ricftafct>c, bas mit ®elb gefüllte Portemonnaie hatte
ber Klubfellner in Obhut. ec mu^te alfo ©elb pec-
bienen.
SBie macht man bas?
Stun, man bot feine Slrbeitsfraft an, plagte fid> reb-
lich ein paat ©tunben für anbcce Seute unb empfing
bafür tlingenbes Entgelt — eine SItarf ober jtpei, tpaht-
fcf>einüd? eine 93agatelle, eine Säd;erlid>teit. Oafüt
afc man fid? in irgenb einem Steftaurant nach Sliöglich-
feit fatt unb fcfüief irgenbtoo in einem mehr ober minber
barten 93ett. Slm näcbften borgen begann ber Kreis-
lauf biefes eigentümlichen Gebens, bas nur barauf ju-
gefebnitten toar, ben fnurrenben Silagen ju befriebigen
unb in ber Stacht ein plätten ju haben, toobin man
bas mübe §aupt legen fonnte, pon neuem.
Söarum follte ec bas nicht fertig befommen — nur
acht Tage lang?
£s fchüttelte ihn, tpenn er baran bachte, bafj Mil-
lionen jahraus, jahrein fo leben mußten in ber Tret-
mühle bes täglichen ettperbs. Stein, ba u>at es boch
ein töftlkbec Troft, bafe er nad> übecftanbenec faurec
Seit tpiebecin fein glärtjenbcs £eben jutüdfehren burfte.
er fpielte ja nur Komöbie — ©oit fei Oanf!
Vorläufig toar er fatt. ©ein Silagen rid;tete noch
feine bicefte fategorifcfjc Stufforberung an ihn, für
toeitere Sufuhr 311 forgen. Stber bas toürbe ni<ht lange
bauern. ©arum mufete ec fchon je^t Arbeit fu<hen.
„geh toerbe fchon finben, toas ich braud;e,“ bachte
er 5UPerfi<htlich.
Stuf ben ©tragen roar es lebenbig getporben. Sir-
beiter unb Slrbeiterinnen, Kontoriftcn unb Sabcnfcäu-
lein, 93eamte unb Slngeftellte aller Strt eilten auf ihre
Soften,
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□
STopelle pon 23. §art>.
121
„Sille biefe 9flenfd)en," ful;c ec in [einen 93etcac()-
tungen fort, „l)aben Arbeit unb 33ecbienft. ftüc mid)
mich f< 4 >on nud) icgenbtoo ein ^lä^en [ein.“
©a ftanb ein 6 d)u^mann, unb Norbert menbete ficf?
!?öflict> an ifm mit bec ffcage, roo Slcbeitslofe Slcbeit be-
tommen tonnten, ©ec 6 cf)u^mann mafc if>n oon $opf
bis ju ^ufj unb befct?cieb if>m ausführlich 6 tcaf$e unb
3öeg.
Slocbect tarn in einen Stabtteil, ben ec nod) nie be-
tceten Ijatte. Slls ec oor bem bejeic^neten §aufe an-
langte, ftanb ba ein Raufen oon SKenfd;en, ju einem
Knäuel geballt, unb bie oocbecften unb ecften, bie fo
glüdlich gemefen macen, einen beoocjugten ^laij 511
erhaben, pceftten fich in einen fdjmalen ©ang, beffen
©nbe auf eine perfcfjloffene Süc jufüljrte. 6 ie macteten
gebulbig, bis fid> biefe £üc bffnen toücbe.
,,©as ift gecabefo «>ie beim £heatec," bact)te Gal-
ling, „toennSacufo fingt obec icgenb eine anbece ©cöfce 1 “
«Sollte ec fid) anfügen an biefen Raufen?
93eim Stähectceten ftiegen becactig beleibigenbe ©c-
rüche in feine pccmöhnte Stafe, bafj ec fdwubecnb ab-
feits tcat.
„SBann coecben bie lebten bacantommen?" ectun-
bigte ec fid; bei feinem 9lad;bacn, beffen 9to<! am Kernel
jecciffen mar, unb beffen 6 d)uhmerf fid; in einem l>öcf>ft
fragmürbigen Suftanbe befanb.
„Hm jcoölf obec eins," roac bie Slntmoct.
©a menbete Slocbcrt fiel) ab unb ging meitec. ©as
hielt ec einfad) nicht aus, jmifc^en biefec SJlenge ein-
geteilt bis juc 921ittagsäeit 311 ftefjen. ©c mufjte es auf
anbece SBeife pcrfuchcn.
©iefe alle, bie fid) ba beängten mie eine fiämmer-
Ijecbe, Ratten ja nichts 311 bieten als bie rohe Straft ihrec
Raufte — cs toacen mol)l bie ©lenbeftcn unb Sicmften
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122
$>ie 2Bctte bes 2lmeritaners.
□
untec ben ©tellenlofen. Slocbect p. Galling ^>atte me{?c
ju bieten. Sc be{?ecc{d?te bie fcan^öfifc^e «Sprache unb
wac ein bucct? Seftüce {d?öngei{tigec unb tuiffenfdjaft-
licfjec Sßectc bucd? unb buc<$ gebilbetec SHann. Qebec
Slcbeitgebec mufcte fi^> glücflicf? fcfjä^en, eine foldje
Straft bei fid> einjuftellen, unb tpücbe nad? Slblauf bec
ad;t Sage nur mit $>b4>{tem 93ebouecn i{?n wiebec jietjen
laffen.
©eiftige, {einen ftäfngfeiten angepafjte Slcbeit muf}te
ec finden.
Ss u>ac a4>t Ityc mpcgens, als ec ein pocnefnnes
©e{4>äft betcat.
„3d? tpünfclje ben £eccn Sfjef ju fpced?en."
,,©ec Sl?ef ift nod? nid?t ba. SBas tPün{d?en 6ie?"
„34? — >4> fud)e Slcbeit. 34? pecftefje — u
„93ebauce {e|>c. 93ei uns ift jebec ^latj befetjt.“
Sc roucbe fofoct tuiebec l?inaus!omplimentiect.
Sc oecfu4>te {ein $eil bei einem jmeiten, bcitten,
piecten ©e{d?äft, ec toac in Kontoren unb Slmtsftuben,
in 93u4>Iäben, ^pnfettionsge{ct)äften, 93anfen, SHate-
cialienfmnblungen unb allen möglichen anbecen 93e-
tcieben — übecall bie gleiche 2lntu?oct, balb {?öflid?,
balb gcob.
„£aben 6ie Seugniffe?" fcagte man itm aud? ein-
mal.
Stocbect mufcte pecneinen. Sc l;atte nid?ts als ben
ceblid?en SBillen, {id? a4?t Sage lang buccf? gctoi{{en|>afte
Slcbeit unb ^füdptecfüllung {elbft ju ecfjalten.
SHan judte bie 2lct?{eln unb fd?üttelte ben S^opf.
Ss u>ac SJMttag. Sille ©änge tpaccn pecgeblid? ge-
tpcfen. Slud? nid?t einen 6d?immec ppu Hoffnung £atte
man i{?m gclaffen, baf} ec icgenbipo bcaud?bac unb tpiU-
tomrncn a>av.
©ein Sftagen fnuccte. Slie in {einem Sehen f?atte
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□ Sloodle »on 28. §arb. 123
er ein foldjes ©efühl gehabt, ©r wußte nur, wie es
tut, wenn man allju ausgiebig fatt ift unb bes ©uten
rci< 4 >Ucf> niel getan hat, aber nicht, wie ber Sflenfch fict>
fühlt bei leerem ©tagen.
©t biß bie gähne jufammen unb fchnallte ben ©urt
• fefter. 60 leicht »erhungerte man ja noch nicht.
©>et gufall führte ihn wieber nach bet 93anf, auf
ber er am frühen borgen gefeffen hatte. ©>ie SHenge
flutete an ihm oorüber, fchwaßenb unb lachenb, ab-
gehärmt unb »erbiffen, unter Saften feuchenb, »on Sln-
ftrengung ermattet Slnbere wiebet forglos unb tän-
jelnb, mit jufriebenen ©liefen, ^ein ©tenfeh fümmette
fich um il)n.
©>a würbe ihm eines gewiß: er hatte heute bas Seben
fennen gelernt, wie es in Wahrheit ift — hart, erbar-
mungslos. 0 a, wenn man ©elb hat, wenn man ge-
wohnheitsmäßig bie Stiefel- unb @ilberftüefe als £rinf-
gelber um fich herftceuen fann in bie ausgeftreeften S)änbe
— ba beugen fich alle Stüefen, ba lächeln alle ©tienen,
ba ift alles glatt unb eben unb fchön t ©ber wer feines
hat, ber wirb geftoßen unb getreten, muß fich bemütigen
unb barf hoch nicht mueffen l SBas hatte er heute morgen
fchon ertragen an fchroffer 23ei;anblung unb unfreunb-
lichen SBorten t ©r hatte es auf fich genommen um ber
SBette willen, bie er gewinnen wollte, unb er war ent-
fchloffen, ben S?elct> noch weiter ju leeren, ©r war ja
nicht in SBirflichfeit fo ein armer ftellenlofer Teufel,
ber oon Jjaus ju S)aus lief, um ©rbeit ju erbetteln,
fonbern blieb ber reiche Storbert Mailing, ber, wenn er
wollte, hingehen burfte in bas palaisartige Klubhaus,
wo jeßt bie anberen ©ourmets faßen unb fich gütlich
taten.
SBie furchtbar war hoch bas ©efpenft ber ©rbeits-
lofigfeit, wie fchtecflid; bas <Sd;icffal aller berer, bie
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©ie 23ctte bes Stmcrifaners.
□
gern ihre $cäfte eittfeßen tpollten um einen ^ungec-
lohn, unb bie boef? nichts fanben unb mit gefenften
Häuptern porüberfchlichcn an ben ©tödlicheren, bie firf>
fättigen burften.
(Sr bejtpang feinen junger. ©ich aufraffenb eilte
ec nad) bem Hafen, ipo man fo piele Hänbe brauchte.
©a lag ein ©d>iff, bae Sohlen einnahm. Xibec eine
fdjmale plante, einen fdnoanten Steg, bec bas ©4>iff
mit bem Ilfec perbanb, fchritt gebüdt bie ©d>ar bec
S^ohleufchleppec mit ben fdjmußigen ©äden auf bec
©chulter.
6c tcat an einen bec Sluffehec heran unb bat, man
möge ihn einftellen.
©ec 9ttann fah ben 2lntömmling an unb fd)üttelte
ben $opf. ,,©ie finb nicht teäftig genug, Seute u>ie
©ie tonnen toir nid>t gebrauchen.“
„Q3ecfu4>cn ©ie's. 0ch bin teäftigee ab ©ie glau-
ben.“
Stochert tjatte unrtlich einen gut tcainiecten, bued;
planmäßige ©poetübungen gewählten Körper. (Sc ge-
tcaute fich's fd>on, fo einen ©ad bis jum ©d>iff ju
tcagen.
Stach bcei Minuten coac Stochert eingereiht. Hier
fd>ien es tpictlid? an Slcbeitsfräften ju fehlen. (Sc fd;au-
felte fid> feinen ©ad poll unb nahm ihn toie bie anbecen
mit einem Stud auf bie ©chultern, uad>bem ec fich poc-
t>ec feines Stodeö entlebigt hatte. ©eine feine ipeiße
SBäfdje tarn jum S3orfchein.
„©onnenpetter l“ fagte fein Hintermann. „SÖas
bec S?ecl füc 'n Hemb auf bem Scibe hat! — ©u, bu
bift n>of>l 'n pecacmtec ^apalier!"
Stochert fcf>lcppte im ©d)tpeiß feines Stngefichte.
©ie fernere Saft 30g it>n faft nicber, unb nuc mit getoalt-
famftec Slnftrengung bidt ec fid? aufved;t. 93on bec
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125
□
2tot>elle t>on 23. SJarb.
©tim troffen ihm bie biden tropfen, unb fein Körper
glühte wie im ^eifjluftbabe.
Nach einer 93iertelftunbe war er fo fctjtoarj toie bie
anberen. $>och freute er fid>, bafc es ging.
3 a, es ging wirtlich. freilich, et mufete fid) oftmals
oerfchnaufen, öfter als bie anberen. $>et gutmütige
2 Bäd>ter, ber it>n wohl beobachtet hatte, brüdte ein
Nuge ju.
2 lls es fteierabenb war, hatte Norbert eine Ntarf
unb fünfzig Pfennig oerbient, §>as fchmuhige ©elb
mürbe ihm oon fchmutjigen Ringern in feine noch
fchmuijigeren §änbe gewählt, ©in ©efühl merfwürbiger
93efriebigung burchjudte ihn. ©r toufch fich grünb-
licher als bie anberen, bei benen bie fchtoarje ftarbe
unaustilglich ju haften feinen, 30 g feinen Nod wiebet
an unb ging.
©r hatte ©elb. ©r tonnte effen gehen.
Niemals hätte Norbert gebaut, bafo fein $ufj ein
fo elenbes Söirtshaus betreten toürbe. Nber er nahm
bas erfte, bas er antraf, eine ©d;iffertneipe, too er
3 toifchen allerlei 93olf, beffen lautes, rohes betragen
ihm auf bie Heroen ging, fein Ntahl oer 3 ehrte. ©r hatte
auch nicht für möglich gehalten, bafj man fo fpottwohl-
feil effen tönnte. ©peifen, bie er fonft nicht angerührt
hätte, fchlang er mit ©ier hinunter, unb es fdjmedte
ihm beffer als Nuftern unb Srüffelpaftete. ©eine $inn-
baden tauten, bis tein $rümelchen mehr auf bem Seiler
toar, unb ein halbes 23rot, bas man baneben gelegt
hatte, oerfchtoanb ebenfalls.
gür bas Nachtquartier blieb eine bebentlid) tleine
©umme. ©ern hätte er bas ©elb auch noch *n ©peife
umgefe^t, aber er toar oorfichtig geworben. 93ieUeid;t
glüdte es ihm, am Slbenb nocf> eine SHeinigteit ba 3 U 3 U
erwerben, wahrfcheinlich aber nicht.
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126
$>ie ©cttc bc8 Stmcrifancrs.
□
©r trieb fich auf ben ©tragen umher unb überlegte,
mo er nächtigen follte.
©s mürbe 9tacf>t, unb bie Beleuchtung flammte auf.
SBenn bet Brbeiter mit feinem ©agemert fertig ift, be-
ginnt bas Seben ber oornehmen 2Bclt.
Bm Opernhaus fuhr Buto um Buto, ©quipage um
©quipage am portal oor. Oen $ut in bie Stirn ge-
brüdt, ftanb Borbert jur Seite unb bliefte auf bas ihm
fo mohlbetannte Treiben, oonbemet ausgefd>loffen mar.
©rfinberifche Brmut brängte fid> an bie SBagen het-
an, um burch Heine Oienfte unb ©efälligteiten ein paar
©rofehen ju erhafchen.
Bein — fo meit tonnte fich Borbert nicht erniebrigen,
einen SBagenfchlag aufjureifjen, Schirme unb ©üchet
in ©mpfang ju nehmen unb. mit bemütiger ©ebärbe
ein Bidelftüd einjufteden, bas bet elegante £err aus
ber ©afche jog,
„Bh!" entfuhr es ihm plötzlich*
Bus einem ber Buto, bie heranrollten, ftieg in ganjet
imponierenber Sänge Btr. King, ©r reichte galant
einer Oame bie £anb, um ihr beim Busfteigen behilf-
lich ju fein.
Oiefe Oame mar $ilbe Kanbelhart. Sn ihrem mobe-
farbenen Biantel, bem prächtigen Spiijenfchal unb ben
glitjemben gumelen, bie fie jur Schau trug, fah bie
junge Schönheit fo reijenb aus, bafj bie Bugen ber Um-
ftehenben mie gebannt auf ihrer ©rfcheinung hafteten.
King ging, forgfam um fie bemüht, an ihrer Seite,
unb fie lächelte ihm fmlbfelig ju. Beibe oerfchmanben
in bem meiten ©ingang, unb ihr Buge ftreifte gleich-
mütig über bie Btenge tun, bie gaffenb baftanb.
Mailing fühlte fich oon einer ©iferfucht gepadt, unb
ein ©ebante blitzte in ibm auf, ber ber ganzen Situa-
tion, in ber et fich befanb, ein anberes Sicht gab.
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O 9Todc[(c oon 28. ^arf». 127
$>acum alfo !
©>iefec geciffene 2lmeci!anec l)atte ifm auf eine fe|»c
einfache 2Deife talt geftellt t 2lf>, mie I?atte ec fid? übec-
tölpeln laffen!
£atte nicht 9tuptec in fef)C beutlicf>ec SBeife auf t»ie
©efaljc fnngeroiefen, bie il>m in feinen 23etoecbungen
um §ilbee ©unft oon feiten bee Slmecitanece ectt>ad)fen
tönne? Unb ec — l>atte ec nicf>t lacjjenb jebe Sftöglici)-
!eit raeit t>on ficf> getoiefen? §atte ec jenen niefjt fogac
auebcüdlicf) ermuntect?
91iebectcäd)tig J ©efangen in bec eigenen 6d)linge !
2öae lag jenem $ing an bem 33eclufte non taufenb
^3funb? „£alt — fo meit finb u>ic bod) nod) nid)tl“
fagte Galling plbßlid) laut ooc fid> I>in. „SBacten 6ie,
oecetjctec 97Uftec. 6ie fallen fiel) nod) tounbecnl"
©c ging ins 2lcbeitecoiectel jueüd, unb auf bem 2Bege
becutjigte ec fid) mef)c unb mel)c. ©c fcfjlief in bec 2tad)t
fo feft unb tcaumloe, toie ec lange nid)t gefcf)lafen tjatte.
©>ie SHübigteit l)actcc Sageeacbeit faß il>m in ben
Knochen.
SDo ec nädjtigte unb tnie fein $ämmeclein unb fein
Sagec befefjaffen toac, bacübec l)at ec niemale etcoae
oeclauten laffen. —
©>ec jtoeite Sag beachte neue 6ucl)e nad) Slcbeit unb
neue ©nttäufdmng. 2lm THittag plagte it>n bec Bungee
nod> geimmigee tme geftecn, fo geimmig, baß tym bae
23ecftänbnie bafüc aufging, toie jemanb, oom nagenben
£ungec gepeinigt, jum ©>ieb, ja ju einem nod) fcfjtoe-
cecen 93ecbced)ec toeeben tonnte. 2ln ben 9teftau-
cationen, an ben 33cot-, fjleifcf)- unb ©elitateßläben
fehltet? ec ooebei mit ledjjenbec 8unge.
,,3d) m ad)e bod) liebec ein ©nbe !" bcummte ec miß-
mutig, ale ec miebec einmal mit einem „bebattce fet)c"
abgetoiefen ipocben u>ac. ©c t>attc ©teine fd)leppen
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128 ©ie 98ctte bss SlmeriEcmers. □
mollen bei einem Neubau, hatte ficf> aber fo ungefdnett
babei angeftellt unb jo oiel Unheil angerichtet, bafe man
it>n mit einem Sdnmpfmort baoonjagte.
23eim ßohlenfchleppen ftellte man ihn ebenfalls
nicht mieber ein. 2lud> ba mar et nur eine halb$ 2lr-
beitstraft.
„3<h mache ein Snbe!" miebecholte et. 3n einet
falben Stunbe Eonnte et bei S?ing fein unb bas 2luf-
geben bet 2Bette melben.
21bet auf betn 2Bege bahin, ben er fefjon betteten
hatte, menbete et fid> boct> mieber um, mit grimmigem
Sroh oor fiel) tjinflüfternb: „91ein, ich mill's jmingen!
Sr foll nicht triumphieren!“
S>as Suchen begann oon neuem.
St mar in eine 23orftabt hineingeraten, mo 2Hiets-
Eaferne an 2HietsEaferne ftanb. §>ie 23ilbet ber 2trmut
entrollten fich in abfchtecEenbfter gorm oor feinen 2lugen,
oertoahrlofte $inber unb oetEommenes ©efinbel fmette
in ben Straften unb £jöfen. S^eifenbe unb sanEenbe
Stimmen tönten aus ben ftenftern, fttuppige £unbe
balgten fich um ^nochenübertefte.
§iet gab's Eein 2lcbeitsangebot. §>ie h^r häuften,
freuten fich alle, rnenn fie felbet 2lrbeit hatten.
Norbert machte ba an fich felbft eine merEtoütbige
Sntbecfung. ©ie 23erührung mit bet fthmuftigen 2ltmut
löfte in ihm nicht mehr bas ©efühl bes Stels aus, fonbern
bas bes unenblid;en 2Kitleibs.
8mei Sage nur mar er jeftt ein HnglücElichet unter
ben llnglüctlichen; biefe jmei Sage hatten fein Urteil
oon Srunb aus geänbert. Sr hatte einen SehtEurfus
burchgemacht, in bem er mehr lernte als bei ber 23or-
lefung bes gelehrteren ^rofeffors ber 9tationalöEo-
nomie.
§>ie 2Delt erjehien ihm mie eine #ölle!
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Stopdle »on 28. §art>.
129
§unberttaufenbe litten unb fämpften unb rangen
bacin um einen Schein pon ©lücf, um ein ‘iphantom
pon ©afeinsfreube. Unb bie Vefi^enben flimmerten
fid> nicf>t um bie elenbe Klaffe, fchlemmten an reichen
£ifcf>en im Überfluß, fallen ruhig ju, wie bie anberen
barbten unb ftöfmten. 6ie felbft waren ja fatt, was
gingen fie bie anberen an! Unb er felber, Korbert
p. Mailing, hatte 311 benen gehört, bie pon ©enufj 311
©enujj taumelten, jebe Vegierbe befriebigten unb bod>
oft in Verlegenheit toaren, auf welche SBeife’fie ihren
Überfluß pertpenben follten.
©in armes SBeib rannte an ihm potüber mit einem
Säugling auf bem Sltm, ber in fiumpen gewidelt war.
©er hoffnungslofe Slusbrucf ihres ©efichts fdmitt ihm
fo ins $er3, bafj et fofort feine Vötfe in ihre £änbe ge-
leert h^ben mürbe, hätte er eine gehabt!
©er Klenfchheit Jammer paefte ihn unb lehrte feine
Seele um unb um.
©a mochte auch Schulb fein, oiel felbftgefdjaf-
fenes ©lenb, Slbgrünbe oon Schledjtigfeit unb Ver-
worfenheit. Slber bennoch: mar biefe geplagte Klenfch*
heit bas ©rgebnis ber hochgepriefenen Kultur, ber mit
Siebenmeilenftiefcln fortfehreitenben ©rtenntnis auf
allen ©ebieten?
3n biefen Slugenblicfen ftarb ber ©enufemenfeft in
ihm, ber tatenlofe unb gebanfenlofe Träumer, unb
ettpas Keues muchs auf, noch in unflaren Ilmriffen,
noch unfertig unb fchattenhaft, aber nie toieber gan3
3U tilgen, ber $eim unb bet 2lnfai} 3U einer anberen
Sebensauffaffung.
©t ging mechanifch weiter, toohin, bas wußte er
nicht. Sutoeilen taumelte er, mufcte innehalten, um
Kräfte 3U fchöpfen. ©r empfanb ein allgemeines ©e-
fühl ber Schtoäche, eine grensenlofe Klattigfeit unb
1914. XI. 9
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130 $>ie Söctte bcs Slmccltanccs. □
Slbfpannung. ©s mar tym, als muffe et funfinfen unb
fd)lafcn.
‘■piötjlid? rifj er bie Slugen auf.
(Sr erblicfte ein einfaches £anbl>aus, mit einem
©arten umgeben, in bem fdjattenfpenbenbe 53äume
ftanben unb 33lumen. ©>as ©anje mar non einem
fjoben, eifernen ©itter umfriebigt, unb hinter bem
©itter ftanb eine munberlieblidje ©tfd^einung im
meifjen bleibe, jmei grofje, blaue Slugen flauten ifm
mitleibig unb teilnabnmoll an.
„0inb 0ie frant?“ tönte eine meicf>e, melobifdje
0timme.
Norbert raffte ben lebten 9?eft feiner Straft ju-
fammen. „3d> l>abe Slrbeit gefugt unb feine gefunben,"
fagte er fd>lid?t.
§>ie ©ittertftr öffnete fid> it>m; bas fetjöne 9Häbcf>en
liefe ifm eintreten.
„5Bit fönnten Qljnen mol>l 2lrbeit geben, benn unfer
©ärtner I?at uns im 0ticf> gelaffen. SBenn 0ie alfo
e^rlid? unb orbentlicf) finb — "
Norbert füllte, mie feine Kräfte batnnfd>manben.
©r fefete ficf> aufftöfmenb auf bie ©ingangstreppc.
„93atert" l)örte er bas 2Häbd)en rufen unb faf>, mie
ein £err mit einem langen meinen 33art auf if>n jutrat.
©r füllte fid? an ber 0d?ulter gefaxt, „£aben 0ie
junger?"
Norbert niefte. S^ein SBort tarn mefjr über feine
Sippen.
„$ätl>e, lauf unb bring f>erbel, tr>as bu gerabe finbeft.
2Bir müffen ben armen 9Henfd>en erft mieber auf bie
33einc bringen."
0d;on bie 2lusficf>t auf ein ©ffen belebte Norbert,
©r fal>, roie bas 97läbd>en banoneilte unb gleicf> barauf
mieberfam. ©ine bampfenbe 0uppe mürbe tym ge-
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o
Stooellc t>on 23. $arf>.
131
reicht, unb er löffelte fie gierig aus. ©r a& nocf> einen
jtneiten unb britten Heller.
©as toar 23armt>erjigteit unb S)ilfe jur rechten
Seit!
©s tpar tyrn, als fjöre er in biefem 2lugenblid Swings
Stimme reben: „2lm britten £age rperben Sie per-
l>ungett fein."
Seine Kräfte teerten jurüd. ©as 9ftäbd)en ftanb
in ber ftetne unb fal> mit itnen blauen Slugenftemen
ju if>m f>in.
Seine fjugenbfraft f>atte ben lebten 9left ber ©nt-
träftung übertpunben.
©ann gab il>m ber alte §err einen Spaten in bie
S)anb unb geigte if>m, une er bie 23eete umgtaben müffe.
©t tjatte nid>t gefragt nad> papieren unb geugniffen,
pielleidjt I>atte er in Norberts Slugen gelefen, bafj er es
l>iet mit einem 92tenfd)en pon befonberer 2trt ju tun
t»atte.
Mailing grub unb pflanjte unb begofe unb banb —
unb er l>atte feine ftreube baran. 33erftol>len folgten
feine 93lide ber fetüanfen ©eftalt ber £od)ter bes Kaufes,
bie einen ©lumenftraufr tpanb unb leife baju ein Sieb-
ten fang.
©in Qbpll — nacf> all bem Scf)redlicf>en. ©ine
2Bof)ligfeit fam über ifm, ein unnennbar glüdlidjes
©efül>l.
93iel ju frül> rnarb feiner £ätigfeit ©inljalt getan.
©er alte §err, an beffen 2lrm ficf> bie junge £od>ter
fdjmiegte, trat an itm f>eran. „Sie Ijaben toader ge-
fdjafft. 3d) I?ätte 3f>nen bas taum jugetraut. 2Bie
tjeifcen Sie?"
„Norbert."
„£ier tjaben Sie f$t>ren £ofm für f)eutc. ©efjen Sie
in bie S?üd>e, ipo S^nen ©ffen gereicht toerben foll.
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©ic 23ctte bcs Slmerifartcrs.
□
SBenn Sie morgen totebertommen toollen, foll es mir
recht fein, ©ute Slrbeitsträfte firtb feiten."
©as toar für Galling eine neue 28eist>eit. ©r toar
auf bet gagb getoefen nad> Slrbeit tote ein 33errüdtcr,
unb nun Meß es, baß gute Kräfte begehrt feien.
Slber er jerbrad) fid? nicht lange ben Kopf. ©ie
glüdliche Stimmung, bie in feinem §erjen ^laß ge-
griffen hatte, liefe feinen 9?aum su tieffinniger (Erörte-
rung toeiterer toirtfchaftlicher Probleme.
©ing oon ben blauen Slugen bcs jungen Stäbchens
ein ftiller, fünfter Strom bes Gebens au»? —
Slm anberen borgen (teilte et fid> pünttlich toieber
ein. ©et alte S)err mit bem guten ©efid>t toar toieber
ba, ber Schatten ber ho(>en 33äume umfing ihn, unb
es toar ihm toie im Härchen. 38ar er nicht ber oer-
tounfehene ^rinj, auf acht £age jur Strafe in einen
armen ©ärtnerburfeben oenoanbelt, unb toar bie lichte
©eftalt, bie leichtfüßig burch 33lumen unb 33üfd)e lief,
nicht bie junge Königstochter?
„Sie fd>einen mir ein orbentlicher Sftenfd) ju fein,
Norbert.“
Sein 93rotherr ftanb neben ihm unb foh ihn fcharf an.
Mailing gab ihm Slnttoort, fo toeit es angängig toar,
nur als er nach feiner früheren ©efebäftigung unb nach
feinen £ebensfcf>idfalen gefragt tourbe, anttoortete er
austoeichenb.
Natürlich hatte er bereits bas Slbreßbuch nachgefehen,
um ju erfahren, toie fein SBohltäter heiße. Xlnb bas
Orafel ber ©rofeftabt, bas in bie ^aläfte toie in bie
©achtammern hineinleuchtet, hatte ihm enthüllt: ©at-
tenftraße 6. 0 . Stomberg, Oberft a. ©.
„Käthe 0 . Homberg," fagte Mailing fanft unb toie
ftreichelnb, fo oft er an bas SRäbchen im toeißen Kleibe
mit ben blauen Slugen bachfe. Hnb er backte oft an
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133
Slopelle pon 33. §art>.
fie, folange er im 9Jombergfd;en ©arten Vefcbäftigung
fanb.
©r fal? fie täglich mehrere Vtale, oormittags unb
nachmittags, ja äumeilen rebete er fogat einige SBortc
mit itjr. ©ans unbebeutenbe 28orte mären es, aber
fie fafjen feft in bem §erjen Norberts, als feien fie batin
eingemauert für alle ©migteit.
Unb Jjübe S^anbelbart?
O nein, beren 'Pla^ t?atte bie füfje Meine Oberften-
toebter nid?t eingenommen; fie t>atte nicht eine ältere
3lebenbul)lerin oerbrängt. Mailing erJannte mit großer
Klarheit, bafo jene niemals fo recht barin gemobnt
unb SButjel gefafjt hotte.
Oie acht £age roaten f>erum. Qm ©arten gab es
auch nichts mebt ju tun.
9tun mufete Galling bem Oberften fagen, bajj et
aunädjft nicht mehr Jommen toerbe, aber er mürbe ficb
balb toieberfeben laffen — balb, febr balb fogar!
Oer Oberft Jam ibm suoor. „Qunger 2Hann," fagte
er am lebten Slbcnb, „in bet näcbften Seit habe icb Jeine
Slrbeit mebt für Sie.“
2torbert machte eine juftimmenbe Verbeugung, ©r
pergafj, bafj er ein einfacher ©ärtnerburfebe mar unb
baf; et ficb nicht auf bem ^arJett bemegte. Unter bes
Oberften butebbringenbem Vlid errötete er leid;t.
„Sie hoben ficb,“ fuhr ber 2Ute fort, „oortrefflicb
geführt, fleißig gearbeitet unb einen guten ©inbrud
binterlaffen. Qd> bin erbötig, Qfmen ju Qb^m 5ort-
Jommen behilflich 5 U fein, menn Sie meiner be-
bürfen.“
„#err Oberft finb ju gütig — "
„Vielleicht bebürfen Sie ber §Ufe ganj befonbers.
— Vtir Jönnen Sie ficb ruhig anoertrauenl“
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©ic SBette bes Slmeritaners.
Söieber ein fd>arfer, burchbringenber 53licf bes alten
92Ulitar8.
„3öie meinen Jjerr Oberft?“ fragte Mailing.
„9l<h was,“ fing bet alte §err an 511 poltern, „mir
machen Sie nichts oor. Sie finb webet ein ©ärtner,
noch ein gewöhnlicher Arbeiter. $ch habe Sie be-
obachtet. Sie hatten ja noch nicht einmal bie elemen-
taren ^anbgriffe los. Sie flammen aus guter Fa-
milie, haben S^inberftube unb geben ficf> juweilen wie
einer aus ben beften Stänben. Oaju tragen Sie ein
Schuhwert, bas aus ben erften Ääben ftamint, unb
3hce §anbe waren, als Sie tarnen, fo jart unb gepflegt,
als hätten Sie noch nie einen Spaten in ber §anb ge-
habt.“
„£ert Oberft haben fehr richtig gefehen,“ fagte Nor-
bert.
„91a alfo. Sie finb nicht, was Sie fcheinen. Oarurn
frage ich wach einmal, ob id; Ofmcn helfen tann, bafj
Sie wieber in georbnete 93erhältniffe tommen. Schütten
Sie mir 3h c ?> ct i aus.“
,,©s mag gimen genügen, £err 0 . 9tomberg, wenn
ich 3hwcn mitteile, bafc ganj eigenartige 93erhältniffe
mich Shcem ©ärtnerburfcf>en gemacht haben.
Übrigens — wenn Sie fo balb ertannten, bafj ich eigent-
lich woanbershin gehöre, fo wunbert es mich um fo
mehr, bafj Sie mich behielten. 3<h tonnte ja auch ein
ganj gefährlicher 93urf<he fein.“
„junger 9Hann,“ antwortete ber Oberft, „ich *»ill
3 fmen geftehen, baf$ mir fo!cf?e ©ebanfen gefommen
finb. 9Ran tann ja, ©ott fei's geflagt, nicht oorfichtig
genug fein. 9Heine £oct>ter hot aber für Sie ein gutes
9Bort eingelegt. Sie hat ein ju weiches ^erj. Oas
^inb tann feine fliege leiben fehen unb tut mir bes
©uten fajt ein wenig ju oiel. 3a, ber haben Sie’s
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SlopcUe pon 93. $atb.
135
□
eigentlich ju oerbanlen, baß ich ©ie nicht ftrammer
aufs $orn nahm, llnb bann fanb ich felbft balb her-
aus, baf} ©ie nichts 23öfes im ©chilbe führten. — Sta,
unb nun frage ich jurn letztenmal: tann ich für ©ie etwas
tun? Süeine SMthe h<*t mir in bcn Öhren gelegen, ich
folle 3 hnen unter bie Sirme greifen. Verfrachte ©*i-
ftenj — was? früher mal beffcre £age gefel;en — am
©nbe gar ftubiert?“
„ 3 d> erlenne Sh^c ftreunblichfeit in ihrer ganzen
©röfce an, §ert Oberft," antwortete er, „aber — “
„SBie ©ie wollen."
©er Oberft ging brummenb baoon.
©einem SHärchenparabies einen Slbfchiebsgtufj ju-
winfenb, fchieb Storbert mit bem Vorfatj, fo balb als
möglich in feiner wahren ©eftalt wieberjufehren.
©in SBagen rollte an ihm oorüber. ©arin fafj
ber Vantbirettor S^anbelhart unb feine £od;ter £ilbe.
Sin ihrer ©eite thronte mit unbeweglichem ©eficht
92lr. $ing.
©ie fahen ihn nicht — fo ein gewöhnlicher Slrbeiter
in ftaubbebedtem Slnjug eriftierte für fie nicht.
„iJünf SRilUonen ©ollart" bachte Norbert, inbem
er ihnen nachfah. ,,©ie hüben mir bei ber fd>önen §ilb-
burg ben £als gcbrod;en. ©ewogen unb ju leicht be-
funben! SKun, mich hätmt's nicht. Slber bie taufenb
<$funb foll mir ber eble Stifter als reblich oerbientes
©elb auf ben £ifch legen, unb ich weife auch eine Ver-
wenbung bafür."
©r nahm baheim, oon feinem ©iener mit ©taunen
empfangen, ein Vab, 30 g fich grünblich um unb oer-
traute bie Verfchönerung feines öufeeren SKenfdjen
feinem funbigen ftrifeur an. ©arauf ging er in ben
S^lub.
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©ie 2Dctte bcs Slmetifancra.
□
2Hr. King Dersefjrte gerabe ein beliBates §ülm4)en
unb tranB eine $laf4>e 94>einwein baju. .
SHs Sorbett d. Galling cintrat, lächelte et, naf>m
feine ©eroiette ab unb ftanb auf.
25eibe Jdjütteltcn fief) bte $)änbe.
l?abe bie SBette gewonnen,“ fagte 31orbert.
„Well," antwortete bet 2lmetiBaner, jag feine 93rief-
tafdje unb entnahm it>c bie cntfpredjenbe Summe,
bie et bem jungen Spanne einljänbigte.
„3ean!" rief et fobann, „fermeren ©ie ein §>iner
Don fünf ©ängen. — 2öie gef>t es 3£men, §err o. Gal-
ling? ©ut beBomnten?“
„34) bin wot)l unb munter unb fet)t oergnügt,
2ttt. King, ©s ift mit ni4>t fo f4>led;t ergangen, wie
6ie benBen, abet i4> f>abe fef)t Diel erlebt — aufeet-
orbentli4) Diel, äufeerli4) unb innerli4>.“
,,©>as müffen Sie erjä^len," forberte King auf unb
fefete fi4> wieber.
3n teils ernfter, teils t)umoriftif4>er SSeife bef4)tieb
Norbert feine ©rlebniffe. 21ur Don ben blauen 2lugen
ba braufeen fagte er ni4)ts.
King nidte. ,,©s ift ri4>tig. ©ie f>aben getDonnen."
„Unb bo4> l>aben ©ie mit 3f)fcc 33ef>auptung re4>t
bemalten, ©inem jungen Spanne aus unferen Gebens-
treifen bürftc es unmögli4> fein, fkf) mittellas bur4>-
juf4)lagen. 34 > fx*be ©lücB gehabt. 34 > f><*be barnt-
fjetjige £eute gefunben, bie mir meine unjulängl^e
2lrbeit besagten unb mi4) fatt ma4)ten."
„$>as freut mi4), freut tni4) fet?r. ©s Bann bas oor-
Bommen."
Galling f)attc <piafe genommen, unb mit ber $anb
auf ein zufällig balicgenbes geitungsblatt weifenb,
fagte er: „©ie toürben mi4) oerbinben, wenn ©ie mid;
in aller Kurse barüber informieren würben, was in
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2toodle t>on 93. §art>.
137
□
meiner 2ft>tr>efent>cit gefd>ef>en ift. 34> £abe acf>t Snge
wie auf einet oben Snfel gelebt.“
„Sn Slmerita — “
»O nein, Gir. &ing, toeber ^3oliti! nocf> $urfe ober
bergleicf>en. 2Bas mit ba fefüt, (>ole i4> wo(>l felbet
nacf>. 3<*> meine wiffenswerte Gegebenheiten aus ber
©efellfcfwft. §at fid? jurn Geifpiel jemanb oetlobt?"
„No,“ antwortete S^ing. ,,©af 5 id> nicf>t wüfjte.“
„@6 !>at fid; alfo gat nichts ereignet?"
„©er S^onful ^cetobaum t?at S^onfurs angemelbet."
,,©ut mir leib um Gupters willen. 2öie gel?t es bei
$anbell>arts?"
„6et)t gut. ©s ift eine ausgejeicfmete ftamilie.
Slber Gtifc S?anbelt>art ift 3f>nen böfe, £err o. Mailing.“
„Söarum?"
„Sie wirb es Simen fdwn fagen, wenn Sie lungeren,
fie ju befugen.“
„Sie erwartet micf) alfo?“
,,©as weifj id> nicf?t. Slber es würbe bod; fefjt mert-
würbig fein, wenn Sie nid)t (>ingingen. Sie wollen
fie bocf) heiraten!“
„heiraten — i$? S4> tonte ni$t baran."
„9tid>t?“
„SBiffen Sie, icf? l>abe mir feft eingebübet, bafj Sie
felbft mit allen Segeln auf bas Biel losfaljren, £ilbe
^anbelljart (jeirnjufülwen.“
„Sch?" fting machte ein fef>r erftauntes ©efid)t.
„3n, <Ste 1 Sie tjaben Autofahrten mit it>c gemalt,
l>aben fie ins Sweater geführt unb finb faft täglicf? ©aft
im £aufe. ©in folcfws Genehmen läftt bod> nur eine
berartige ©eutung ju.“
S^ing lad?te laut, ©s war bas erfte SRal, baf$ Galling
if>n in eine fo träftige ^eiterfeit ausbreefjen fal>.
„3cf> will 3l;nen fagen, weshalb icf> bas Fräulein
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©ie SZtette öes Slmeritanecs.
□
nicht heiraten werbe. SBeil i<h nämlich feit oierunb-
jwanjig galten fd>on oerheiratet bin unb jwei ©ohne
unb brei Töchter habe. 9lad; ben amerifanifchen ©e-
fe^en Ift es nid;t erlaubt — unb id> glaube, nach ben
beutfehen auch nicht, bafj man — “
,,©>ann finb ©ie ja ein ganj gefä^rli4>ec SHenfch!“
„5Biefo?“
„Söeil ©ie bas ftattum ghtet Verheiratung oer-
fchmiegen haben.“
„©& hat niemanb banach gefragt, ob id; eine $rau
habe ober nicht.“
„©ie tragen leinen 9*ing — “
„Oas ift bei uns nicht ©itte."
„Slber ©ie haben bei ber Familie ^anbelhart ben
Slnfchein erroedt, bafj ©ie auf Vrautfd;au finb. ©ie
muffen es ficf> gefallen laffen, baf} man ©ie für einen
Heuchler, für einen groben fjamilientäufcher hält.“
S?ing legte mit großer ilmftänölid>leit Vteffer unb
©abel jufammen. ,,©o?" fagte er bann, „nun, ba hat
man fi^> eben felbft getäufcht unb etwas Verfehrtes
geglaubt."
„geh oerftehe ghr Venehmen auch nicht.“
„geh toerbe es ghnen auseinanbetfehen. geh mar
in ber £at auf Vrautfchau hier, aber nid;t für mich,
fonbern für einen anberen, nämlich für Slnnie £l>ompfons
Vruber, bet in 9teu> $orf wohnt. ©>et hat bas fchöne
Vilb oon 2Hif$ Jtanbelhart gefchen, bas fie aus Oeutfch-
lanb mitgebracht hat, unb hat fi<h bis über beibe Ohren
in bas fchöne Stäbchen oerliebt, ©o friedlich unfinnig
ift er geworben oor £iebe, baf$ im ©cfd>äft nichts mehr
mit ihm anjufangen war. ©t hat felbft nach Oeutfd)-
lanb gewollt, um SKifj S^anbelhart fein ^erj ju güfeen
ju legen unb ihr feine §anb anjubieten. Öa ift bann
fein Vater ju mir getommen unb hat ju mir gefagt:
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Ö ätoDclle ppn 9D. ^arb. 139
,9Hr. SUng, Sie fahren in ber nächften Seit nach ©eutfd>-
lanb. Sie metben mir ben ©«fallen tun unb bas
Sltäbchen auffuefjen unb es tennen lernen. 3ft fie nicht
nur fchön, fonbem aud> gut unb lieb unb oerftänbig,
fo fall mein Sohn feinen SBillen haben unb fie fid?
holen — u>enn fie mill'. ©as I?at et gefügt, unb id>
habe ben Auftrag ausgeführt unb bin hierher getommen,
um SJUfc 5?anbelhart tennen ju lernen, Allright —
mas?“
Mailing lad;te.
„©arum bin ich mit it>r ins 2l;eater unb im Sluto
fpajieten gefahren, um fie tennen ju lernen, ob fie pafjt
für 22lr. £l>ompfon."
„Unb mas ift 3^ce Meinung ?“
„No, fie pafjt nicht. Sie ift ein fehr fcf>önes SRäbchen,
aber fie hat tein £erj unb tein ©emüt. 9Hr, 3:l)ompfon
mürbe mit it>r nicht glüdUd) metben.“
„Sinne £ilbe 1“ fagte fjalling bebauemb. „Sie t>at
natürlich gemeint, bie perfönlid>en ^ulbigungcn eines
fünffachen ©ollatmillionärs — “
„©er fefjon oiele graue £aare hat unb übet fünfzig
3ahre alt ift,“ fügte ßing hinju. ,,©s ift nicht gut, allein
nad) bem ©elb ju fehen, menn man heiratet. Stls ich
meine fjrau jum Slltare führte, hatten mit beibe ju-
fammen ein 93ermögen oon taum taufenb ©ollar.“
Galling ftanb auf. „93eftellen Sie 3hfe fünf ©änge
nur mieber ab,“ fagte et mit einem 23lid auf bie tleine
Uhr auf bem $amin. „34> habe einen mistigen ©ang
oor.“
„Well, SKr. Galling. Sie fehen fo glüdlich aus!“
Mailing nidte ihm oergnügt au unb oerfchmanb.
3n großer 93efuch&toilette fuhr Mailing oor bem
§aufe ©artenftrafce 6 oor. ©r flieg aus, fchritt burch
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$>ie ©ctte bee Bmertfanera.
□
ben ©arten unb ftanb balb por Oberft p. Bömberg unb
feiner Tochter.
Oie ertannten ihn erft, ab er fid> porftellte, unb über
bas ©efid>t bes jungen Biäbdjens flog ein glühenbes
Bot bei feinem 9tnblicf.
„£ert Oberft," begann er, „hier fet>en ©ie mich in
meiner magren ©eftalt — ©ott fei Oant tein ftellen-
lofet Bagabunb ober bettelnber ©ärtnerburfch, auch
tein perbummeltee ©cnie, fonbern ein Btenfd) mit
©tammbaum unb flecfenlofem Buf, bei ber ^olijei
mie bei ber ©teuer gut angefchrieben. bante 3 fmcn,
baf} ©ie bem armen Teufel, meinem ©benbilbe unb
anbercm geh, freunblicb unb mitleibig ©aftfreunbfdjaft
gemährten unter 3hf^n fchattigen Bäumen, unb bitte
©ie, mir bas ^offenfpiel, bas ich 3 fmen unb 3 ^>rcm
fträulein Mochtet porgemadjt höbe, nicht Perübeln au
tpollen.“
Oer alte Oberft mar offenbar fehc erfreut, unb bie
blauen Bugen bes jungen Räbchens lachten ihn luftig
unb ohne Befangenheit an. ©ein freimütiger £on
hatte bem meiteren ©efpräch bie Bahn geebnet.
„Oas müffen ©ie uns aueführlid) erzählen, mie
©ie, oerehrter $err p. Mailing, 511 ber Oheaterpoffe gc-
tommen finb,“ fagte Bömberg.
3n ber meinumrantten Beranba ber Billa fafjen
bie brei Bienfd>en, bie auf fo mertmürbige Bkife mit-
einanber befannt gemorben maten, unb Borbett er-
zählte mit Saune unb hoch nicht ohne tiefernfte Schlag-
lichter auf bie Bot unb bie ©ntbchrung ju merfen, bie
er gefehen unb felber burchgemad;t hotte, feine Söette
unb ihee folgen. ©r richtete feine Bebe nicht meniger
an bie pollerblühte Bofe im meinen bleibe ab an ben
alten permitterten ©tamm, unb rrn&t ab einmal
tauchten bie braunen unb bie blauen Bugen aus ge-
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D
Stoodle oon 23. ^arf>.
141
fährlicf>ec 9Iät>c ineinanber. Sin Sßeinchen aus tiefftem
Kellec feuchtete bie Sippen, unb toenn bec ©aft ju
trinfen oergafj, mahnte ihn bec Oberft baju.
Unb Norbert fal) braunen bie ©tätte, bie ec mit
$ade unb ©paten beacbeitet hatte toie ein £aglöhner.
„3d> bin bishec ein unnütze £agebieb getoefen,"
fagte ec ju feiner fchönen Nachbarin, „bec nichts anberes
tonnte ab feine Sinfen oeejehren — oon nun ab toirb
mein Seben bem ©d>affen getoibmet fein."
2lls ec foctging, mufste ec bas 93erfpcechen geben,
balb toieberjufommen, benn bem alten £ercn hatte
bie frifcf>e unb natürliche 2lct bes jungen Cannes aus-
nehmenb gefallen.
93ei $?anbell>arts toac Slbenbgefellfdjaft. Oie präch-
tigen 9*äume im Srbgefchojj ftcahlten im Sicht, unb bec
$ifd> toac oon bec £anb §ilbburgs finnig mit 93lumen
unb 33lüten gefchmücft.
Oie nächften ftreunbe bes Kaufes toacen gelaben,
nur SSing fehlte. SDebec bec ©aftgeber noch feine
Sochtec, bie fid> mit caffiniertec ©leganj getleibet hatte,
fpradjen feinen 2tamen aus, unb toenn ec oon ben an-
becen genannt tourbe, bann taten fie, als hätten fie ihn
nicht gehört.
$ing u>ac offenbar in ltngnabe gefallen, ja noch
mehr — es toac fo, als habe ec füc biefen $reis über-
haupt nie epiftiert.
SBoran bas lag, bas toac niemanb oerborgen. $ing
felbec hatte bas Mifjoerftänbnis, bas feine ‘•perfon um-
fchtoebte, jecciffen, inbem ec gelegentlich feines nächften
93efu<hs bei S^anbelhacts ben feiner 33ecfteinecten im
gemütlichften £one oon bec 2Belt bie Mitteilung ge-
macht hatte, baf} er bemnächft bie filbecne ^ochjeit ju
feiern gebenfe* Oie Söicfung toac unbefd;reiblich ge-
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142 ®ic 223cttc bes 2Imctifancrs. n
mefen. ^ilbburg beBam jum erften STlale in intern
Sieben ©chteiBrämpfe, unb ihr Icid>tc6 93lut reichte bies-
mal nid>t aus, ihr übet ben ©d>lag ijtntDcgjuijclfcn.
8f>m aber war ber ©trahlenBranj com £aupi geriffen.
©eine fünf Millionen Dollar bewahrten it>n nicht por
bem ©djidfal, mit einem Sttale aus bec Stolle beß „in-
tereffanten Cannes in ben beften 3öf)ren“ in bie Stolle
eines alten Starten perfekt ju »erben.
Slbet Storbert p. Gallings ©tern mar bafüt mächtig
im 2tufget>en. @r faf$ jur hinten bet fcfjönen 93anB-
bireBtorstod>ter, bie ihr fünftes Säckeln unb bie aus-
gefud>tefte S^otetterie an if>n perfd)wenbete. ©ie wollte
bie empfinblidjc Stieberlage, bie fie erlitten hatte, butch
einen glänjenben ©ieg tpieber mettmachen.
Slbet bet S^aoalier an it>ret ©eite tpar auffallenb
Bühl unb fchweigfam unb ihren Slnnähetungsoerfuchen
faft unzugänglich.
©ie fud)te if>n aufjumuntern unb nedte ihn mit bet
5tage, ob er noch immer an feine Stolle als perwunfd>enet
spring ben!e.
@r fah fie mit ernften Slugen an. höbe in ben
lebten acht Sagen erft gefehen, toie bie SBelt in SBitB-
lichBeit ift, mein gnäbiges Fräulein. §>as hat mich ernft
geftimmt unb gebanBenooll. 5ct> bin su bet Über-
zeugung geBommen, bafo bas Sieben, tpie mir alle es ju
führen gewohnt finb, grunboerBehrt ift. 2Bir Ben-
nen nut eine 93efd>äftigung: ben Stal;m abjufc^öpfen
pon ben Pollen Söpfen. Stiemanb pon uns Bümmett
fid> um bas ©eufjen ber ferner geplagten Strmen — “
©0 ein ©efptäd) tpat bet jungen ©ct>önt>eit B?öcf>ft
beftemblich unb unangenehm. „0a, ich möchte ba
unten jtoifchen ^inj unb $unj auch nicht leben,“ ant-
wortete fie leichthin. ,,©ie werben bie unappetitlichen
<5inbrüde fd>on wieber perwinben, fjett p. Mailing."
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□
Stopelte pon 33. §atb.
143
Slber btcfcc blieb fühl unb einfübig wie juoor.
§>a bifj fie fiel? auf bie Sippen.
§>ie anberen unterhielten fid> über ben traurigen
ftall bes Kaufes ftrebebaum.
„§>er Konful ift fchwer erfrantt," fykfc es, „unb bie
©einen umgeben ihn mit järtlichfter ©orgfalt. ßein
Söort bes 33orwurfs laffen fie gegen ihn hören, unb
»ielleicht trägt er felbft auch nur geringe ©<hulb an ben
fchlimmen 33erluften. §>ie grau ßonful ift rührenb in
ihrer ©orgfalt. (Sine feltene grau."
„9h* bleibt )a ihr ^rioatoermögen," warf £ilbe
bajmifchen.
„©ie gibt alles freiwillig h «*# um bamit bie 33er-
pflidhtungen ihres Cannes ju beefen. Sticht einen
Pfennig will fie behalten, ©ie fagt — "
„§>as ift 33errücftheit 1" rief S)ilbe aus. „§>entt fie
benn gar nid;t an bie arme ©ufanne!"
„©ufanne gtebebaum hot ihrer SJtutter freubig ju-
geftimmt."
„tiefer llnoerftanb oon ©ufanne unb ihrer Sltutter
oerbirbt mir ben ganjen Slppetit ! — 5>et 33erjicht mag
ja höchft ibeal fein, höchft ebelmütig, aber oerjeihen ©ie —
et ift mit einem 3Bort gejagt bumm, bobenlos bumm 1"
,,©ie würben nicht fo honbeln, gnäbiges Fräulein?"
fragte Galling.
„(Sott fei $>anf, bajj ich nicht in folget Sage bin!"
„ltnb wenn ©ie hineinfämen?"
„2th — brechen wir hoch bies unerquicfliche ©efpräch
ab ! 323ir finb hoch nicht hier, um uns ju janfen. gebet
tue, was er für recht holt, unb was feiner Statur an-
gemeffen ift. — S)err t>. Mailing, bitte, ein anberes
©efpräch !“
©ie hob bas ©las empor, ihm mit oielfagenbem
Slusbrud in bie Slugen fehenb.
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144
®ie SQctte bea Slmerilanera.
□
2lber auch ber meitere 2lbenb »erlief nict>t nach bem
©efdjmad S^ilbburgs. (Sin »iel zu ernftet £on mar in
ben ©efpräd>en, unb Norbert ». Mailing mar fo fühl
mie ein ©isblod. «Steif unb förmlich mar auch fein
Slbfchieb.
6ie füllte mit gorn unb 6cbam, bafj auch biejer
bitter auf 9timmermieberfehen baoonzog.
9Kan gab im Klub bem fd>cibenben 22tr. King ein
Slbfdnebseffen. <So furz fein Stufenttjalt in ©eutfdj-
lanb gemefen mar, ba mar feiner, bet feine Slbreife nicht
bebauerte. 6ie Ratten if>n alle lieb gemonnen, ben
offenen SJlann mit bem einfachen, geraben Söort unb
bem gellen 93lid.
(Sine 9ttefenhaoanna jmifc^en ben Sippen faf} King
an ber 6pi^e ber ©afel.
„6ie tommen gemifc noch einmal miebet," rief
9tupter. „©er 2Beg über bas SBaffer ift ja nicht meit."
,,©as ift möglich,“ fagte King. „Slbet umgefehrt
märe es auch gut. gd> mürbe mich fet?r freuen, menn
Ö5ie mich alle in 9tem $orf befugten. geh labe @ie hier-
mit alle ein als meine ©äfte."
6päter fat> man ifm bann mit bem jungen 9?upter
in einer ©de fielen, ©r febien 2Bid?tiges mit ihm ju
oerhanbeln.
,,©as ift eine traurige 6ad>e mit bem Konful
bäum," fagte King.
„©ine fef>t traurige Sache."
King tat einen langen gug aus feiner gigarre. „geh
bin fef)t betrübt über bas grofje ltnglüd, benn es ift
eine ausgezeichnete Familie, ber man nichts Unehren-
haftes nachfagen tann. Slud) bet £err Konful ift ein
brauet Sftann. ©in jeber 92tenfd> fann Unglüd hoben."
„geh ftimme ghnen oollfommen bei."
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□
SlopclU t>on 33. §arb.
145
„£s gibt oiele oortcefflidjc Seute in §>eutf<hlanb,
unb id) bin fcot>, bafc id) fo piele portreffUcf)e Sftenfchen
tcnnctt gelernt habe. 2Benn id) aber jagen feil, toer
mir am beften gefallen hat, bann mufe id; betennen:
bas ift bie 5fau ftonful grebebaum unb ihre fd)önc
S'odjter. £abe ich recht, 3Kr. 9tupter?“
^urt o. kupier nidtc eifrig.
„Slusgejeicfmct," fagte $?ing befriebigt. „g<h freue
mich, baf$ ioir bie gleiche SKeinung haben. 28enn ich
jung märe unb ich hätte nicht por oierunbatpanäig
gahren geheiratet, toiffen ©ie, mas id) bann tun mürbe?
§>ann mürbe ich hmgehen ju ber grau $onful grebe-
bautn unb mürbe ju ihr jagen: ,gcf) bitte um bie §anb
ghrer Tochter'. — g<3) glaube ganj getoife, bafe ich fo
tun toiirbc."
9?ut)tcr jah jid> oon bem Slmeritaner immer mehr
in bie Qücfe gebrängt. SBeber rechts noch Hnts tonnte
er ihm austoeid)en. ,,2lf) — i<h oerftehe ganj gut,
toorauf ©ie hmaustoollen," fagte er.
„§>as ift fchr gut. geh brauche alfo nicht fo piele
Söorte ju machen. Qftifj ©ufanne ift nid;t nur ein fchr
f<hönes gräulein, fonbern ein fehr liebes gräulein, fie
hat ein großes unb gutes £erj. 28er fich Fräulein
©ufanne als feine grau in bas £aus holt, ber toirb nicht
betrogen unb toirb fehr glüdlich rnerben.“
„9Rifter S?ing — “
„geh bin ein alter 27lattn unb habe bie 2Belt gefehen,
ich *>arf rnohl einen guten 9tat geben. geh habe gefehen,
bafo bie jungen Männer ben jungen Sabies oiel ©df)önes
unb ©4>meici?elhaftes Jagen, toenn fie toiffen, bie junge
Sabt) hat eine grofce Mitgift, geh habe auch oft gefehen,
bafc bie jungen Scanner roeggegangen finb, toenn bie
gtofje Mitgift nicht mehc ba toar. §>ann toar es auf
einmal mit ber Siebe oorbei. gft bas nicht abfd)eulicf>?“
1U4. XI. io
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146
©ie 28ettc bcs 2lmerifcmers.
□
„3a, bas ift's." S^urt v. 9tupter fal? bem 2lmcri-
tancr fcft in bie 2lugen.
$ing nidte ihm frcunblid) ju. „3d> bin nach §>eutfd>-
lanb getommen, um eine 33rautfd;au ju galten für ben
jungen 2$ompfon in 91ew$ort. 2lber es ift nichts
baraus geworben, unb id) werbe f)inget>en müffen, um
©tjompfon ju jagen: §>ie fcfjöne junge $>ame, an bic
Sie 3t>r $crj oerloren tjaben, ift nod? t>icl frönet als
bas 3$ilb, bas Sie gefeiten t>aben, unb fef>r reich ift fie
aud> Slbet ein großes unb gutes £jcrj f>at fie nid;t,
unb wer fie heiratet, wirb nicht glüdlid) mit ifer werben,
©s würbe mir nun eine grofee ftreube fein, wenn id>
nad? Slmerita juriidfaferen tonnte mit einem guten unb
frönen 2lbfd;>lufe. Söenn icf> fagen tonnte: id> t>abc in
©eutfdjlanb eine wunberfd;i>ne ©efd)id>te erlebt, ©ine
junge Sabp featte alles ©elb oerloren unb mufete in
bas ©lenb hinein unb in bie 2lrmut, aber ba tarn ein
junger braoer 2Itann, ber niefet auf bas ©elb fab, fonbern
auf bas S)erj, ber befielt bas 2Häbd>en aucf> nod? lieb,
als fie gauj arm geworben war, unb ging f>in unb jagte
it?r, bafe fie feine grau werben folle trofebetn. ©>as wäre
ein fcb>r ferner Scfelufe oon meinet SReife nad? $>eutfd;-
lanb. deinen Sie nicht aucf>?"
$urt o. huptet ergriff bie S)anb Swings unb brüdte
fie. „3d; weife, was id) ju tun l>abe."
Unb $ing wufete, bafe er fein 33erfpred>en galten
werbe, bafe er am näcbftcn JHorgen tpngefeen würbe nad>
bem §aufe, über bem bie buntlen Schatten lagen, um
£id?t unb Sonne Ijineinjujaubern.
Norbert o. S)alling fafe bei feiner 23raut auf ber
93eratiba in ber ©artenftrafee 6.
„So reief) bift bu aljo?“ jagte bas 3Räbd;en faft
entfefet, als Norbert ifer unb feinem tünftigen
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Stopelle ron 23. §arb.
147
©d>rpiegerDater feine 93cr|>ältniffe auseinanbergefetjt
l?atte.
„3Bir iDollcn ben 9?eid>tum, beffett Straft bis jetjt
brad) lag, jufammen baju benutzen, um 3*oube ju
Raffen unb £inbcrung ber Dielen 9tot, bie es gibt.
3d? u>eiß, baß bu mir barin jur ©eite fteJ>en tuirft, S?ätt?e.
$>ie 2öelt l;at bie ftreube unb ba5 eMüd fo unenblicl)
nötig. 5>as l?abe id) gelernt bei meiner 2Bette mit
bem Tlmerifaner.“
*
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f ^444444 HtM M O
Podfet ©tcagendelifatefjen.
Bon Ulr. fllyera.
mit $ Öildern. f (!la$dru<f »erboten.)
^^as ©trafcenleben einer ©rofjftabt ift bejeidmenb
für ben ©t)aratter bes Poltes, felbftperftänblicb
aud) abhängig pon SBitterung unb ßlima. ©>ie raube
^Bitterung, bie Spälte, ber 0turm perbieten es bem
Qtorblänber, ben größeren Seil bes 3al>res auf ber
©trafje ju perbringen. 0 ein ©barafter, beffen §aupt-
3 üge 33crfd?Io{fent>eit, ©rnft unb ber SBimfcb, fid> ab-
Sufonbern, finb, hielte itm auch jurüd, tpenn bie tlima-
tifdjen Perbältniffe günftiger mären. ©>et 0 üblänber
bagegen, ben ber tparnte 0 onnenfd>ein unb ber tlare
§itnmel tpäbtcnb bes größten Seils bes 3 al>res 9 «"
rabeju auf bie ©trafce loden, ber bas 93ebütfnis l?at,
ficf> mitjuteilen, feine ©ebanten ausjutaufc^en, ficb
bureb ©efcllfdjaft geiftig anjuregen, ißt, trintt, arbeitet,
politifiert, tanjt unb amüfiert fid? auf ber ©traffe.
©>as lebhafte Polt ber ^^njofen, als beffen Quint-
effenä bie 23erpof>ncrfcf>aft pon Paris gilt, bat eine be-
fonbere Vorliebe für bas Seben auf ber ©trage. 92tan
braucht nur einen einzigen 23lid auf bie ©efd;icf)te grant-
rcidjs aurüdjuroerfen, um fid) bapon 311 überseugen,
bag bie Politit bet ©trafee in Paris mel)t unb größeren
©irtfluß auf bie ©efd;ide fjran!reid;s gehabt bat als
bie gan 3 e fogenannte baba ^Politit. ©>as ©traßenleben
pon Paris mufe man ftubieren, tpenn man Perftänbnis
für bie ©igenart bes ‘parifers befommen tvill.
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□ 93on Ulr. 9Hpers. 1 49
Sn oielen ©roßftäbten gehören ju ben intereffan-
teften (Erlernungen bes ©trafcenlebens bie Hänblet
unb Hänblerinnen mit (Ef$toaren, unb ihnen mollert mir
an bet Sjanb ber beigegebenen Bilber heute unfete Be-
obachtungen toibmen.
Sn ben Slrbeiteroierteln bes nötbüchen Baris, in
ber Bähe bet gentralhalle, aber auch * m fogenannten
lateinifchen Biertel fpielen bie Berfäufer unb Ber-
fäuferinnen oon 0uppen eine aufjerorbentliche Bolle,
©et ftranjofe ift ber größte 0uppeneffet ber B3elt.
©in altes ftanjöfifches 0 prichtoort lautet:
„Soupe le soir, soupe le matin,
C’est l’ordinaire du bon chr6tien.“*)
Unb bie luftige Betfon, bie bei allen Bölfern nach bet
Hauptlicblingsfpeife genannt toirb, bie luftige Betfon,
bie in ©eutfd;lanb „Hans SBurft“, in ^olianb „Bidel-
hering“ unb in (Englanb „Sohn Bull" hei&t, führt in
Srantreich ben 2tamen „Scan Belage", bas heifjt „Hans
0 uppe".
0 uppe ift bie Hauptnahrung oon Millionen S*an-
jofen, oon £aufenben oon Barifern, unb auch ber
franjöfifche 0 olbat ift jahraus jahrein mit feiner Biit-
tagfuppe als Hauptnahrungsmittel bes $ages 51 t-
frieben. Slllerbings, ber Stanjofe oerlangt in ber 0 uppe
auch ein 0 tüdd)en Sleifcf?, er oerlangt ein roenig SButjel-
Eräuter, ©emüfe unb (Einlage, feien es Hülfenfrüchte
ober (EierfabriEate. ©ie franjbfifche 0uppe ift alfo ein
ebenfo fehmaethaftes toie fräftiges (Effen; benn ju Jochen
toiffen bie fttansofen, unb bie Batifer ^ocfjEunft hat
einen 2Mtruf in mannigfacher Beziehung, auch in ber,
bafj fie es oortrefflid) oerfteht, aus unfeheinbaren Übet-
*) „6uppc am 2lbenb, ßuppe am borgen,
©afftr foll ber gute ©hrift ftete forgen.“
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150 Parifer 6trafecnt>di!atef|cn. O
reften f>öd>ft wohlfchmedenbe Suppen unb Ragouts
tjerjufteUen.
©ec ©ingeweihte behauptet fogat, baß bie Parifer
Kochfunft grofc batin fei, bie S-jerfunft ber 93 eftanbteilc,
aus benen gewiffe Speifen subereitet finb, 3U oer-
fcbleiern. 28 as in ben jafjllofen ©arfüchen bet ärmeren
Parifer Stabtoicrtel, u>ie aud) bei ben fjänblern, bie
auf ber Strafe ihre Mdje aufgefd>lagen (>abcn, oet-
fauft wirb, ift ftets wohlfcfmiccf enb ; nur barf man nicht
forfefjen, woraus es beftebt.
©s mu| aüerbings jugeftanben werben, bafj bie
Parifer “polijei eine fet>r fd>arfe, für fjänbletinnen unb
fjänblcr fef>t unangenehme Kontrolle gerabe in allen
©arfüchen unb auf ber Strafte bei allen Leuten aus-
übt, bie Qtahrungsmittel 311 fofortigem 23 er 3 ef>r oer-
faufen. ©iefe ambulanten Snfpeftoren, bie oon ber
Stabt ‘Paris angeftellt finb, forgen nid;t nur bafür, baft
bie Speifen unoerborben finb, fie reoibieren auch bie
©efäfte, in benen bie Speifen aufbewahrt werben, auf
bas allecgcnauefte unb finb berechtigt, jebes ©efäft, an
bem fid> auch nur Don auften ber geringftc 9 lnfaft oon
©rünfpan seigt, alsbalb 31» befchlagnahmen.
Plan fann troftbem annehmen, baft bie Straften-
hänbler, bie warmes ©ffen oerfaufen, niemals frifches
Material ba3U oerwenben. Paris ift bie Stabt, in ber
fein Sl.bfall perloren geht, ©ie fd;muftigfte Protrinbe
finbet nod; Pcrwenbung, inbem man fie 3U Pulper
brennt unb letzteres als Bahnpuftmittel oerwenbet. ©s
ift ein befonbeces ©efchäft unb ein ©rwerbs3weig für
oiele Unternehmer, in ben befferen Parifer Peftaurants
bie übrig gebliebenen Pefte oon 5leifd>, ffifd;, SBurft,
©emüfe, Kartoffeln, Prot aufsufaufen. ©ie beften
Sachen gehen an bie Heineren ©afthäufer, um bort falt
ober aufgewärmt oerbraucht 31t werben, ©ie miuber
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93on lUc. SHpers.
151
guten Hbcrrefte gehen an i>ic ©arfüd>en unb an bie
0trafcenl>änbler.
©ie 0uppenl)änblcrin ba an bec ©trafcenede, bc-
fonbers in ber Otähe bec 3cntrall>aUen, in benen jict)
bie gefamte 33erprooiantierung oon ^Paris oolljieht,
bat fehr faubere jplinbrifche 33led>eimer aus 8int ober
OJkffingbled; t>or ficf>, bie oon 9?einlicf)feit unb 0auber-
feit nur fo blitjen. 0ie finb mit ©edeln oerfd)loffen,
unb alle, bie jur Ausgabe fertig finb, ftef>en auf Meinen
eiferneu llitterfä^en, bie mit §oljfohle gefüllt finb.
©ie mit fct>r fauberer 0d)ürje unb fauberer Reibung
oerfehene S)änblerin, bie aud) ein fauberes meines S)äub-
d;en trägt, bat neben ficf> einen ©ifd) ober eine Stifte,
auf bie bie bols aufgcftellt finb, bas f)ei&t t^albtugel-
förmige runbe Porjellannäpfe, aus benen ber gran-
jofe nicht nur feine 0uppe, fonbern aud) feinen Kaffee
ju fid) nimmt; baju einige fauber gepulte £öffel.
28er fid) feine ©ebanfen barüber mad>t, rooher bas
Material ftammt, aus bem bie 0uppe Ijergeftellt ift,
erftaunt toirflid), toenn er für 10 Centimes, bas Reifet
alfo für 8 Pfennig, einen folgen bol mit 0uppe, unb
ju biefec ein anfet)nlid;es 0tüd guten ftleifd;es unb
fonftige Cinlage erhält, ©ec ©arfod; auf offener
0trafje bietet ganje ©eilet ooll Otinbfleifcf), SMbfleifch,
f^ifd), 2Burft, ©emüfe, Ragout für ben auf$erorbentlid>
billigen preis oon 25 bis 40 Centimes, bas Reifet oon
20 bis 32 Pfennig aus. ©as Cffen ift gut unb fdjjmacf-
t>aft unb fättigt felbft einen ftarfen 2lppetit. $üt ben
ärmeren ©eil ber 53coölferung finb biefe öffentlichen
©atfüchen gerabeju eine SBohltat unb ein 0egen, unb
in ben 8entrall;allen, in beren Oläbe bie meiften biefec
©arfüdien näcbft ben 2lrbeitcroiertcln ju finben finb,
nehmen aud) fct>r gut gefleibetc Petfonen ftehenb
eine OUahläeit beim ©arfod) für 20 bis 30 Pfennig ju
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152 'parifer ©trajjenbelilatcffen. D
fich. 9Han behauptet in ^aris, cs feien bas fieute, bie
„es eigentlich gar nicht nötig hatten".
93tan tann aber auch fd>° n für 10 Centimes, alfo
für 8 Pfennig, eine ganz achtbare Portion oon
ftleifch, ftifch, ©ernüfe unb fogat noch ein ©tüdchen
93rot baju erhalten, toenn man (ich mit ben geringften
©peifereften begnügt, bie toohl an ber ©renje bes ©e-
niefjbaren ftehen, aber hoch nicht gefunbheitsfcbäblich
finb. ©old>es 3Hahl betommt man aber nicht auf einem
Seiler, fonbetn ber ©artod) fd>üttet es oom Seiler in
eine ^apiertüte, aus ber man es effen mufj. 2luf bem
971artt ber ^arlctine in ber 9tähe ber Sentralmartt-
halle tann man aus ber ^Japiertüte bei ben ©trafjen-
gartöchen gelochtes 9tinbflcifch unb Kalbsbraten, ftifch,
SDurft, ©ebäd, immer alles jufammen in einer Süte,
fchon für 8 Pfennig fo reichlich erhalten, baf$ man
baoon fatt toirb.
©>er boudin ift eine Söurft allerniebrigften langes.
2lucf> in ©eutfchlanb haben mir folcf) geringe Qualität
oon SBürften, oon ber man nach bem 33oltsu>ih „für
fünf Pfennig bteimal um ben £eib herum" erhält.
2luf unferem 93ilb ©. 153 fehen roir eine 33ertäuferin,
bie im begriff ift, oon einer enblofen Söurft, eben bem
boudin, ein ©tücf für 1 ©ou, alfo für 4 Pfennig,
abjufchneiben. ©iefer boudin ift ein ©>arm, ber mit
93lut unb gehabten Tripes geftopft ift. ©>amit be-
zeichnet bet ^ranjofe bas, toas mir in ©>eutf<hlanb
„$led" ober „Olinberfalbauncn" nennen, ©s finb
SHagen unb ©ingetoeibe bes Olinbes, bie roir ja
auch ‘ n ^eutfchlanb in ©uppenform ober mit einer
rpeterfilienfofje effen. Qn lociten Kteifen gilt ja ber
$lcd (Königsberger ober Kuttelfled für eine
$>clitateffe.
©s gibt ©trafjenhänbler unb zahlreiche ©artöche in
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93ou Ult. OTpecs.
153
^aris, bie bieje 9ttnbertalbaunen in oerfchiebenen
formen als eitrigen £anbelsartilel führen.
2luf untenftehenbem 93ilb fc^cn wir jur Rechten bet
Sinen halben 9Itetct 23urft für 2 Sous.
93erfäuferin auf einem 5afe noch eine 6 d)üffel ftehen.
6 ie enthält 6 auerfraut, bas befanntlid) auch bet ftran-
jofe feht gern iftt, obwohl er fich berechtigt glaubt, über
ben ©eutfehen alö „Gauerfrautfreffer“ 311 fpotten. gür
154 Reifer ©trafeen&ditateffen. D
Pommes fritcs-fttidH’.
4 Pfennig boudin unb füc 4 Pfennig 6auerfraut gibt
ein ad)tbares (Sffen für ben, bet nid)t mehr für ein
Mittagsmahl auftuenben tann.
(Sine franjöfifche (Srfinbung, bie fid; bei uns in ben
lebten fahren aud? eingebürgert hat, finb bie Pommes
frites, bie in ftett gefchmorten Kartoffeln. Unfer 33ilb
93on lllr. OTpers.
155
©. 154 jeigt uns eine S?üd>c 1 >alb in einem Hausflur,
t?alb auf ber ©trafce, wo bie Köchin auf einem eifernen
Ofen ununterbrochen bie beliebte ©peife herftellt. §>as
weifte ©efäft, bas auf bem Ofen ftet)t, ift beftänbig mit
fochenbent $ett gefüllt, ©roftc, recht mehlige Kar-
toffeln werben rol; gefchält unb freitj unb quer ge-
fehnitten, fo baft ungefähr bleiftiftbicfe, je nach ber ©röfte
ber Kartoffeln bis 511 5 Sentimeter lange ©dmitte
entftehen. Oiefe werben in bas $ett geworfen unb
finten fofort unter. 21achbem bie Kartoffelfchnitte fid;
mit ftettoollgefogen haben unb burch bie $)it$e gefchmort
finb, fteigen fie an bie Oberfläd;e bes fettes empor,
werben mit einem ©djöpflöffel abgehoben, rafch mit
etwas ©alj beftreut, unb bilben bann ein in ^aris unb
auch in anberen franjöfifchcn ©täbten aufterorbentlid)
beliebtes ©ffen, oon bem man eine Portion ebenfalls
fd>on für 4 Pfennig erhält. 58oher bas $ett ftammt,
in bem bieje Pommes frites gefoebt werben, banad;
wollen wir liebet nicht forfd;en. 93tan erjählt fid? un-
geheuerliche ©efd>id>tcn übet feinen Xlrfprung, bie wir
hier nicht wicbergeben wollen, um Seferinnen unb
Sefern nicht ben 2lppetit ju oerberben. Hoffen wir,
baft bie untcrfud>enben Beamten bas ihrige tun, um
gar 311 fchlimme Oinge aud; bei ber Herstellung biefer
OelU'ateffe ju oerhinbern.
Oie Kaffechänblerinnen ber Strafe finb eigentlich
nur in ben SKorgenftunben, unb jwar fchon jwifchen
4 bis 8 Uhr fowoljl in ber 91äf)e oon ^abrifen unb
anberen großen ©tabliffements, wo oiele Sichertet oor-
überfommen, wie an ben ©eineufetn, wo bas 53e- unb
©ntlaben ber ©d>iffe ftattfinbet, unb enblich in ben
3entralmarfthallen unb in ber Stähe berfelben 3U finben,
weil gerabe tuet an letzterer ©teile in ber Seit oon 4
bis 8 W;r morgens ein ungeheures Sehen unb ©reiben
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1 56 'parifet Strafoenbelitatcffen.
□
herrfd;t. 53efonbers toemt bet Morgen frijeh ift, tut
ein bol, gefüllt mit feigem Mild;faffee, aufeerorbentlich
toohl. ©er Kaffee toirb immer gleich mit ber Milch per-
mifd)t gereid?t unb auch mit ber Mild) jufammen ge-
tobt. Selbft in ben oomehmften ^Parifet ©afes be-
tommt man ben Müchtaffee gleich mit bet Milch ju-
fammengegoffen, rnopor fief) namentlich ber ©eutfehe
juerft entfett.
Über ben Hrfprung bes Kaffees, ber pon ben £änb-
lerinnen permenbet toirb, 9tad)forfd?ungen anjuftcllen,
empfiehlt fich ebenfalls nicht. ©ie ^affeeoetfälfcher
gebeihen nitgenbs fo gut toic in ^Jaris. ©eröftete Mohr-
rüben, ©erfte, ©id>eht fpielen bei biefetn Kaffee bie
größte 9tolle. Slbet bie $)auptfache ift: er ift heife, toeifj
unb füfj; benn biefc ©igenfehaften, bie man auch in
manchen beutfehen ©egenben Pom Kaffee perlangt,
liebt ber ^arifet por allem.
©ie geröfteten S^aftanien, bie auf bet ^arifer Strafe
pertauft toerben, finb ja auch uns mohlbctannt. ©ie
fogenannten Maronenbrater finb pon Italien über
Öfterreich felbft bis nach 9Jorbbeutfchlanb gefommen,
too fie roenigftens im SBinter an ben Straf$enecfen ihren
Stanb auffchlagen unb jur 2lbenb- unb 9tachtjeit piele
Käufer auch in ©eutfdjlanb finben.
©agegen finb ein fehr beliebtes ^3arifer Spcjial-
gericht, bas man nur hier f inbet, bie Crepes (S. 157). ©s
finb bies ftets toarm unb frifch jubercitete ©icrtuchen,
‘iPfanntuchen ober Schmarren. Sie finb fehr begehrt,
toerben pon jung unb alt mögüchft hcif$ gegeffen, toften
10 bis 15 ©entimes, unb toenn man ein Sd;lemmer
ift, tann man fie auch mit 8ucfer beftreut ober mit
ettpas füfjem ftruchtfaft übergoffen erhalten. 0u feiner
hinten h<ü ber ©artoch, ber bie Crepes auf unferem
23ilbe anfertigt, ein fogenanntes ©lüdsrab. ©s ift aber
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93on Ult. SRpcrs.
157
mit ben (Eiertucben nidjt etu>a eine Sotterie oerbunben.
5>iefe8 ©lücfscab ift nur ein Slnloctungsmittel. ©8 jeigt
Sailen an: erftens bie bet ©iecfudjen, bie bec
fjänbler an bem betreffenben £age fd>on pertauft f>at,
bann aber tann ber Käufer ficf? aud> bas Vergnügen
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^rifebe ‘pfemnfueben.
158
^3arifec ©traßenbdifateffen.
machen, burd? bas ©lüdscab beftimmen ju laffen, tote
oiele (Sierfud;en et perjehten barf.
(Sine ed>t franjofifc^e 6traf}enbelifateffe ift bie Stuftet.
' Google
Stuf Dbcnftc^enbem 33ilb feigen toit einen fold>en öffent-
lichen „Slufternfalon", toenn toir ben S3er!aufsftanb mit
biefem hoditrabenben Hainen belegen toollen. $ranl-
Stufternfalon auf bet Strafe.
93pii Ulr. OTpecs.
159
rcicf> t)at fet)t Diel Stufte, unb bie ftifdjetei müfote alfo
eigentlich) aufeerorbentlicb gebeten. 2lbet bic Scutc
t>aben ced?t, bic behaupten, ber ffranjofe fyabe feine
Neigung jurn 6eea>a}fet; ec ift rocbcc ein guter ©griffet
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^rijebe ©cbnedenl
160
'parifer Strafeenbclilateffcn.
nocf> ein guter ftifcfjer, unb es ift bejeiefmenb, bafj jum
23eifpiel jtpei drittel aller Tluftcrn unb OTufdjeln, bie
in “-Paris Derart tuerben, nid>t aus ben franjöfifcfjen
©etpäffern, fonbern aus 23elgien tommen. 3a, ^aris
§onig aus ben ©ogefen.
bejieljt fogar einen großen £eil jeinet 6eefifd>e aus
©nglanb unb $>eutfd>lanb. §>ie Slujtern rnerben beim
6trafeenpertauf fofort geöffnet unb gegeffen, unb ber
“preis beträgt je nad) ber Qualität 16 bis 75 Pfennig
für bas 5>u^enb. Stuf biefe 53ertaufsftänbc pon Sluftern
rid>tenbieunterfud)enben93eamtenit)r£auptaugenmert;
benn betanntlid) finb oerborbene Sluftern im l)öd>ften
©tabe giftig.
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93on Ult. SHpers.
161
©ie Scfjätje bes 9Heeres in gelobtem, gebratenem,
geräubertem, mariniertem 3uftanbe »erben ebenfalls
auf ben Strafen oon ^atis oertauft. Xlnfer 23ilb
6. 159 jeigt uns eine 93er!äufetin, bie allerlei $ijb*
»aren geräubert unb mariniert, Krabben, Safbenfrebje,
Hummern unb felbft Sanguften feil l)ält. §>ie ijänb-
lerin I?at aber aub Vigneaux, bas Reifet 28einberg-
fbneden, »ie man fie in gebratenem Suftonbe ja aub
©rofees Stufclager.
in 6iibbeutfbl<rnb jo gern ifot, unb »it jeben auf bem
^lafat bas ©utjenb mit 60 Centimes (48 Pfennig) aus-
gejeibnet.
$>er £anbel mit £onig blüt)t ebenfalls auf ber
1911. XI. 11
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162 Raufer Straftenbelifateffen. □
^Parifcc «Strafte (S. 160). 21ls bei befte £onig gilt ber
aus ben 33ogefen, le miel des Vosges. Unter biefem
*
Jrifcb t>om {Jaft.
kanten toirb natürlich aud) „§onig" oertauft, ber nie-
mals einen 33ienenftocf gefeiten l>at, fonbern aus Sirup
t?ergcftellt u>orben ift.
Sinen 33erfäufer mit eyotifdjen “^robutten, einen
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163
□ 93on Ulc. SHpers.
tleinen jungen, bet fiel? auf biefe SBeife fd)ort feinen
Lebensunterhalt perbient, geigt unfer 53ilb 6. 161. Crr
hat ohne weiteres auf bem 33ürgerfteig fein SBatcnlager
aufgef«ä>lagen. ®s ift ber 93ertäufer pon „Cacahouettes“,
einem Slrtitel, ber auch bei uns, wenn aud) unter tpeniger
ftolgllingenbem tarnen, betannt ift. (Es finb bie fo-
genannten ameritanifchen Nüffe, bie auch in §>cutfch-
lanb in jebem Kolonialroarenlaben gu hüben finb, unb
aus beren Kern man ein beliebtes Nufjöl preßt.
3n getpiffem 6inne gu ben $)änblern mit 6traf$en-
belifateffen gehören noch 93cfi^er ber Siegen, bie
gu beftimmten £agcsgeiten mit ihren Vieren in ben
Strafen umhergiehen unb burd; eigentümliche Nufe
Käufer unb Käuferinnen peranlaffen, mit ben ©efäfjen,
in benen fie bie Nlilch h°kn sollen, auf bie «Strafe gu
tommen. (£s toirb bann bie 2ftild> ber Siegen unmittelbar
in bas ©efäfj gemolten, benn Käuferinnen unb Käufer
finb mifetrauifch, unb bei ber allgemeinen 93erfälfchungs-
ujut ber Nahrungsmittel wollen fie fich bapon über-
geugen, bafg amtlich bie Nlilch oh«« Mmu>ege aus bem
®uter ber Siege tommt. Siegenmild; gilt für befon-
bers nahrhaft unb wirb in ^Paris gut Ernährung ber
Kinbet gern pera>enbet.
^ebenfalls tann man in ^aris bas gange Saht hin-
burch auf ber 6traf$e „binieren“ unb „foupieren“ unb
billig noch obenbrein.
Oie junge fiommondeufe.
«Erjäljtung oon $orft 6odemer.
1
(Ua<f)6ru<f »erbeten.)
^^as ftelbartillerieregiment in ber etma jmanjig-
taufcnb ©inmofmer jätüenben S?reisftabt fjatte
einen neuen S?ommanbeur befommen, ben Oberft-
leutnant ^allboom. ©t mar eeft bteiunboiecjig, ein
„Springer“, eine grofje Hoffnung bes ©eneralftabs-
d;cfs ber Strmee. Orei ftatne früher als feine $ame-
raben mar ec $)auptmann gemorben, aucf> als 9Hajor
mar et übet eine ganje 2lnjat)l oon 93orbcrleuten l)in-
meggefetjt. Bu>ei Bafjre mürbe er maf>rfc()einlicf> nur
bas Regiment führen, bann mieber in ben ©eneralftab
5 urüdtretcn, als ©cncralftabsdjef eines Slrmeeforps;
nad) menfcf)lid;cm ©rmeffen mar er in ctroa jmölf
Sauren fommanbierenber ©eneral. ©tofe unb Ijager r
mar ber Oberftleutnant §allboom, bas fcfmtale, bleiche
©ejidjt trug er glattrafiert, bte Sibet lagen meiftens
tief auf ben grauen Stugen, bie fdjmalen Sippen fjielt
er äufamtnengeprefjt, oon ben SHunbrnintcln liefen
fefjarfe Büge quer t>erab; fie meißelten bas breite, ener-
gifdje $inn heraus.
©r führte bas Regiment mit ruhiger ©elaffenf>eit.
Qtiemanb betam oon if>m ein grobes SBort ju Ijören.
2lber er fal? alles. Söenn er über ben ©pcrjierplatj ritt
auf feinem fmfjen, bilbfmbfcfjcn ©olbfucj>s, ben Ober-
törper leicf>t oorgeneigt, ben 9?cgimentsabjutanten, ben
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□
Srjäfclung »cm Horft 23oi>emer.
165
Oberleutnant p. SBabern neben fid ), fpraef) ec taum
ein SBort. §öd)ftens rief er einem 23atteried)ef ju,
ber melben tpollte: „5$itte ficf> nicf>t ftören zu laffen,
Herr ^auptmann." 2lber alle roufeten fef)t balb: bem
entgeht nichts!
groei 9üonate pot bem Süanöper fjatte er bas Regi-
ment befommen, bie 33eficf>tigungen unb bie grofee
Gdjiefeübung toaren fcf)on getoefen, jefet tpurbe piel
^elbbienft geübt. Hnb biefe Übungen perftanb ber
S^ommanbeur fef>r intereffant ju geftalten. 2tun ja,
er tpar ja einer aus ber „großen ©eneralftabsbube“.
ünb biefer ruhige 9üann, ber fid> aucl) als SKilitär-
fcfjriftftellec fcf>on einen fefjt angefefcenen 9Tamen ge-
macht f>atte, tpar mit einer fünfzehn 3af)re jüngeren,
lebenfprüf>enben, bilbt?übfd?en fjrau perfjeiratet, bie
fid> aber aud) gar nid)t auf bie tPürbige 5?ommanbeufe
auffpielte. 9üittelgrofe tpar fie, Polles, taftanienbeaunes
Haar tränte ein fdjmales $öpfd>en, gefunbes, aber
Zartes 9tot lag auf ben SDangen, ber 9üunb mit ben
fd)öngefcf>tpungenen, ettpas Pollen Sippen lad)te gern,
aber bas 6d>önfte an if)c tparen bie großen, peilcfjen-
blauen 9lugen. ©em Gport tpar ^rau ^allboom leiben-
fdjaftlid) ergeben, fie ritt gern, freute fiel) immer, tpentt
fie eine S^apaltabe pon jungen Offizieren um fid) t>atte,
einige ©amen fd)loffen fid? gern an. 9üeift tpurbe ein
Slusflug nacf) ber ,,©almüt)le", bie mitten in ben meilen-
tpeiten 9Bälbern lag, perabrebet, bort gab's 9üilcf> unb
gelles 93ier, Gdpinten, ©iet unb 6d;tparzbrot. Unter
breitäftigen Sinben fafe man auf Holzbauten, an nieb-
rigen £ifcf>en ol)ne £ifcl)tu4>, unb liefe es ficf> gut fcfjmet-
ten. ©et Heine Seutnant 9tofer griff bann zu feiner
mit bunten 93änbern perzierten Saute, man fang ben
93ollntonb an, ein paar fdnpermütige 93oltslieber
* burften aud) nid)t fehlen, — turz, man amüfierte fief)
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166 5>ie junge f?ommant»cufe. □
töjtlid). Oft tarn 311 m Slbenbejjen auch bet S^omman-
beur mit ein paar älteren Herren unb ©amen heraus-
gefahren, ein nachfidrtiges £äd>eln um ben 97Umb jafe
er ba, rebete mit allen ein paar oerbinblidre 3Borte, oer-
gafe auch ben jüngften Oad>s babei nicht, unb bann
ging's tmeber heimroärts.
2Zatürlid? oergötterten bie jungen Offiziere ihre
ftommanbeufe. 3m S^afino tarn bas ©ejpräch jel;r oft
auf jie.
„Unb biefe reijenbe grau t>at feine S?inberl ftam-
merfchabe !“
Oa jagte bet lange SBabern, ber 9tegimentsabju-
tant: „Oie ftellen toir oor, benn toie bie uns bemuttert,
bas ift ja gar nicht 311 übertreffen!"
©in paar ladrten, anbere machten ein namentliches
©ejicht. Oer eine unb ber anbere jchiclte heimlich nach
SBabern l;in.
Oer jafe mit übereinanbergefd;lagencn 93einen in
einem Sebetjejjel unb fair nach ber 2 Banb, an ber bie
23ilber aller ^ommanbeute bes Regiments gingen, ©r
toat ettoa jo alt toie bie S^ommanbeuje; ein jtarfer,
bunfler, rechtecfoerjdmittener @dmurrbart 3 ierte jeine
Oberlippe, bie 2lblernaje jprang jefrarf aus bem ©ejid>t,
eine leidste gälte 30 g jid> oon ber 9 tajentour 3 cl quer über
bie frolre, edige ©tim. ©r toohnte braunen oor ber
©tabt in einem fleinen Räuschen, an bem ein $Balbbad)
oorbeitrüpfte. Oen tratte er an bem ©arten, ber 3 U
bem Räuschen gehörte, in bem aufeer ihm nur ein alter
3 inunermann mit jeiner grau toohnte, oertiefen lajjen;
eine 93retterbube ermöglichte es itrm bis in ben fpäten
$)erbjt hinein jeben borgen in bas falte SSajjer 311
jpringen. Oer 33urjd>e jtanb bereit mit bem großen
33abetud), tüchtig liefe er fich oon ihm abreiben, früh'
jtücfte bann, toährenb ber 33utfche ein junges ^ferb
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O Srjäfclung t>ou J>or[t SJobemer. 167
fältelte, bas SBabern jucitt. ©as falte 23ab unb ein
rohes < jpfert> gehörten 3 U feinem £eben.
es toar in bet £at fo, bie junge $?ommanbeufe „be-
mutterte" ihre Leutnante. ©ie tpufjte, baf$ fid> ein
paar ältere Offiziere unb ihre tarnen barüber auf-
vielten, auch einige Honoratioren bet Stabt mochten
it>r 93enehmen „fonberbar" finben, aber es ftörte fie
nicl;t, folange ihr Sftatm bamit einoerftanben toar. Xlnb
ber hatte gar nichts bagegen einautoenben. ©er fajj
oiel über feinen triegsgefchichtlichen ©tubien, Slrtifel
aus feiner ftebet erfchienen oft im Sttilitäripochenblatt,
bet tommanbierenbe ©eneral bes Slrmeetorps hatte ihn
aufjerbem erfucht, im SDinter einen 33ortrag über ben
93attantrieg 311 halten, ben er natürlich aus eigenem
Antriebe genau »erfolgt hatte, ©eine grau ftörte ihn
nicht in feiner Arbeit, fie tourte, bafj es ihm feht un-
angenehm a>ar. ©er Haushalt ging roie am ©chnürchen,
aber fchliefjlid) füllt ber bas £cben teiner geiftig regen
grau aus. Mochte fie fich alfo mit ber Sugenb amü-
fieren.
Oft fam fie !urj por bem Slbenbbrot im 91eitrocf
ober Sennistoftüm in fein 2 lrbeits 3 >mmet geftürmt unb
hing fid; noch glüt>enb porn Stttt ober bem ©piel an
feinen Hals.
,.921anni, ich hab' bie ganje ©efellfchaft aum Slbenb-
brot eingelaben. Silles fd>on erlebigt, neun ^erfonen
finb toir, es gibt Seber mit 23rat?artoffcln, breimal rpirb
'rumgereicht, bann S^äfe unb Obft l ©aurer SKofel baau
unb nachher 93ierl“
Hallboom fah bann lächelnb feine junge grau an,
nahm ihren S^opf in feine beiben fchmalcn Hänbe, gab
ihr einen S^ufj unb fagte: „Sieh bid) rafd; um, id; geh'
einfttoeüen au unferen ©äften!"
©inige rparen gleich mitgefommen, bie anberen
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168 ©ie junge ßommanbeufe. □
(teilten fich nach unb nach ein. Ss maren nic|>t nur Sin-
gehörige bes Regiments, auch junge Herren unb
©amen com Siril. ©er Obecftleutnant mar ein amü-
(anter “-piauberer, ihm tat biefes „Slusfpannen", mie
er es nannte, (et>r gut, fröt)li4> fafs man bei Sifch unb
(tanb auch nicht gleich auf, nachbem bas Obft gereicht
morben mar.
©a begann bie „Arbeit" ber jungen Kommanbeufe.
Silit fabelhafter ©efd>minbigfeit («halte fie 93irnen unb
Gipfel, unb jebes befam ein paar Scheiben ab. £achenb
fagte jie bann: ,,©as oerfteh' id;! 93in hoch oom Sanbel
Fimmel, menn id> für jeben Slpfcl unb jebe 93irne, bie
ich m meinem Seben fchon gefchält hübe, eine SHart
betäme, mie reid) mär' ich bann!"
2Um, fie perfügte auch (o über einen ftrammen ©elb-
beutel. 3h r 53uter mar ein betannter Saatgutjüchter
in ber ^ropinj Sachfen. Hnb als ©ntfchulbigung für
ihren „freien 33crfehr" führte man gern an, bafj (ie
eben in bie ftäbtifchen 23erhältniffe noch recht „lönbliche
Slnfichten“ mitgebracht hätte.
Schob man (ich enblich, perabfehiebete (ich ber Oberft-
leutnant einftmeilen pon feinen ©äften unb fehlte in
fein Slrbeitsjimmer 5 utüd.
Seine grau aber hob ben Sdgefinger ber rechten
$anb hoch unb machte grofje Slugen. „get^t gehen mir
'rüber in mein Königreich. ®o ftören mir meinen SItann
nicht, fpielen Söettrennen unb lachen herjhoft baju!"
Sin SBettrennfpiel aus ^appe, mie es Kinbcr be-
fihen, mürbe auf ben £ifd> gelegt, jeber betam einen
Leiter aus 93lei, jeber burfte fo meit porrüden, als er
klugen mit jmei SSürfeln gemorfen hotte, unb tarn er
babei auf ein Sjinbernis, fo mujjte er pon potn anfangen,
ba mar er „geftürjt". Hnb „ftürjen" mar ber SBitj.
©ie ^Beteiligung foftete jmanjig Pfennig Sinfatj, bie
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□ Srjäblung t>on £prjt 23obemer. 169
als 5 tt>ci ober brei greife für bic juerft ©infommenben
oerwenbet würben.
©em „ßchlujjringen" fah gewöhnlich ber ftomman-
beur ju, unb bei folget ©elegenheit tonnte ec tjerj^aft
lachen, benn an jebem „©pielabenb“ würben neue
„Schifanen“ ausgefnobelt, bic fchnell noch einen ,,©e-
nidbruch" brachten, wenn einer bacfjte, er hätte bas
kennen fcf>on in ber £afd)e.
©et einzige, mit bem ber SSommanbeur öfters ein-
mal übet feine ftrau fprach, war fein Slbjutant SBabern.
©er blieb ja öfters auch einmal 511 m £ee am Vachmittag
ba, wenn er nod> mit widrigen Hntcrfdjriften tarn.
einmal Jagte et ju ihm: „$ch füt?lc bas 'raus,
manche in ber ©tabt unb wohl auch * m Offisierfotps
finb nicht recht einoerftanben mit bem Verhalten meiner
^rau. Slber ich hoh' nichts bagegen. ©ie foll fich amü-
fieren. Zlnb gibt es etwas ^armloferes als bie Veit-
partien unb bie ©pielabenbe bei mir? 3 <h glaube auch,
bie jungen Herren fahren nicht mehr fo oft nach ous-
wärts als früher. 9Hein Vorgänger glaubte mich barauf
aufmertfam machen ju müffen, bafc einige es öfter
täten als ihrem ©elbbeutel bienlich fei. 3 <h hohe aber
bie Vamen wieber oergeffen!"
SBabern hotte hie £onb ftumm an bie Vtühe gelegt
unb fich uerneigt. Söufjte ber Oberftleutnant, bafj man
„rebete“, um fo beffer, fonft hätte er am ©nbe bie Ver-
pflichtung gehabt, gelegentlich oon bem ©erebe Rei-
bung ju machen.
©rnft fuhr ber Äommanbeur fort: „kleine $rau
ift ein oiel innerlicherer 92knf<h, als wohl allgemein ge-
glaubt wirb, ©iefes ©ud>en nach hormlofet Betreu-
ung ift ein harter Stampf, lieber SÖabcrn l 28eil ihr an-
fcheinenb S^inber oerfagt bleiben werben, ©s ift ein
Vetäuben. llnb foll ich ho mit harter £anb eingreifen?
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170
5>ie junge Rommanbeuje.
$8 märe bas Oörichteftc, mas tcf> tun tonnte. 2tad; unb
nad) tommt ber 2lusglci<h fd>on !" Oas breite $inn bes
Oberftleutnants rutfchte oor, hart tarnen ihm jetjt bie
2Borte aus bcm SHunbe. „Zlnb ben 2lusgleich mufo fie
finbcn, folange ich f>icc bas Regiment füt>ce. Ocnn
mahrfcheinlid; roerbe ich fpätec micber ©eneralftäbler,
ba gehöre ich nid;t mehr 311 einer großen Familie, mic
es ein richtig geführtes Regiment bod> jein joll, bann
ift meine $tau t>iel mehr auf mich angemiefen als
jeijt !"
^allboom ftredte feinem 2lbjutantcn bie §anb t)in
unb nidte ihm freunblicf) 311. Hnb biefes Süden follte
fagen: 2Dit beibe, mir oerftehen uns fd>on. Unb roenn
bumme Plappermäuler losreben, bann tritt bu für uns
ein. Oaftooll mirft bu ben §errfd>aften fchon bie höheren
f^lötentöne beibringen, benn bu bift ein tluger S^opf.
2Babern toar bie 9 *öte ins ©eficht geftiegen. §er3-
haft hatte et bie S)anb feines ^ommanbeurs gebrüdt.
2Bat ber ein grofoügiget ©belmenfd)! Unb auf bie
llnterrebung mar eine fd>laflofe Stacht gefolgt, unb t?art
t?atte er fein noch halbrohes Pferb am nächften borgen
angefafjt.
Oer Oberftleutnant hatte feiner ftrau gegenüber
SBabern öfters gelobt. ®r mar mirflich ein fet>r tüch-
tiger unb umfid)tiger Slbjutant. „Stcite bod; öfters
mit SBabern. 28 er follte ba etmas aussufehen haben?
Oer Pferbeburfd;e ift hoch immer in beinet 93 egleitung.
Sftir brennt jetjt meine 2 lrbeit feht auf bie Stägel, in
oiersehn £agen beginnen bie Sflanöocr, bis bal;in möd;te
ich 3 U einem gemiffen Stbjchluft getommen fein, benn
fonft ocrliere ich manchen f^aben, menn ich mich fpätec
mieber hmfetje."
„2Benn bu meinft — "
„3ch merbe fclbft mit 2Babern fprechen. ©at fein
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□ ®rjäJ>lung oon §orft 25obemer. 171
gtoeifel, bafc er fid> bic gern 311t Verfügung ftellt. 23 iel
f>at er jeijt fotoiefo nicht 31t tun."
2(15 bet ^ommanbeur 2 Babern bic 33 itte oortrug,
banttc ber für bas in ihn gefegte Vertrauen, aber fonber-
lict) n>ot>I toar if)m babei nid)t jumute. @r füllte, man
toürbc balb barüber teben, baß ihn bie junge S?omman-
beufe fichtlid) ausjeidjnete. ©afj er fid) immer freute,
wenn er mit ber jungen S^ommanbeufe allein fein burfte,
bas — es u>ar ja menfd)lid> oerftänblid), aber ein fatales
©efül)l mürbe er nid)t los.
2ld) toas, er t?atte bod) Energie im £eibe l ltnb ba-
mit (ein bummes ©efchtoäh auftam, fuhr er im S?afino
fort: „Übrigens füt>lt fid) unfer 9 Rutterchen ehoas an-
gegriffen. ©er §err Oberftleutnant, ber mitten in
einer 2 lbhanblung über ben 23 altantrieg ftedt, möd;te
bie 2lrbeit gern oor betn 221anöoer ju < 5 nbe bringen, ba
t>at er mich gebeten, mit feiner ftratt ©emaljlin täglid;
eine 0tunbe allein ausjureiten. 6ie foll nicht oiel
fpredjen. 3d> halte cs für meine Pflicht, bas Sfmen
51t fagen, bamit 6ie unterrichtet finb."
deiner entgegnete ein 2Bort, aber oiele fchielten
toieber heimlich nach SBabern h*n.
©äglich gegen oier lU)t ritt oon nun an Söabern mit
ber jungen ^ommanbeufe aus, im 2lbftanb oon jel)n
^pferbelängen folgte ber 23 urfd;e. 23 iel rebeten bie
beiben nicht jufammen, es lag auf ihnen toie eine Zäh-
mung.
©amt fing $ rau $ollboom getoöhnlid) oon ihrem
2üanit 311 fprechen an, heftig, toie 2Dabern cs oon ihr
feither nod) nie gehört. 23 on feiner 2 lrbeit über ben
23 altantrieg fprad) fie, oon ihrer 2 (ngft, er tonne fid>
31t oiel jumuten unb bann beim 221anöoer oerfagen.
©atin ocrfuchte ber 2(bjutant feine junge S^omman-
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172
$>ie junge Rommaubcufe.
beufe ju beruhigen, aber bie SSorte famen iljm nur
oom 92tunbe, niefjt aus bem S)crjen. (Er füllte, tpie fiel)
ftäben fpannen pon ber eleganten Leiterin ju if>m hin-
über — unb fte füllte bas aud>, beutli<t> nterfte et bas.
linb fein ßommanbeur, ein folget (Ebelmenfd), t>atte
tym fein $öftlicf)ftes anpertraut! —
©er letzte Slusritt por bem 91tanöper tarn. „Gott
fei ©anf!“ bacfjte SBabern. ,,©ann bin icf> brei SBocfjen
fern pon if>r, ba tperbe id) fefjon fertig mit mir ruerben l“
211s fie über ben Gperjierplatj galoppiert tpaten,
rief ber ^ferbeburfdje: „£err Oberleutnant, mein
^Pferb lat>mt.“
6ofort fafj SBabcrn ab, fat> n ad>. (Es rpar toeiter
nichts. Oer 33raune fjatte fid> einen 6tein in ben
23orberlmf getreten. 2lbec morgen tourbe ausgerüdt,
bas ^3ferb mufcte besfwlb gefront toerben.
„3m ©d;ritt nad) £aufe unb bem §errn Oberft-
leutnant fofort SKelbung gemacht ! 34) fomme mit ber
gnäbigen ftrau naef).“
SBabern faß mieber auf unb ritt mit ber jungen
S^ommanbeufe ben Söalbranb entlang, ber ben (Eper-
jierplatj an biefer 0eite einfäumte. 93eibe frntten bas
Gefühl: 3^* finb roir allein — ganj allein! $)iet fann
uns feiner überrafdjen ! llnb beibe toarnte eine innere
6timme: Stimm bief) in acf>t 1 Stimm bicf> in acf)t !
„Stun toitb's einfam um mief),“ fagte bie junge ®om-
manbeufe nad; langem «Sdnocigcn. „Sttein SItann, «Sie,
bas ganje Regiment im Sltanöper! Sttein 23atcr l)at
mid> natürlid; aufgeforbert, ju if>m ju fommen. Slbct
id) u>ill nid)t — id; toill nicf)t!"
©en lebten Satj ftiefj fie f>aftig mit judenber Sippe
heraus.
©as toar bie Gtcnje. £icr gähnte bet Slbgtunb.
©eutlid) füllte es SBabern.
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Srjäfjlung t>on §orft Sobemer.
173
„©nötige fjrau, nad> bem 22tanöper — mirb bet
§err Oberftleutnant ben S^opf freier fjaben. Unb —
es Hingt ja permeffen, aber es ift bod) t>ielleicf>t ganz gut,
n>enn id> es jage — bann mirb er mit gfmen fpajieren
reiten — ober nod) beffer, er nimmt Urlaub unb bie
$)errfd;aften begeben ficf> ein paar 2Bod>en auf Reifen."
Oie peildjenblauen Slugen mürben ganz grofe. 9lut
eine ©etunbe fallen jie SBabern an, fa|>en, mie er bie
Sippen jufammengeprefet f>ielt, bas ©efidjt einen
fteinernen Slusbrud befam — unb bann faf)en bie
großen, peilcf?cnblauen Slugen an tym porbei ins SBeite,
über ben ©xerjierplatj Ijinmeg. 3l>re £anb mufete gejudt
l>aben, benn ber gud>s brängte nafjer an SBaberns 23rau-
. nen. Oie opferte ftanben ftill mie angemurjelt. ©tumm
reid;te bie junge S^ommanbeufe bem Slbjutanten bie
£anb hinüber. Oer brüdte fie ein paarmal, unb bet
Orud fagte: lafe uns ftar! fein; unb bie S^anbfüffe per-
rieten: id> l>ab' bid> lieb, ict) t)ab' bicf> lieb J — Unb bann
liefe er bie $anb los, marf ben S^opf in ben 2taden unb
fagte mit eifiger ©timme: „©nötige ftrau, mir mollen
nad) S)aufe reiten — es mirb allerl>öd)fte geitt“
Oa marf bie junge S^ommanbeufe if>r ^ferb Return,
ftumm trabten fie fjcimmörts.
93eibe Ijatten nid;t gefel>en, bafe fie pon jmei Offi-
zieren beobad;tet mürben.
SBabern ging mit in ben ©tall.
Oer föommanbeur ftanb fd>ott bei bem ^fetbe, bem
bas ©ifen abgenommen morben mar. gfreunblid) reichte
er feiner gtou unb feinem Slbjutanten bie §anb. „£at
nü^ts ju fagen. 2lbcr es mar red)t, S)err p. SBabern,
bafe ©ie ben 23urfd;en mit bem opferte gleid? nacf) £aufe
fd)idten."
©tumm perbeugte fid; ber Slbjutant.
Oie junge S^ommanbeufe pcrabfd;iebete ficf>. „S?om-
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174
©ie junge Rommanbeufe.
□
men 6ic nachher noch jum See, §erc o. SBabern, menn
0ie im 91cgimentsburcau fertig finb?"
„fielen Oant, gnäbige fjrau ! 2lber heute, oor bem
2lusrüden — es mich fct>r oiel ju tun geben!"
„2lljo alles ©ute für bic tommenben 2Bocf>en, $err
o. 2Babern!"
©r tüfjte bic ihm gereichte §anb unb oerabfdncbete
ficb.
©6 gab in ber Sat nod; eine THcnge ju erlebigen.
2lcfit llt>r mürbe es, als SBabern cnblid) ben £eimmeg
antrat.
53or feinem $)aufe ging ber ältefte Oberleutnant bes
Regiments, 93ellfd>mih, ben £elm auf bem Stopfe auf
unb ab. Sin Heiner, unter fester Jjerr. ©r mar »er-
heiratet. SBabern t>atte fid? nie fonberlid; mit ihm ge-
ftanben.
„©Uten Slbenb, 53ellfchmih, mollen 6ie ju mir?"
fragte ber Slbjutant.
„3d> märte fjiet auf @ie fchon eine gefchlagene
®tunbe."
. „2(ber marum bemühen 6ie fid> nicht in meine
SDo^nung?"
„3cf> hielt es unter ben obmaltenben llmftänben
nicht für angebracht, benn ict> höbe bienftlich mit 3hnen
ju reben!"
©>a fe^te Söabern fein fteinernes ©efid>t auf. „9llfo
menn ich bitten barf !"
2Babern bot bem S^ameraben gar nicht erft einen
6tuhl an. foh er ihm in bie 2tugen.
,,©s ift mir fehr peinlich. 2lber nicht nur ich ho&e es
tommen fehen, bafj id> eines Sages mit 3hnen fprechen
muf$ über 3h* Verhalten gegenüber bet ©emahlin
unferes S^ommanbeurs!"
„3di bin ber 2(nficht, bafj bas bie gnäbige grau unb
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□ (Stählung oon §ocft Sobemer. 175
ber S^ommanbeur fclbft 311 regeln haben. Oa muß ich
aufs ©ntfdnebcnfte jeben Eingriff oon anberer 0eite
3urüdweifen."
„0ie finb heute nachmittag oon jtuei Herren bes
Regiments beobachtet worben, wie 0ie wiebertjolt
ber gnäbigen grau braunen auf bem S^er^icrpta^ bie
£janb gelüst haben in einer 2lrt, wie fie fonft nur üblich
ift unter Vlenfchen, jmifchen benen eine fehc tiefe 33 er-
traulichfeit herrfcht.“
„Oie jmei Herren, beren tarnen mich übrigens
burcbaus nicht intereffieren, müffen ziemlich weit ent-
fernt gcwcfen fein. Oenrt wenn ich etwas Unrechtes
hätte tun wollen, meinen 0ie ba nicht, ich hätte flüger
getan, ein paar 0<hritte in ben 2Balb hineinjureiten?
gd; muf$ auf bas Slllerentfcfnebenfte folche Zlnterftel-
lungen 3urücfweifen. Slujjerbem wäre bann ber einzig
richtige 38 eg gewefen, erft einmal ben ©atten ber Oame
aufjufuchen.“
„5)0311 ift immer noch Seit, geh faffe meine ©nt-
fd;lüffe als ältefter Oberleutnant, an ben fid) bie beiben
Herren mit gug unb 9 te<ht bienftlich gewenbet höben,
aus eigener Verantwortung heraus unb bin ghnen
nicht 9 ?e<henfd)aft barüber fd>ulbig. geh bin auch nicht
getommen, um £ärm 311 fchlagen, fonbern um 0ie ein-
bringlichft 3U warnen, SBabern. — ©uten Slbcnb!“
©ine turse Verbeugung, unb er war oetfehwunben.
Oec 2 lbjutant rifj ben fragen feines i’lbetrocfes auf.
Sllfo fo weit war es fd;on ! Oa hatte ihm bas 0 chidfal
mit bem ginger gebrobt! ©ott fei Oanf, morgen ging
es ins Vtaniwer, unb bis bas oorüber war, hatte man
ben $?opf wieber flar.
Oie Vtanöoer waren in ber 21 äf>e ber ©arnifon.
2 lm erften Vtorgcn reefte fich ber Oberftleutnant im
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176
$>ie junge ßommanbeufe.
□
6 attel auf unb fagte 3 U feinem Abjutanten: „ 3 * 1 ? freue
mich auf ben Sag, an bem id> ein Oetad>ement ju führen
betomme. Allein ©egner foll feinen SSram oerftehen!
21 a, um fo beffer!“
llnb als ^allboom 311 feiner Verfügung oier 23a-
taillone Infanterie, jruei ©sfabrotien, brei 23atterien
unb eine ‘ponierfompanie hatte, ba lernte SOabcrn
bas 6 tauncn.
Oie fiiber I?alb über bie 2lugen gefentt toie immer,
leife unb bocf> fc|>arf biftierte ber Obcrftleutnant ben
Orbonnanjoffiäicren feine 33efet>le aus bem Stopfe,
nur ab unb ju marf er einen flüchtigen 23licf auf bie
Sparte.
Oer 23ormarfch tourbe angetreten, ^aoallerie-
patrouillen tarnen angefegt unb brachten 2 Itelbungen.
©in Aicfen, ein fur^er 23efehl, bie ^3ferbe tourben herum-
gemorfen, fein 2 ttusfel juefte in §allbooms ©elehrtcn-
gefid)t. Qlur bas S^inn mar noch etwas toeiter oor-
gerutfeht. llnb balb fnatterte oorn bas Qnfanterie-
feuer. Oie nächfte §öhe nahm bet Rührer im ©alopp
mit feinem 6 tabe. Reibungen famen, 23efehle gingen
an bie fjront, 2 Babern, jtoei Orbonnanjoffisiere oom
Regiment $)allbooms unb ein Oberleutnant oon ben
Ulanen jagten abroechfelnb ihren ^ferben bie 6 poren
in ben £eib.
Oer Oberftleutnant toar abgefeffen, bie Sparte in
ber rechten, bas Fernglas in ber Unten §anb ftanb er
ba, ben $opf oorgeneigt. Oie Atelbungen, bafj ber
geinb mit ftarfen Kräften eine Umgehung feines linfen
glügels oerfuchte, fchienen ihn nicht 311 ftören. Auhig
gab er ber Infanterie, bie oor ihm ftanb, 3 t»ei Batail-
lonen, ben Befehl langfam 3 uriicf 3 ugehen, toährenb bie
Artillerie mit ben feinblichen ©efdmijen ben Stampf
aufgenommen h^tte. Qe mehr ber geinb oerfuchte,
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Srjä^lung oon §orft 35ot>emer.
177
it>n fd;oti beim 2lufmarfd; über ben Raufen ju rennen,
um fo beffer.
©er lllanenoberleutnant u>ar mit einer Patrouille
nad> bem redeten ^tügcl gefdndt morben. Sine 2Mbe-
Earte nach bcr anbcren fanbte er, SSabern rifj jic auf,
las ben Inhalt oor.
Sin furjes Mieten fjallbooms. ,,©ie lebten 91eferoen
in bie Schützenlinie ! ©leid) toirb Suft," fagte er ju
bett Orbonnanjoffijieren.
©er brefchte baoon.
„Sieber Söabern, beobachten Sie ben Söalbranb
red)ts hinter bem ©orfe. Sobalb Sie ben XUanenoffi-
jier hierher reiten fehen — Reibung!"
„8u 33efehl, £jerr Öberftleutnant !"
©er behielt jetzt bie Uhr in ber S;anb.
©a tnatterten oom rechten Ringel Schliffe.
„©er Ulanenoffijier !" rief SBabern.
£)ochaufgerid)tet ftanb fein ^ommanbeur ba, grofz
mürben bie grauen Slugcn, eiferne Snergie fprühte aus
ihnen. Unb nun jagten fid) bie ©efehle.
„2Babern, bie Batterie auf bem redeten ftlügel
Stellungsmechfel nad; oorn, nach ber $uppe ba
brüben. Schnellfeuer auf bie feinbliche Infanterie,
bie fid) gegen unferen llmgehungsoerfuch mehrt, ©ie
Ssfabron, bie als ©cfchüijbedung bort fteht, foll
oorgetmt !“
2Itit ben beiben Orbonnanäoffijieren galoppierte er
bem Ulan entgegen.
„Sd;on gut — mitfommen!“ rief er ihm ju, als
biefer fid; melben mollte.
©er ©egner marf ^allbooms Gruppen jmar in ber
ftront, aber beoor er ben Sieg ausnützen tonnte, mar
ber linte feinbliche ^lügcl jerfetjt. „33ormärts — oor-
märts!“ rief ^allboom.
1914. xi. 12
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178
©ie junge ßotrmumbeufe.
(Sine l>albe <Stunbe fpätcc mar ber geinb jurüd-
gef4)lagen.
„Oas ©anje l>alt !“ blies es pon bem §ügel, auf bem
bie Oberleitung t>ielt. Sla4> uni* nad) perftummte bas
5cuer.
£äd>clnb fteief? Sjallbootn feinem ©olbfu4>s über bie
Oltäfme unb fagte ju feinen Orbonnanjoffijieren: „Oer
Sjerr Oberft ba brüben f>at mir eine fermere Olujj ju
fnaden gegeben. 51 un, Ottanöper ift unb bleibt 6tü<t-
mert, meine Herren — bas tuiffen mir ja!“
Oer Oipifionstomtnanbeur J>ielt bie Kritit ab. £all-
boom betam picl 6dnneid)elt>aftcs ju frnren, aber aud>
bem ©egner mürbe er geredet.
©erabe als fid; ber Oberftleutnant unb SDabern auf
ber Sanbftrafje aus ben 6ätteln fd)mangen, tarn bie
junge ^ommanbeufc angefatnen. 6ie tutfrf>ierte felbft,
marf bem S?utfd>er bie Sügel $u, fprang Pom SBagen
unb fiel if>rem 02tann um ben Sjals.
„3d? gratuliere! 34> gratuliere! — Olein, Oftanni,
mas bift bu für ein OHorbsterl ! Stile, bie mir begegneten,
fangen bein Soblieb!"
Oie ^üffe Nagelten nur fo auf feinen OlUmb, feine
SBangen.
llnb ber lange Slbjutant ftanb baneben, fteif mie
eine Satte, bie §anb am £elm, mit fteinernem ©efi4>t,
mit jufammengetniffenen gäbnen.
Sjallboom mar biefer itberfd;mang auf offener Sanb-
ftrafte peinlich, ©r ma4>te fi<4> frei. „Stbcr S^inb, id;
bin ja ganj ftaubig!"
„S(cf>, mas ma4)t benn bas! — Strmer S?erl, mufjt
l)cute auf 6trol> im Seite fcblafen!" Zlnb bann bretjte
fie ficf> um. „©uten Oag, §err p. SBabcrn ! <5ie tjaben
natürlich mitgefmlfen — I>eräli4> bante id; Birnen!"
6ie fd;ütteltc tym fräftig bie S)anb.
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*
□ Grjitylung pon §orft QJobeiner. 179
©iner Antwort würbe er überboben, beim bie Offi-
ziere ber brei Batterien bes Regiments, bie im 23iroat
lagen, tarnen eilenbs herbei, um ihre junge S?ommau-
beufe ju begrüben, ihren ©lüdwunfeb anzubringen.
Sact>enb ftreefte fic einem nach bem anberen bie
Sjanb entgegen.
„3a, id> hob' ©lüd! — Slnbere Ncgimentsbamen
finb auch nod> unterwegs. llrtb im SBagen liegen SBein,
2lrra8 unb ^Uetbeeffteafs. §>ie awllen u>ir jeijt über
ben S^ocblöchctn braten, feiten foll es ben Herren fo gut
gefdnnedt hoben. 3ft fchon alles zugefefmitten ! — 2ln
bie Slrbeit, meine Herren! Sie werben hungrig fein!“
Sehn Minuten fpäter hodte fie mit ben Offizieren
an ben S?od>löchern. Ntann ftanb hinter ihr unb
mürbe non ber allgemeinen Suftigteit angeftedt.
„Nofer, halten Sie nur getroft ben S^ocf?gefd?irr-
bedel mehr über bas Jener ! Sic werben fid; bie Jinger
fd>on nid)t aerbrennen! Oas mär' allerbings jammer-
febabe, ba wär's auf ad>t Jage oorbei mit bem Sauten-
f cf) lagen !"
9Kan lachte unb häufelte ben blonben fiuftifus.
Oie junge S^ommanbeufe hotte il;r Näsd>en gehoben
unb fdmupperte. „Oh, riecht bas gut ! SBem fnurrt nur
eigentlich nid)t ber Ntagcn? llnb fchen Sie nur, mit
welcher SBiirbe §crr ». 38abern bie 33ratfartoffeln um-
fchaufelt.“
Neues ©eläd)ter.
SBabern mar zufanunengejudt; biefes ©elächter
hatte ihn mie ein ^eitfchenfchlag getroffen.
„O je!“ rief bie Jtonmtanbeufe. „Nun hat et's
frumm genommen! — Ntanni, fd>ente ihm ein ©las
2öein ein unb mir auch einen Jropfen, ich »ill ben 33er-
föhnungstrun! mit ihm bis zur Nagelprobe magen!"
„3(ber gnäbigfte Jrau, mie läm' ich benn bazu, böfe
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180
©ie junge ßommanbeufe.
ju fein? Qd; bin nun einmal ein Nknfd), ber alles, toas
er tut, aud) ernft auffafct, felbft wenn icf) 93rattartoffeln
umfd)aufle !"
Oa feufjte bie junge S?ontmanbeufe unb müljte fid)
ab, baju ein brolliges ©eficf)t ju machen. „Oann
frei lief), |jerr p. SEBabern, betenn' id> mid> als ge-
fdjlagen 1"
Oer Oberftleutnant tarn mit ben beiben ©läfern
an, reichte läd>elnb bas polle SBabern, bas anbere feiner
grau.
Süßabern trat auf bie junge ^ommanbeufe ju. „Nlfo
Nagelprobe, gnäbige grau!"
„Nagelprobe!" rief fie lad;enb unb ftieft mit if)tn an.
2lls er bas ©las jum Ntunbe führte, fat? er bas fpöt-
tifd) läd)elnbe ©efict)t Nofcrs, unb fünf ©djritte oor
fid) burd) ben abjietjenben Naud) aus ben &od)löcf>etn
ben Nlajor Namfdwcrt. Oeffen blaue Nugcn faugten
fid) förmlid; an feinem ©efid)t feft. 3n ben Slugen lag
eine Süßamung, eine nid)t ju perfennenbe Süßatnung.
Oa tarnen nod) ein paar Öffi^ierbamen, bie enblid;
bas 93ia>af gefunben t)atten. Oie Slommanbeufe mar
immer nod; in übermütiger 6timmung. Nber burd)
it>re SÜßorte fprang ein netPöfer llnterton.
„Oas glaub' id) — bas tann 3t>nen red;t fein ! Oie
Slrbeit ift porbei, unb für 6ie rnirb ber £ifd) fcl)on
mitgebedt !"
Süßabem fat> nad) feinen unb S)allbooms ^ferben.
Oas ^erj jammerte il)m gegen bie Nippen. SGBarum
Ratten if>n benn ber Nlajor unb ber freche Nofer fo an-
gefel)en? Ourfte man benn feiner JRontmanbeufe nid>t
ein bif}d;en ben $of machen? Oie anberen taten's bod;
aucf>! Süßer gefef>en f>atte, toie fie porbin it)rem Nlanu
um ben S)als flog — unb ber Niajor unb Nofer Ratten
es fid)er gefetjen — , bem mußte bod) jeber alberne ©e-
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Srjä^lung »ou Sjorft Qiobemer.
181
banfe auf ber ©teile aus bem S^opf fallen! ltnb im
übrigen, er mar feinet fidjer — ganj unb gar!
©r tarn erft an bie lange STafel, als bie ©rbfenfuppe
fdjon gegeffen mar, fetjte ficf> ganj unten neben ben
ftälmrict) t>in.
©ie S?ommanbeufe rief il>m ju: „©träfe muffen
©ie jalüen, meil ©ie ju fpät gefommen finb, SBabern !
-- £>errfd)aften, mie nehmen mir il?n in ©träfe?"
Slofer rief: „©r muß fingen, gnäbige grau!“
©a brad) fd;on mieber bas ©eläd)ter los, bas if)m
l)eute fo auf bie Sternen ging.
Slls es fid) gelegt fmtte, fragte einet: „3a, mer l>at
benn SBabetn jemals fingen t>ören?"
SBieber mürbe gelacht.
SSabern aber fagte fcfmeibenb fd?arf : „Ol), bas fann
ict> aud). Ob es 3fmen aber üebreid) in bie Ot)ren
tlingen mirb, Stofer, bejmeifle id) ftarf!"
SUfo — es mar genug für freute. Sille füllten bas.
©as ©efpräd) mürbe ernfter.
©leid) nad) bem ©ffen oerabfdnebeten fid) bie
©amen, ©ie Ratten nod; jmanjig Kilometer nad)
§aufe ju fahren.
©ie Slugen ber S^ommanbeufe fud)ten SBabern.
©ie fanben itm nicf)t. ©a fd)ob fie itjren Slrm fdmell
unter ben ber fleinen, fräntlicf)en grau 2Kajor Stam-
fd)mert. 3f)t Sftann tjatte oier ©ienftjalne mein als
fein ftommanbeur, ein bieberer, geraber Sltenfd), fein
S?ird)enlid)t, ber mol)l gebrummt fwtte, als ^ailboom
if>m „oor bie Stafe gefegt" morben mar, mie er fid) aus-
gebrüdt fmtte. Slber fo ging es nun einmal im £eben.
©er eine flettert bie Leiter fdmellet hinauf als ber an-
bere — unb mer ba nid)t oorfidjtig ift, bem mirb auf
bie £änbe getreten.
„Siid)t mabr, ©ie fahren mit mir? ©enn erftens
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®ie junge Rommanbeufe.
fin£> meine Wappen nid fd>neller als t*ie Slrümpergäule,
unb jmcitens hat mein Selbftfahrer ein 23erbed, bas
mit t>od>jd)lagen fötmen. Söarum fall uns ber Söinb
in ben dürfen blafen, fühl toerben bie §erbftabenbe fo-
toiefo!"
©ie fleine, fräntliche grau nahm banfenb an.
©er 5?utf4>ev lieg bie 9lappen tüchtig ausgreifen.
3n bie ©den gebrüdt, fuhren bie beiben ©amen in bie
91ad>t hinaus. 3*be mar mit ihren ©ebanfen bcfcbäf-
tigt. grau 9vamfd)mert machte fich Sorgen um ihren
9Kann — um bie gutunft. Trautheit oerfdüang fo
furchtbar oiel ©elb. hoffentlich befam er nod> ein
Regiment, ©a toar menigftens fpäter eine ^enf'ion
oorhanben, oon ber man leben tonnte.
©ie junge S?omtnanbeufe hatte auch galten auf ber
Stirn. 9Bas roar nur mit einem OTale in 2Babern ge-
fahren? Saunifd; hatte fie ihn nod; nie gefetjen, bienft-
lichen $tget tonnte er nicht gehabt haben, benn mit
ihrem Qftanne toar hoch ein gutes Slusfommcn. ©er
hatte fich immer oöllig in ber ©etoalt, biefer ^öhen-
menfeh. Natürlich hatte er ausgejeidmet heute ge-
führt — bas toar ja fo felbftoerftänblid;. Sie hatte fiel)
ehrlich gefreut, baf} er fo gut abgefdmitten, aber oiel
Aufhebens barum ju machen, mar nicht nötig, ©er
fprang meiter über feine 93orberleute, menn er gefunb
blieb.
Slber ber SBabern! ©er SBabern!
gmnter mieber tchrten ihre ©ebanten ju ihm jurüct.
Fimmel, mas hatte ber für ein ©eficht gemacht, als ihn
ber luftige 9?ofer gehänfelt hatte, ©er mar hoch noch
bas reine S^inb! ©a lacht man eben mit!
©ie deine grau SRamfdnoert redte fid; aus ihrer
©de auf. „Zehnten Sie mir ein offenes 98prt übel?"
„2lber nein! 2Bie täm' ich benn baju?“
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<äcrjät)luiig oon $orft ®obcmcr.
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„SHan — man munbert ficf?, bafj 6ie 2Babetn fo
ausjeidmen !"
^ingftücf> t?attc cs bk Heine ftxau gefagt.
©ie peild>enblauen 2lugen in ber anberen ©de
mürben grofj. ©afj über fie getlatfcht mürbe, mufjte
fie ja. „gd> foll ben 3Babetn befonbers ausjcichnen?
Sft mir nicht im Traume eingefallen. Sr ift bod) bet
Slbjutant meines Cannes, ba fommt er natürlich häu-
figer äu uns unb bleibt bann unb mann ein ©tünbehen.
©ie metben es ganj gemifj auch f p machen mit bem $lb-
teilungsabjutanten 3h c « s $errn ©emahls!“
„3a, ja — freilich! ©as heißt, nehmen ©ie es mir,
bitte, nicht übel, fo luftig geht cs bei uns natürlich nicht
ju!“
©a hafchte bie junge 5?ommanbeufe nach bet 5)anb
ber 3rau SRamfchmert. „3ch meifc, ©ie meinen es gut
mit mir. Unb ich fenne meine fehler. Vin nun ein-
mal jung unb lebensluftig, ©s ftedt fold>c Unruhe in
mir, bie rnufj ich irgenbmie hinaustoben ! Slber mir ift
nie jum Vemufetfein gefommen, bag ich ju meit ge-
gangen bin, ich tann's auch nicht glauben, fonft hätte
mir mein 9Iiann fd)on Vorftellungen gemacht!"
<Sie munberte fiel) felbft, mie ruhig fic bas fagte.
„2Bir leben in einer immerhin fleinen ©tabt. ©a
fieht jeber bem anberen in ben ©uppentopf. ltnb
fpricht oiel oon ber neuen 5?ommanbeufe, befonbers,
menn fie fo jung unb fo fchön ift mie ©ie, liebe 3tau
£jallboom!“
„34> Qeb's ja ju, für SBabern habe ich «in bifjehen
mehr übrig, als für bie anberen. 2lber bas ift hoch fein
Verbrechen ! ©t ift J>er Slbjutant meines Cannes, auch
nicht mehr ganj jung, gilt, fo meit es mir befannt ift,
als ein felm gebiegener 9Hann unb — "
,,©as ift eben bas ©chlimme!“
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©ie junge ßomniaubeufc.
,,©afs et ein gebiegener Sftann ift?"
„3o — getabe bas! ©et füi>lt ft4> »ohl in g^rer
Slähe, taut auf, »irb aud; luftig — unb eines £ages ent-
bedt et, bafj er Sie rafenb liebhat! Unb »as bann?
Schlagen bie Stellen über fo einen jufammen, bann
fommt bas ©nbe ! ©s fommt recht oft im Seben not !"
©a flopfte il)t boct) bas £erj tis jum §als hinauf.
„Um ©ottes »illen! Sie hoben bod; leine Vermutung,
bafj er mich et»a — liebt?!“
„Vermutung? 3a, tuet »ill bie hoben! So ettoas
fommt ganj plötzlich! Unb bann ift's meift ju fpätl“
„Sie reben ja, als ob Sie fo einen jjall tennten!“
„Vielleicht !"
©ern ©efpräd; mufcte ein ©nbe gemacht toetben.
„SUfo id> banfe 3hrcen *>on ganjem Sterben, liebe f^rau
9?amfd)»ert. Sie »erben fid> ficfjer irren. Slber oon
jet$t an toerbc id; acht geben auf it>n — unb auch auf
mid)! ©ie SUatfcherei mufe aufbören!“
,,©ann ift ja alles gut!"
Stumm legten bie beiben bie »eitere poltet jurüd.
Slls aber bie junge S^ommanbeufe ftrau 9lamfch»ert
oor ihrer SBohnung abfe^te, füfjte fie fie fwähoft ab.
©ie nidtc nur, ein mübes £äd;eln um bie »elfen
Sippen.
0u $)aufe fanb bie junge S^ommanbeufe feine 9lul>e.
Stunbenlang ging fie im Siinmer auf unb ab. 28a$
bie SUatfdjbafen fid? juraunten, »ar ihr gleichgültig,
aber bie gute ftrau 91amfch»ert hotte ba eine Saite
in ihrem Jjerjen jum Springen gebracht, bie bisher noch
nie getönt hatte. Söabern fah fie mit einem Stale mit
ganj anberen Singen an. Unb feine gurüdhaltung, fein
Sirger — er hotte babei geftanben, »ie fie ihren Stann
fo ftürmifd) abgefiifet hotte. SBar bas ber ©runb? ©a
blieb fie ftehen. 9Bar bas et»a fd;on ber Sugenblid,
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□ Srjüijlung t>ou §or}t Sobemer. 185
in bem „bie SDellen über if)n sufammengefcfjlagen
roaren“. ©as toär' ja entfepd) 1 ©a muftte 33orforge
getroffen toerben. 9a, aber toie? 6ie tonnte bod) ben
93erfet)t nid>t mit if>m abbreefjen. 3f>r 2Hann t)ätte bas
gar nid)t jugegeben — unb bie $latfd)bafen t)ätten erft
red)t bie SHäuler aufgeriffen!
SDabern — SBabern! ©er 2ltem ging it>r immer
fd)toerer, if>r toat's, als griffe eine eifeme §anb nad)
tyrem ^erjen, brüdte es jufammen. 33leid> mürbe if>r
©efid)t, bie Heroen judten toilb auf ber (Stirn l)in
unb i>er.
gene Heine, oergrämte, fräntüctje grau l>atte red>t.
^löpd) tonnte es bitterernft toerben, bie SBellen tonnten
über Urnen beiben äujammenfcfUagcn.
2tein, nein, nein — bas burftc nicht fein ! ©ott auf
ben S^nien mufjte fie bod) ftünblid) banten für if)ren
921ann. 2Ber tjattc es benn fo gut toie fie? Unb ooll-
tommen toat bie SBelt nun einmal nid>t!
Slber nun 9tuf>e im Stopfe ! ©rft in jefm Sagen tarn
bas Regiment aus bem SKanöoct jurüd, unb bis baf>in
toar tot, ganj tot, toas fid) unter ben SDorten ber grau
9?amfd>roert jurn erften 9Hale ganj fd)toad) ju regen
unterftanben t>atte. gatoof)l. Unb bie ftumme £ul-
bigung, bantals am SBalbranbe? ©ie toar bie ©renje
getoefen, bie alleräufcerfte. So ettoas burfte nie toieber
oortommen !
©er Oberftleutnant S)allboom t>atte in ben nächten
Sagen oft ©elcgentjeit, fid) über feinen Slbjutanten ju
tounbern. 95leid), mit gcfurdjter Stirn, fajj er ju ^ferbe,
unb toenn il>m ber tleine 9?ofer über ben SSeg lief, fal)
er bem mit fprüf)cnben 2lugen nad). Selbft bas be-
mertte ber 2ftenfd)entenner unter feinen t)alb t>erab-
gelaffenen Slugenlibern. 9lun, bas toürbe fief) fcf>on
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®ie junge Rommanbeufe.
mieber geben. ©ines £ages banb fid> SBabetn ben
£autenfd?läger orbentlid? oor — unb bann mar mieber
alles im gemalmten ©eleife. 2lbcr es munberte S)all-
boom bod?, baf$ SBabetn fo nad?tragenb mar, bas f?attc
er nid?t pon it>m ermartet. 9 lun, bas mar eine ^ripat-
angelegenf?eit, jeinen Oienft perfaf? fein Slbjutant mit
ber alten pflichttreue.
21ad? ber 5 ^riti£ bes lebten Vtanöpertagcs fagte ber
Oberftleutnant: „ 28 as meinen <Sie, Söabern, bie breifcig
Kilometer reiten mir gleid? nacf? S)aufe. Oie Batterien
festen ja morgen einjeln in bie ©atnifon jurüd!“
„ 2 Bie ber §err Oberftleutnant befehlen!“
Oer ärgerte fid; einen 2 lugenblid über bie biffig ge-
gebene Slntmort. Hub bann fagte er fid?: $cf? merbe
auf bem Syeimritt ein bif}d?en metjr reben, als es fonft
meine 21ngemobnl?eit ift, pielleid?t l>öte id? 'raus, mo
it?n ber 0d?uf> brüdt.
„ 3 Bas haben 0ie eigentlich? 0ie finb fo ganj anbers
als fonft, fd?on eine ganje Seit!"
Oa legte ber Slbjutant bie £janb an bie 97 tü^e unb
fagte: „Jjerr Oberftleutnant, id? batte bie Slbficbt, mid?
für bas ©yamen auf SWegsatabemie oorjubereiten unb
bin jet$t 311 bem feften ©ntfd?luf$ gefommen.“
„Oas freut mid?. 3 d? l?abe 3 f?nen bod? immer 311-
gerebet. 2Kand?en guten SBint tann id? gbnen geben.
3 öir merben jufammen taftifcf?e Aufgaben löfcn. Wür-
ben, ber Veranlagung baju bat, ift bas nid?t gerabe
übermältigenb fd?mer. Oen Vlid bafür mufe man aber
ausbilben, ber 91 eft ift £ed?nil, lieber SBabcrn — neben
guten Qteroen.“
„kleinen gel?orfamften Oant, Sjerr Oberftleutnant.“
Oa fd?lug Syallboom bie Slugen voll auf, ftemmte
bie f^auft in bie Jjiifte unb fab feinen Slbjutanten fd>arf
an. „2lbcr bas tann bocf> nicht allein ber ©rttnb
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□ 6rjä$>lung oon £orft 23obetner. 187
fein, marutn Sie in bet lebten Seit fo finfter baher-
reiten !“
,,©anj gemiß nicht, §err Oberftleutnant. 2lber ba
es bie Schlußfolgerung jiehen. ©ehorfamft bitte
id) um Slblöfung non ber Slbjutantur, bamit id) mein
Seit habe."
^allboom hielt feinen ©olbfud>s an. „Urlauben
Sie mal, SBabetn, bas ift hoch eine Schlußfolgerung,
bie id) Birnen nicht augetraut hätte. gn ber J^ront haben
Sie fchmerüct) mehr Beit fich oorjubereitcn. 9tein,
nein, ba bente ich gar nicht bran ! 2lber tunlichft follen
Sie entlaftet mecben, bafür mcrbe ich fchon fotgcn!"
Hnb bann hielt er ihm hetjlich bie §anb hm* „3<h
fenne mich hoch aus in 3h ncn ♦ <£ie bcnfen, ich müßte
ba ein Opfer bringen, meil mit uns fo gut jufammen
eingearbeitet hoben. Oas ift nicht ber ^oü* Vnb
toenn's fo märe, glauben Sic mirtlid), id) bin ein fo
fcaffer ©goift? SBabern, SBabern — bas fehlte gerabe !
SBir finb nun einmal brin, mitten in ber 2lusfprad)e,
Sie miffen auch, icf> bin feiner, ber bas £>crj auf ber
Bunge trägt, menn ich ®ie aber pormärtsreißen tonnte,
es mürbe maßrhaftig eine ganj reine 5 rcu be für mich
fein! Solche £eute mie Sie braucht Seine 3Kajeftät
in ben höheren Stellungen!"
Sief atmete Söabern auf. „2Benn i)crr Oberftleut-
nant mirflich meinen, baß Slbjutantur unb Vorbereitung
jur S^riegsafabemie fich Pereinigen läßt, bann — bann
bin ich natürlich ganj beruhigt."
„2llfo ! — Unb nun fteht 8h c Barometer hoffentlich
mieber auf ,beftänbig', lieber SSabern!“
Oie S^ommanbeufe fiel ihrem 9Hann um ben $als,
als ec unermartet bie SBohnung betrat. Oer fah gar
nicht, baß fie bleicher mar als fonft, ihre Siebfofungcn
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188
©ie junge Rommanbeufe.
nahm ec mit lächelnber ©elaffenfteit hin. ©as mar ja
bas S)erjige an ihr, bafj fic nie ben 3Kunb oerjog, wenn
et in feinem gimmer angeftcengt }u arbeiten hatte.
0obalb et fid? fet)en lief*, lag Sonnenfehein auf intern
©eficht. ünb bas blieb bod> bie S)auptfad>e. ©afe fie
ab unb }u neroös war, fanb er nur ju begreiflich. ©ann
hatte ihr Sachen etwas Schrilles, unb it>re £uftigtcit
fdjäumte befonbers t)od> auf. 3a, fein tapferes ^tau-
chen ! ©ie wollte fid) nichts merten laffen, wie fie unter
bem oerfagten Ginbcrfegen litt. ©ann liefe er mit fid>
machen, was fie wollte, lachte mit bec 3ugenb über
harmlos tolle Streiche, benen ein 2ftann wie er fonft
wirtlich feinen ©efdmtad abgewinnen tonnte, ©er
Ausgleich tarn fcf>ott.
„Sogrofo ift biebteube?" fragte er unb ftrich mit fei-
nem nachfichtigen £äd>eln über bas taftanienbraune ^aar.
„3a, 32lanni — ja!"
©an} feft brüefte fie fi<h an ihn.
ilnb er, bet Süenfcbenfennec, mertte nicht, wie es
bie 2lngft war, bie fein 38cib an ihn fid) feft}utlammern
antrieb. —
bür SRegimentsfommanbeure ift ber ©ienft nach
bem SHanöoer ber bequemfte im ganzen 3ah ce * ©a
hatte ber Oberftleutnant SHufte, fich feiner Arbeit über
ben 23altantrieg faft ausfchliefelicb ju wibmen. Über
ben ftrategifeben 2lufmarfd> ber ^Bulgaren, biefes ter-
nige 93olt, bas fchliefjlich oon feinen 33erbünbeten
überwunben werben follte, nachbem feine beften Kräfte
auf ben 0cblad)tfelbcrn oerblutet waren, wollte er eine
befonbere Slbhanblung als 33eiheft }um 9Kilitärwochen-
blatt erfcheinen laffen. ©a h*^fe es Quellen ftubieren,
Stöfje oon 23ücbern waren burchjuarbeiten, Garten-
material mufjte oerfebrieben werben, jebe Söoche tarnen
oon feinem 23ud;hänblec gewichtige jätete an.
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(SrjtÜjlung »cm §orft 33obemer.
189
©a mar cs bem SHanne mit ber unbänbigen Strbeits-
mut eine ©rtjolung, rnenn ec mit SBabern ta£tifd?e unb
ftrategifd)e Stufgaben burcf)fpred)en tonnte. Qmmec
freilid) mar er nicht mit it)m ^ufrieben. SBenn er oft
brütenb bafafj, bie Sippen ^ufammengepce^t, bie Stugcn
gerabc^u böfe auf bie ^arte gerichtet, bann tarn feinem
Setjrer bas ©efüt)l: id) f>abe itm geiftig bod) überfd)ät}t.
S3is er eines Sdges mit einer ©cof$3ügigteit eine Stuf-
gabe löfte, bie bas t>elle ©rftaunen ^jallbooms tjeraus-
forberte.
©erabe bas, mas SBabern t>atte oermeiben toollen,
öfters mit ber jungen ^ommanbeufesufammenjutreffen,
trat ein. SBas fotlte er bcnn machen, mertn it>m ber
Oberftleutnant bie i)anb auf bie 6d>ulter legte unb
fagte: „Slatiirlid) effen 6ie mit uns 311 Stbenb ! kommen
@ie nur!"
ltnb mas £>atlboom anfd>einenb nid)t faf), SBabern .
fal; es. ©ie junge grau mar blafe unb fpii} gemorben,
bie neroöfe Unruhe in it>r fmtte 3ugenommen. Sftod)te
fie fict) nod) fo frampff>aft bemühen, luftig 31t fein, er
mertte bod), bafj feine 9Zäf>e oermirrenb auf fie mirfte.
Stm beutlicf)ften tarn es 311m Slusbrud, menn nod) metjr
©äfte ba maren. ©inige SJtale t)atte fogar it>r STtann
fie erftaunt angefefjen. SBabern fannte fid? gut in it)t
aus. ©as mar tein SBunber. ^üf>Ite er bod) felbft, mie
bei it)rem Übermut fein £er3 ben 6d)lag befd?leunigte.
Xtnb tro^bem tarn bann eine füfje Säffigfeit über itm!
Über it>n, ben — ©t)renmann!
©s burfte nid)t fo meiter get)en. Sonft brad; plötj-
licf) ein 6traf>l aus feinen Slugen — oielleid;t aud) aus
itjren !
$am er bann nad) §aufe, fo fd>idte er feinen 23ur-
fd)en nod) nad) 33ier. Skw, brei Siter tränt er bann,
23ettfd>mere mufcte er t)aben! Ztnb bod) mie etelfjaft
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190
5>ic junge ßommanbeufe.
mar cs, mcnn Mc ©cbanfen faft föaruffell fuhren. 9tun,
fic tatcn's aud) jo! llnb bcffer mar's u?ol>l immerhin
noct), man fd)lug bie ©ebanten mit 93ier tot, anftatt
mit 93eronal ober ähnlichem Teufelszeug. ^rcüicf>,
bann rauchte manchmal am borgen ber S?opf. ©a
fprang man eben immer nod) ins eifig falte 9Baffer —
unb ein balbrobes ^Pferb batte man ja aud) nod) im
6tall !
llnb ber f leine 9tofer fat) ilm immer jonberbarer aus
ben 9lugcnminfeln an. SBarum oerfebrieb fid) gerabe
ben bie junge S^ommanbcufe fo oft in ber lebten S«it?
©er 9Kajor 9tamfcbmert aber machte ein ganz bärbeißiges
©efid)t, menn er it)in einmal über ben 2Beg lief, grüner
I?atte ber it>n immer freunblid) begrüßt, bie £anb gc-
brüeft unb ein paar SBorte mit üjm gefprod>en. ©r t>atte
ja als junger Leutnant jtoei 3at)re bei beffen Batterie
geftanben.
9llfo — ba braute firf) bod) nod) ein ©emitter ju-
fammen. ©anj plö^lid) tonnte ber 93lit$ cinfctüagen.
9Bar er bann fätjig, feinem S^onunanbeur, ber es fo gut
mit il>m meinte, gerabe ins ©eficf?t zu feljen.
9locf>?
O ja, wenn nämlid) gleich barauf ein cf?rlicf>es 93c-
fennen folgte, llnb ben S)ieb burftc er biefem 9Hannc
nid)t oerfeijen. ©er glaubte an feine $rau felfenfeft.
©cm burfte bas 93ertrauen nid)t erfcf>üttert merben.
llnb feine ftrau?
$ein 93lid mar gefallen, fein 3Bort mar gefagt !
llnb bod)! llnb bod>!
2üenn er ein 6d>uft mar, bann —
©t mürbe ni«i)t zum 64>uft — nein unb taufenbmal
nein !
2Bie aber zwang man bas 93ert)ängnis? ©as 93er-
l)ängnis! —
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Srjctylung uoa $or|t SJobentcr.
191
21m nächten Sag mar Siebesntabl im S^afino. ßmei
Offijiere marcn neu ins Regiment perfekt.
©ie 2flufiE mar nach Haufe gcfcf>icft morben. SrinEenb
unb raucbenb fafc man noch im föafino jufammen. 21n
ein paar Sifcbcn mürbe ©Eat gefpielt. 9?ofer hatte
einen ©d;mips. llnb ber machte ihm 221ut. 2öabern
b>atte it>n in ber lebten Seit hacbgcnotnmen. Sin 91egi-
mentsabjutant bat baju öfters ©elegenheit. 2Benn er
bie ^ulpermacbe meit braunen auf bem ©perjierplah
ju reoibieren butte, ftanb auf bem ©eheimjcttel immer
bie alleroerrüdtefte Seit — nad)ts brei Xtbr ! 2111e oier-
jebn Sage fam bas ungefähr oor. ©a follte einen nid;t
bie 2But paden ! 2Bas follte er in bem 21efte bis um jmei
anfangen? Xlnb bis er toieber nach Haufe Eam, mürbe
es oier. Unb um fed>s ging bie 91cErutenbimferei los.
21l)o nun auch bem 2Babern eins ausgemifcht ! Unb
menn ber Oberftleutnant barob ein langes ©eficf)t
machte, tat man momöglid; noch ein gutes 2BetE! 21a
ja, er butte ja jiemlicb oicl 91otmein, nicht oon ber
fd>led>teften ©orte, unb fo ungefähr jmei ftlafchen ©eEt,
neben einem S^ognaE unb etlichen ©las 23iet in fid?.
Unb eine Orbonnanj mar „auf oielfeitiges ©rängen"
auch fchan nach feiner 2Bohnung gefd?idt morben, um
bie Saute ju baten. Unter Hurrarufen brachten fie
jmei S?ameraben gcrabe an, bie auch fdmn ein bischen
tief ins ©las gefehen hatten.
„Sos, 2lofer, los — toas recht Srgreifenbes !"
„©ollt ihr haben ! — SBetin ber Herr Oberftleutnant
geftatten?“
©er mar, fein nad;fichtiges Säcf>eln um bie Sippen,
hcrangetreten. „21ber bitte — nicht ju laut!“
©tmas breitbeinig ging 21ofer in bem geräumigen
Simtner auf unb ab — ftimmte babei feine Saute, ©ic
gelben unb roten ©eibenbänber an ihr flatterten unb
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m
$>ie junge Kommanbeufe.
fnifterten bei jebem ©ctjritte. llnb bann blieb er oor
Söabern flehen, bec mit einem f?auptmann eine bienft-
üd)e 2lngelegenf)eit befprad). 9?ofer jminferte mit ben
5lugcn, faftte bie Saute fefter.
„Sjerrfcfjaften, eine 23allabe non 93örries v. 3Künct)-
f)aufen! SBirflid) mas feljr (Srgreifenbes ! Unb mem
etma bie S'ränen in bie 2lugen fteigen follten, ber braucht
fid? it>rec nicf?t ju fd>ämen. (Ss märe nur ein 8ekf>en non
einem fei?r empfinbfamen ^erjen! §>as mir natürlid)
alle l>abcn — oerftefd fid?
(Sin furjes 33orfpiel begann, bann fang 9fofet mit
feinem gellen Stertor:
bin ber “33age pon ^ocfiburgunb
Unb trage bet Königin Schleppe — “
Stuf ben fjufjfpitjen trat man näf)er fjeran, felbft bie
eifrigften ^artenfpieler breiten bie 6tül)le bem 93rubet
Seiddfhm <*u. (Sin paar Offiziere ftiefjen fid) mit ben
Ellbogen an, manches ©efid)t mürbe länger. Söenn
bas nur gut auslief l 2Ber f)ier ber ,,^3age non f)od)-
burgunb“ fein follte, bas begriffen fo jietnlid) alle.
(Sine ©pitje nad) ber anberen tarn. (Snblicf) näherte
fid) bie 33allabe intern (Snbe. Seifer griff 9fofer in bie
©aiten.
„$>a fd)K>eigt mein 2Kunb, roeil er fcfuoeigen inug —
23on einer Königin Küffel“
Söabern tjatte fofort gemerft, bafj ber ©ingfang auf
iljn gemünzt mar. Sllfo fo mcit mar es fd)on! SBarum
rif$ feiner 9?ofer bie Saute aus ber $anb? 3fun, bas
märe ja bas 2tllerbümmfte gemefen!
9lur Haltung! Haltung! 92lit ruhigen Slugen alle
angefel)en, bie um ifm f)erumftanben !
deiner fat) itjn an, alle an if)tn oorbei.
$>od) — einer!
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Stählung Dort £orft ®obemcc.
193
Oa hinten an ber Oür ber ©tajor ©amfdjtoert. 5*1*
faf> ber it)n an. Oie braunen £aare, burcf) bie fiel) fd>on
Silberfäben jogen, trug er f>ocf>gefämmt, ber »olle ©art
lag breitgejogen auf ben biden ©aden. Oie blauen
Slugen fd;ienen ju fagen: ©ift bu nod> ein ©l>ren-
mann?
Xlnb ber Oberftleutnant, fein £äd)eln um bie Sippen,
toippte mit ben gufcfpitsen, fcjjlug auf bem dürfen bie
Jjänbe jufammen unb redte bie breite ©ruft heraus.
Oa fam ©ofer ju ©nbe. Oer ©ruber £eid>tfinn
oerbeugte fid; oor feinem S^ommanbeur. llnb als ber
©eifall nict?t gleid) einfet}te, flatfdjte ber ©tajor 9?am-
fdnoert in bie S)änbe unb rief: „©raoo — ©raoo!"
Oa fielen f<f>leunigft bie anberen ein. SBabern erljob
fid) mit einem tiefen Sltemjuge. Oer gute ©amfdnoert
l>atte bie Situation gerettet, bas mürbe er it>m nie oer-
geffen.
Oer ^ommanbeur nidte ©ofer freunblict) ju. ©id>t
ber Schatten eines ©erbarmtes tonnte in if>m auf-
geftiegen fein. „Oas roar ja rounberlwbfcf) !" fagte er.
,,©s freut mief), bafc Sie Ql)re ©abe roeiter ausbilben."
Oas leid>tfinnige §ulm ftaef) ber £)afer. „§ert
Oberftleutnant, baju gibt mir Söabern genug ©er-
anlaffung 1 “
2111er fjerjen ftanben füll. ©Das fam nun?
Sadjenb fuf>r ©ofer fort: „©Denn id) nämlid; bie
©uloertoad)e ju reoibieren l)abe — icf> bin ba auf brei
Uf>r nachts feft' abonniert — befomme icf)'s immer mit
ber 2lngft ju tun. Oa fange icf) an 311 fingen, toie bie
fleinen S?inberd>en im Ouftern! Oas Reifet — bis i<$
auf breifmnbert ©teter an ben ^often f)cran bin, bann
toerbe icl> roieber jurn ©tann!"
So brollig !?atte er es gefagt, babei ctroas arg un-
fidjer auf ben ©einen geftanben, bafe ein lautes ©e-
1914. XI. 13
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194
®ie junge ßommanbeuje.
o
läd>ter ausbtacf), unb in bas ftimmte ber Slommanbeur
t>cc 5 t>aft mit ein.
„Oen 91eoifionsjettel merbe ich bie nächften 921a Ic
ab 33elotmung füt Qi)re £eiftung fclbft fd>reiben, bei
bem feuchten 2Better tonnten ©ie fid? fonft Bhre ©timme
oerberbent ©irtb ©ie nun aufrieben?"
„Slber fef>r, £err Oberftlcutnant — meinen gehor-
famften Oant!"
Hnb meil bie Stimmung anfing — nach bec ©pan-
nung — ein bifjehen fetje ausgelaffen ju merben, emp-
fahl fid> ber $ommanbeur. ©ie älteren Offijierc
folgten it>m.
3Han fing an, SDabern ju hänfeln mögen bcs „Slbonne-
ments“, ba lachte er, bro^te 91ofer mit bem Ringer unb
fuctjte fich einen ©tat jufammen, benn jetjt bie jungen
©ächfe ganj allein $u laffen, hielt er nid>t für angebracht.
Unb roas er morgen ju tun hatte, bas mufjte er.
©er Oberftleutnant fafj im 9?egitnentsgefchäfts-
jimmer am ©chreibtifch unb lief* fid; oon feinem 2lb-
jutanten 33ortrag halten über bie Eingänge, fragen
rourben geftellt, befehle gegeben.
2lls bas erlebigt mar, reefte fid; Söabctn hoch auf,
fah mit emftem ©eficht herunter auf feinen im ©effel
oorgebeugt fitjenben ^ommanbeur unb fagte: „§err
Oberftleutnant, barf ich gehorfamft eine perfönliche
33ittc v ortragen!"
^allboom minfte ladjenb mit ber £anb ab. „Sich,
geftern abenb megen Slofer — ich weijj fchon ! Nehmen
©ie bas hoch nicht tragifd) ! ©ent fchabet es gar nichts,
toenn er bann unb mann orbentlid) auf ben £rab ge-
bracht mirb. geh wollte nur geftern abenb bie Stim-
mung nicht umfchlagen laffen, benn ich bab’s fchon er-
lebt, baft bei einem fiiebesmahl aus einer gelinben
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Srjäbluug pon £ocft 3Jobemec.
195
Sjänfelei beinahe ein gehöriger S?rad) mürbe. Sieber
mal ein bifjdjen oorbeugen. ltnb bafc bet junge §etr
fiel) nid)t aufs l>ol>e ^ferb fetjt nad; bem gelinben 8u-
geftänbnis, bafür Iaffen 6ie mid> nur forgen!“
Söabern tniff bie Sippen jufammen, bie biefe SBulft
lag mieber auf feiner 6tirn. Herrgott, machte it>m fein
S?ommanbeur bas Sieben fermer. „Oas t>at mid) mirE-
licf) nid>t fonberlid) berührt, $d; trage mid) mit t>iel
fdjmermiegenbercn ©ebanEen. ©etmrfamft bitte id),
mit möglicher 33efcf)leunigung meine 33erfet$ung jur
©dmtjtruppe beantragen ju mollen."
Oa fprang ber S^ommanbeur auf. „SBabern, 6ie
twben mof)l fcf)led>t gefd)lafen?"
,,©ar nid)t, £err Oberftleutnant! Qd) l?abe aber
bie 2lbfid)t fd)on länger. Oie lebten 8a>eifel fcfjmanben
mir, als geftern abenb Slofet feine 25allabe fang. Oie
mar nämlid) auf micf> gemüht!"
Oas 33erftef)en Eam. ®d;arf fal> ber Stommanbeur
feinem Slbjutanten ins ©efid)t — eine f>albe SKinute
lang.
Oer t?ielt ben 23li<E aus.
fjallboom fenCte ben $opf, jdjlug bie §änbe auf
bem Slüden jufammen, fagte: „2ld> fo — ad) fo!“ unb
ging im gimmer auf unb ab. .
SBabetn ftanb bamit jufammengepre^ten Sippen.
Oaß er biefem ©belmenfd;en, ber es immer gut mit
il>m gemeint l)atte, fo mel) tun mußte! Slber es toar
bie allerl)öd;}te Seit, baß er ben SHunb auftat.
©nblid) blieb ber S^ommanbcur oor if)tn ftefjen.
„6ie l>aben ja bas orientalifcfjc ®eminar nod; gar nid;t
befud)t! ©ine 23erfe^ung nad; ben Sleictjslanben ober
nad> Oftprcufeen mürbe mot)l aud) genügen?“
Söunberbar mar's, mie ^allbootn fid? in ber ©emalt
l;atte.
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196
$>ie junge ßommanbeufe.
„SZein ! 3d> mu| mir bcn SBinb tüd)tig um bie Of>ren
mcben laffcn, unb bei bcn Vcaicfjungen, bie bet §err
Oberftleutnant tjaben, märe eine 2lusnat)me non
ber 9Zegel burd^ufeijen."
„kommen 0ie in jel)n Minuten toiebec, Söabem I"
©ie 6poren flirrten, eine Verbeugung, ber lange
Slbiutant ging.
©cn S?opf in beibe £änbe geftütjt, fetjte fid> §all-
boom an feinen 0d)reibtifd). 2Zid>t bie 0d>uU> bei an-
beren fud;en, fonbern junädjft bei fid;! 3n feinet 2lt-
beitsmut f)atte er bas 2Zäd)ftliegcnbe überfetjen! ©a
fiel es if>m mit einem 9Hale ein, bafj feine junge 5 cau
in ber lebten Seit nicf>t gut ausfal). ©r l)atte fid? feine
©ebanfen barübet gemacht. 0ein $el>lcr mar es ganj
allein! SBarum l)atte er fid) nid)t met)c um fie ge-
flimmert!^ 0o toar's ja immer: ben, ben’s am meiften
anging, ber erfuhr fold)e ©inge ju allcrlcijt. 2öas fid)
maf>rfd;einlid; bie 0pat$en fd)on längft oon allen ©ädjcrn
ber 0tabt jupfiffen, mufcte il>m ber erft fagen, ber —
211) nein, Sföaberti mar fein £ump, unb feine fjrau,
bie mehrte fid), mie fid; Söabern mehrte!
2Üfo bie Trennung l)crbeigefül)rt mit ruhiger £>anb
unb mit 2Bürbe. 28enn er in Verlin an bie rid)tigen
©üren anflopfte, erreichte, er fct)on, um mas fein 2lb-
jutant gebeten fjatte.
Unb als bet nad; jelm Minuten mieber eintrat, fal)
il;n ^allbootn nod; einmal mit großen Slugen an.
2Zcin, es mar nid;ts gefd)el)en, mas iljm ben 9Zeoolt>er
in bie fjanb geamungen f)ätte !
,,©ie — £öfung mirb in aller 9?ul)e oor fid) gcl;en.
Unb id) f>abe 3b n ^n ju banfen, SBabern. borgen früf>
fal;re id) nad; Verün."
©ine ftunune Verbeugung, ©er Slbjutant ocrliejj
bas SiiTnner. — — —
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Stählung dou §orft 23obemer.
197
2 lls ber Oberftleutnant nad) §aufe fam, fafj feine
grau am genfter, mübe unb blcicf). <Ss mürbe if>r
ferner, bie Slugen oon ber ©trafce logjurei^en.
©ein fjetj Erampfte ficf> sufammen. ©er 2Beg oom
9Eegimentsgefd>äftS3immer nad) feiner 2Bof)nung führte
SDabern l)ier oorbei — täglid) um biefe geit.
,,©d)on ba, 3Hanni?"
©ie J>ielt il)m bie Sjanb I>in , faf> aber an it)m
porbei.
(Sr blieb ganj rufjig. „gd> bin etmas früher ge-
Eommen, um bid? 311 fragen, ob bu morgen auf ein paar
Sage mit nad> 23erlin fahren roillft. gd) t>abe bort 311
tun !“
„SBenn id> bid> nid)t ftöre — gern."
2Bie matt bas Hang ! grüner u?äre fie il>m ftürmifd;
um ben S^als geflogen.
„5llfo gut! 9?id)te bid; auf brei, oier Sage ein. —
Übrigens fiet)ft bu elenb aus ! gd) l>abe bid) ein bifeefjen
pernacf)läffigt, ftaE 31 t fef)r in ber Slrbeit. ©as foll nun
anbers toerben. 2 lud; ©pasierenreiten merbe id> täg-
lich mit bir, toenn es bas SBetter 3 ulä^t."
2 Bie geiftesabroefenb ful;r fie fid) mit ber §anb über
bie ©tim. „ga, id; fül>lc mid) aud> niefjt red)t mol>l in
ber lebten Seit, mein S^opf tut mir roch, unb bann laftet
fo eine £äl;mung auf mir, eine £ät)tnung — "
SBeiter burfte bie Slusfprache jeijt nicht gelten. ,,©u
mußt 'raus! (Sin gutes Sweater felgen, eine Oper Ijören,
unb einen Slbenb gcl;cn mir in eine ‘pSoffe, bamit bu
bicb tüd>tig auslacben lannft. ©cbliefjlid) Eommt's ja
nid?t brauf an, ob mir 3 mei Sage länger bleiben!“
©a erhob fie }id> enblid) pon il;rem ©it$ am genfter,
„^iclleidpt t>aft bu red>t ! ^öffentlich muntert mid) ber
©rofjftabttrubel auf ! geh weiß gar nicht, mas mir ift.“
(Sr fab cs, mie fic plö^lid; 3 iifammen 3 udtc.
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198
©ie junge Kommanbeufc.
□
„ftd? toerbe nad? bem ®ffen feiert," fut?r fic fort unb
ging.
Stuf bem S^orribot lernte fic fief? gegen bie SBanb,
it?re S?nie jitterten. 9tun fing auef? nod? bie Sügerci
an. Stber fie tonnte intern SKannc jei$t nid?t fagen: ©u,
id? toet?re mief? mit alten Kräften. SScnn bu mir aber
nicf?t l;ilfft, bann brcd?e id? ^ufammen!
Stber er rooltte fief? ja nun met?r um fie tümmern,
mit if?t fpajierenreiten — unb bann fam fjoffentlid? ber
£ag, an bem fie if?m fagen tonnte: S}ilf mir, id? fürd?te
mid? oor SBabcrn ! Stber tu if?m nid?ts, benn ber tämpft
ja aud? gegen bas 33ert?ängnis !
©ne 2Bod?e fpäter toar ber S^ommanbeur aus 93ertin
jurüd. © fagte ju SBabern: „<£s toar ein ferneres
©tüd Strbeit, aber id? l?ab's erreicht ! 6ie toerben ber
©djutjtruppe in Kamerun jugeteilt. 9tet?men 6ie je^t
Urlaub unb fagen 6ie 3(?ren beiben ©cf?toeftern Siebe-
nmal. Unb bann tommen 6ie toieber unb tun 3(?ren
©ienft, bis S^ommanbierung betannt gegeben
toitb.“
„Bu 23efet?I, S)err Oberftteutnant, bas fd?cint mir
aud? bie befte Söfung!“ —
Unb als SBabern auf Urlaub gefahren toar, fpraef?
S^allboom mit feiner ftrau. 9tut?ig unb ernft. ©ft
judten nur bie Steroen auf it?rem ©efiebt f?in unb f?er,
enblicf? tarnen bie tränen. ©ie mochten erft reid?licf>
fließen, ©ann rebete er oon feiner eigenen ©d?ulb.
©ie rooltte fie nidjt gelten taffen. Unb fcfjliefjlid?
Hämmerte fiefid? an feinen $?als unb meinte ficb ootlenbs
aus an feinet 93ruft.
9Babern tarn jurüd, tat toieber feinen ©ienft, jtoci-
inal ritt er aud? mit bem <5t?cpaar fpajiercn.
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Srjä^lung oon §orft 93obcmec.
199
Slls ihn bie junge S^ommanbeufe miebec fab, ftreette
fie ibm bie £>anb entgegen unb fagte ju ibm: „Sd>abe,
baf$ mir @ie balb verlieren merben, §err o. SBabern V‘
©er oerbeugte fief? ftumm.
93alb mufcte felbft ber leichtsinnige Stofer, baß es
jettf für bas gefamte Offizier Eorps Inefr: bie hänbe
halten über unferen S^ommanbeur unb feine junge
grau — unb auch über ben langen Slbjutanten. Söenn
einer magen follte, auch nur bie SHunbminEel ju oer-
jieben, fo ftanben fie alle, bie hier ben fchmarjen Samt-
tragen trugen unb bie Schärpe um ben fieib, rnie ein
STtann oor ben breien.
©ines Slbenbs Hefe ficb ber SHajor Stamfchmert bei
SBabern melben. (Sr tlopfte feinem ehemaligen 33atte-
rieleutnant erft ftumm auf bie Schulter unb fagte bann:
„SHeine grau läfct Sie bitten, mie früher fo oft, heute
bei uns als einjiget ©aft bas Slbenbbrot einju-
nehmen."
©a fchofe SBabern bas SBaffer in bie Slugett. ©in
banEbarer hänbebruct unb bann ging er gleich mit. —
Sicht ©age fpäter ftanb bie 93erfehung Söaberns jur
Schu^truppe nach Kamerun im STlilitärmochenblatt.
©er Oberftleutnant hallboom fetjte für ben nächften
STlittag eine Offijiersbefprechung an.
Stach Srlebigung einiger bienftlichen Slngelegen-
heiten fagte ec: „35ei einem ber Stegimenter, in benen
ich geftanben hübe, mar bie fd>öne Sitte, an ben Slb-
fefnebseffen, bie fcheibenben S^ameraben gegeben mürben,
auch bie ©amen 511 erfuchen, teiljunehmen. SUcine
herren, mie benEen Sie barüber?“
Sporen Eiirrten, alle oerneigten fiel; juftimmenb.
„Sllfo gut! gd; batf mohl bie oerheirateten h^cren
bitten, gh f e ©amen mitjubringen. Unb ba SBabern
febon morgen mit bem Steunuhrjug abenbs na<h ^Berlin
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200
5>ie junge ßommmtbeufe.
□
fahren unll, fetjen u>tc bas Siebesmahl am beften auf
fed>s Uhr feft ! — Qd) banfe ben Herren!" —
3n>ifd>en ber jungen S^ommanbeufe unb ber ftrau
OTajor 9tamf<hu>ert fafj SBabern, bereits in 6d;utj-
truppenuniform, in ber Sftitte ber ©afel. 3^>m gegen-
über !>atte ber Oberftleutnant ^31a^ genommen. $n
Hugen, toürbigcn SSorten hatte - ^allboom SSabern
©lüd auf ben 28eg gett>ünfd>t unb bann ein £oct> auf
ihn ausgebracht.
Sille fließen mit ihm an, als einer ber lebten ber
leichtsinnige 9*ofer. ©em judten bie 9Runbu> Intel.
Unb bann t>atte fich SBabern erhoben unb mit träf-
tigen SBorten betn Regiment unb feinem ritterlichen
SSommanbeut gebantt.
©en Kaffee nahm man im ^ebenjinnner ein. ‘plau-
bernb faft unb ftanb man jufammen, um Söabern
immer ein großer S^reis. Unb manches Slugc fchiclte
oerftohlen nad; ber jungen S^ommanbeufe.
©ie hatte fid; meifterhaft in ber ©eroalt. 9?echt
blafj fah fie freilid; aus, hatte aber für jeben ein paar
liebensroürbige SDorte unb plaubcrte auffallenb oiel
mit $rau SRamfchtoert.
©egen halb neun erhob fic±> ber S^ommanbeur.
„22teinc Sperren — einen Slugenblid, bitte! ©s roirb
3eit für SBabern ! ftd) begleite ihn 311m 23ahnhof, roer
oon ben Herren fommt mit?"
Sille trollten natürlich mitgehen, ftür bie ©amen
tourben 3m Heimfahrt ^rümpertoagen bereit ge-
halten.
SUilng unb ernft trat SBabcrn 3uerft auf bie junge
S^ommanbeufe 3U, um fich oon il;r 3U oerabfd;iebcn.
©icf beugte er fich über ihre |janb.
Saut unb feft Hangen ihre 2lbfd;iebstoorte: „3d>
toünfche Bh^en bas 33efte, roas eine Offisiersfrau 3hnen
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□ Srjähtung »on §orft 35obetncr. 201
tpünfchen barf, §err p. SDabern: Stampf unb Sieg unb
eine glüdlidje $eimtet)c!“
SBabern t>ob ben S^opf, fal>, Dleüeid>t jum lebten
SItale, in bie peild>cnblauen, großen Slugen unb oec-
beugte fid; bann por f^rau StamfchtPert.
©ie fagte nur: „Sieber £err t>. SBabern — lieber
£>crr p. SBabern!"
Söeiter ging er mit ernftem ©efid)t non einer Stegi-
mentsbame jur anberen, bann liefj er feine Slugen noch
einmal gleiten über bas Simmer, on beffen SBänbcn
bie 23ilber aller Stegimentsfommanbeure gingen. Sin
ber Scbtpclle breite er fid> noch einmal um, noch eine
23erbeugung oor ben ©amen bes Regiments, unb bann
brängten bie S^ameraben nad>.
Stpifd)en bem S?ommanbeur unb bem Sliajor 9?am-
fd;u?ert ging SBabern jum 23ahnl>of. SMt unb finfter
tpat bie Stadd. SBie eine breite, fdnparje Sltauer fd>ob
fich bas Offijiertprps auf betn gahrbamm por, hinunter
jum 93af>nf)of. Slb unb 311 flirrte ein Säbel, ab unb 3 U
fiel ein halblautes SBort.
günf Minuten fpätcr fuhr ber gug ein. 9tocf> ein
furjes ^änbefchiitteln, nur ber S^ommanbeur h**lt
SBaberns £anb länger feft unb fat> ihm in bie Slugen.
Unb biefe Slugen fagten: bid; pergefj ich nicht — bid>
nicht!
Unb bann fchritt Söabern auf bas Trittbrett, ftanb,
bie £anb am breitfrempigen Sdmhtruppenbut, am
heruntergelaffenen ftenfter unb fab herab auf bie S?amc-
raben.
©a redte fich ber Oberftleutnant auf, fd>neibenb
flang feine Stimme, fo fchneibenb fcharf, tpie es nur
bie Orbonnanäoffijiere bamals im Sltanöper gehört,
unb rief: „Siteine Herren, brei Hurras für unferen
SBabcrn !“
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202 3>ic junge ftommanbeufe. o
©rei Hurras mälzten fid> butd) bie roeite 33ahnhof-
halle. ©ie £eute auf bem 23ahnfteig biteben flehen, gug-
fenftec raffelten herunter, S?öpfe tarnen jurn S3orfchein.
,,©rei Juttas auf unfer liebes, altes Regiment unb
feinen ritterlichen S^ommanbeur!“ rief SBabern.
SAu^cn mürben gcfchroenft, 6 d;affner fdjlugen bie
©iiren 5 U, langfam fe^tc fid) ber 3»g in 23etr*egung.
6 tramm ftanb Söabern am fünfter, falutierenb,
bis ber letzte S^amerab feinen Slugen entfd>u?anb.
Sin echter beutfeher SAattn fuhr in bie Stacht hinaus.
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Heuere Brutapparate.
Doti m. €(»ncr.
IHit 9 Bildern. ♦ (nact)dru<t »«boten.)
^^ie Eünftlidje Vebrütung jum S^ccE einer SRaffen-
aufjudjt oon 2Eut$geflügcl f)at für bie mobetnen
.^ulturftaaten eine praEtifdje Vebeutung erft feit ungefähr
picrjig Sauren gewonnen. $>as ift um fo oertounber-
licber, als man aus bem Veifpicl ber ©binefen ttnb ber
alten 3igppter eigentlich fd)on not 3at>rl>unberten tȊtte
lernen tonnen, wie jwectmäfoig, lolmenb unb oerfmlt-
nismäfjig einfach ein fold>es Verfahren ift.
28ir finb über bie ©inrid;tung ber ägpptifd>en 33rut-
bäufer aus Stbbilbungen unb Vefcbreibungen siemlid)
genau unterrichtet. 6ie waren aus Siegeln ober aus
£el>m erbaut unb enthielten 31t beiben ©eiten eines
fcf»malen ©anges jahlreidje Kammern, in benen Sau-
fenbe oon ©iern gleichzeitig bebrütet werben Eonnten.
§He baju erforberlicf;e SSärme nntrbe burd) Verbren-
nung eines langfam glimmertben ©emenges oon
©ünget unb häctfel erjeugt unb ben VrutEammern
burch oben angebrachte Öffnungen jugeleitet, wäljrenb
für bie ebenfo unerläfelid^e Lüftung burch einige ©eiten-
löd>er geforgt roar.
2lllerbings ift uns über bie Slrt, toie bie ©ier wäfjrcnb
bes Vrutprojeffes bel>anbelt würben, Suoerläffiges
nid>t überliefert toorben. 28ir toiffen fogar, bafj biefe
27ietl)obc oon ben Leuten, bie fich mit ber ©eflügel-
204
2kuere Brutapparate.
□
auf jucht befaßten, als ein ©eheimnis gehütet mürbe;
aber man tann ohne weiteres annehmen, bafj man fdjon
oor Sahttaufenben ungefähr basfelbe Verfahren be-
obachtet hoben toirb. Sluch bie ©hinefen gehen bei ber „
oon ihnen feit ftahrtaufenben in großem Umfange be-
Sinfache Brutmajd>ine alteret Ronftruftion.
triebenen tünftlichen 23rut auf bie nämliche 2Beife ju
SBerte, unb es tonnte nicht roohl anbers fein, ba man
fid; eben bamals roie heute bas Verhalten ber brütenben
Jjenne jum 33orbilb nehmen tnufjte.
8u miffenfchaftlichen gmecten hotte man fich in
©uropa mohl fchon oor jroeihunbert Sohren mit allerlei
©rperimenten behufs tünftlicher 33ebrütung oon 93ogel-
eiern befaßt; aber man bachte an eine prattifd;e 2lus-
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93on 9tt. Slsner.
205
□
nüßung ber babei gewonnenen Erfahrungen ccft, als
bie Erjeugniffe bcc auf natürliche 2Beifc betriebenen
©eflügeljucht bem ftänbig wachfenben Bebarf nicht
mehr ju genügen oermochten, ©ie erften, in ben fieb-
riger fahren bes oorigen fjahrhunberts tonftruierten
Brutofen hätten naturgemäß noch t>tele Blängel, unb
auch ^ bejug auf ihre fachgemäße Behanblung tonnte
erft nach unb nach nötige tibung erlangt toerben.
$)eute aber ift ber Bau oon Brutapparaten bereits ju
SDacmluftbrutapparat „5>etroit“.
einem recht lohnenben Jnbuftriejweig geworben, ber
jahlreiche Jabriten in ©eutfchlanb, Englanb, Jrant-
reich unb ben Bereinigten 6taaten befd)äftigt, unb man
barf getroft behaupten, baß ber bei weitem größte Seil
bes in ben genannten fiänbern auf ben Btarft gebrachten
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206 Sleuete Brutapparate. □
SRaftgeflügels auf bem SBege ber fünftlid>en Slusbrütung
gewonnen worben ift.
3n bet S^auptfachc tjanbdt es {ich bei ben in SRebe
ftehenben Apparaten um jmei oerfdnebene ©tunb-
tppen: um SSafferbrüter unb Suftbrüter, pon benen
jebet unter ben Fachleuten feine Verteibigcr unb feine
©egner f>at. 2lls SBärmequclle bient, abgefehen pon
einigen wenigen alletneueftcn 2Robellen, bic fich bie
©lettrijität für biefen Stoccf nußbar machen, burchweg
eine außerhalb bes eigentlichen Apparats angeorbnete
Petroleumlampe, bie cocgen if>ret leisten 9 ?egulier-
barfeit burd> ein befferes Vtebiutn bisher noch nicht h<*t
erfeßt iperben fönnen. ©oll bie 33 cbrütung burch er-
wärmte £uft gefchehen, fo läßt man biefelbe burch einen
bic Satnpe unthüllenben Splinber unb ein Suleitungs-
rohr in ben Vrutraum einftrömen, unb jtoar immer
oon oben her, ba bie SBärme, bem Vorgang bei ber
natürlichen Vrut entfprechcnb, ben ©iern nur pon oben
jugeführt toerben barf.
©er Nachteil biefes an unb für fid> einfad;ften Ver-
fahrens befteht in ber ©chwierigfeit, ber sugeführten
Söärme jenen ^eudjtigteitsgehalt 311 geben, ber für
einen befriebigenben ©rfolg unerläßlich ift. 2Ran fucht
fich bamit 3U helfen, baß man bie £uft por ihrer Ve-
rührung mit ben ©iern über einen mit SDaffer gefüllten
VehäUer hinftreichen läßt, unb baß man folcbe Vehälter
311m Fwccfc ber Verbunftung auch in bem eigentlichen
Vrutraum aufftellt.
Veporsugt iperben aber pon pielen ©eflügel3üd>tern
Apparate, bei benen ein im oberen Seil befinblicher,
roaffergefüllter Steffel feine burch bie Sampe er3eugte
2Bärmc an bie unten angeorbneten ©ier abgibt, bie
3ut ©rmöglicßung einer häufigen Sageänberung unb
Süftung in einer h cra us3iebbaren ©cbublabe ruhen.
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33on 9R. Steuer.
207
□
SBefentUch ift in bem einen toie in bem onberen gall,
baß bet ©rutofen jotoohl bie ©rhaltung einer ganj
gleichmäßigen SBärme oon 39 bis 40 ©rab ©elfius toie
einer ausreidjenben Lüftung im Srutraume geroähr-
AJarmluftbcutapparat „Sppbers".
leiftet. gebe Anoolltommenheit in einet ober ber an-
beren §infi<ht rächt fich unerbittlich burch teiltoeifes
ober oollftänbiges Ausbleiben bes erhofften ©rfolges.
©ines ber älteften unb einfachen Älobelle ift bas
in unferer erften Abbilbung oorgeführte. ©>ie auf einer
Unterlage oon feuchtem 6anb in einem flachen, offenen
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208
teuere ^Brutapparate.
Lüftchen angeorbneten (Eier toerben pon oben ^er in
eine fchachtartige Vertiefung gebracht, bie, burd; einen
hoppelten ©edel oerfchloffen, oon ber ertoärmten Suft
burchftrömt toirb. ©er toenig umfangreiche unb leid;t
transportable 2lpparat eignet fid> befonbers für Heinere
Vetriebe unb liefert bei genügenber Sorgfalt in ber
Vetwnblung ber (Eiet feht annehmbare Nefultate.
©leichfalls ein 2Barmluftbrüter ift ber Slpparat
„©etroit“. (Er enthält gleid; einigen anberen ber roeiter
unten aufgeführten Lobelie eine (Einrichtung für bic
Aufnahme ber eben ausgefrochenett Spülen, um fie ben
nötigen ©rodenprojeß burd>mad>en ju laffen. Sie
brauchen nid;t mit ben S}änben berührt ju toerben, um
in biefen nach außen burch ein ©lasf enftcr abgefchloffenen
©rodenraum ju gelangen, ba fie ihn, burd/ bas Sicht
angejogen, fofort nach erlangter Vetoegungsfähigfeit
felbft auffuchen.
Noch beutlicher crfichtlid) ift bie 31t biefem 8«>e<f ge-
troffene Nnorbnung auf ber folgenbcn Nbbilbung bes
unter bem tarnen „Spphers" in ben §anbel gebrachten
Apparats, ©ie ©ierchen fallen tyitt, fobalb fie fich,
einem Naturtrieb folgenb, bem ^enfter ju nähern
fuchen, in eine unter bem Vrutfafien befinblid>e jtoeite
Schublabe, in ber man fie bis jum oollftänbigen ©roden-
toerben beläßt, um fie erft bann in einem geeigneten
Nufjuchtbehälter unterjubringen.
©er Vrutofen „Sa ©rignonnaife“ gilt für einen be-
fonbers glüdlid) erbachten Apparat, ©ie SBärmequelle
ift hic c nicht fcitlich, fonbern unterhalb ber ©ouoeufc
angebracht, unb ein finnreiches Negulierungsfpftent
oberhalb ber Vtuträume ermöglicht bie genauefte
©ct>altung einer gleichmäßigen ©empecatur. Vegreif-
lichertoeife ift inbeffen auch bet ^ceis biefes Nto-
bells ein oerhältnismäßig hoher, unb feine Vertuen-
Digitized by Google
ii
□
Bon 98. Slsner.
209
bung bürfte borum auf größere Setriebe befcfjräntt
bleiben.
(Sine bet neueren Slrten eines SBafferbrütcrs ift ber
auf bem näc^ften Silbe bacgeftdlte Slpparat „§>as
SBunber". Sine fd;einbar unbebcutenbe, aber o^ne
Stueifel fefjr ätuccfmäjjige Neuerung an biefer Souoeufe
1914. XI. 14
Digitized by Google
Brutapparat „£a ©rignonnaife".
210
Steuere ^Brutapparate.
ift bie 93erfchlie&barfeit ber Schublaben. ©er Steugier
Unberufener, bie oft genug ben Erfolg aller gebulbigen
23emühungen bes 8ücf>ters vereitelt, ift bamit auf bie
einfache unb wirffamfte 2lrt ein Siegel oorgefchoben.
©er Apparat „Sinet" ift gewiffetmafcen als eine
Kombination oon SBaffer- unb Suftbrüter anjufeljen.
SBarmroafjerbrutapparat „®as 23unt>er“.
23efonbere Sorgfalt ift bei biefem Sftobell auf bie Her-
beiführung einer oorjüglichen ©urdjlüftung oenoenbet.
Sie gefehlt auf breifache 2Beife unb läfjt nach bem
Urteil erfahrener Fachmänner in ber £at nichts ju
toünfehen übrig.
©er SBafferbrüter „Saint 9ftichcl“ jeigt in feiner
Konftruttion feine nennenswerte 2lbwei<hung oon bem
gewöhnlichen ©ppus, man müßte benn bie leicht ge-
Digitized by Google
Bon 2H. Gclsner.
211
□
toblbte ftorm ber jur 2tufnafcme ber ©ier beftimmten
6d)ubfäcf>er als eine foldje anfe^en. §>a& ber burd) ein
©la&fen|tec abgcjdjlofiene „Srodenraum“ nidjts 9Ieues
meijc ift, £aben u>ir ja bereits gefeiten.
©ttnas 31eues aber ift bie in bem Apparat „9Kas-
Digitized by
Brutapparat „6inet“.
212
Steuere Brutapparate.
cotte" angeftrebte Bereinigung oon Brutofen unb
„fünftlidjer ©lüde". ©ie Berfertiger liefern nämlich
eine Borrichtung, burct) bie nach bem 2lusfd>lüpfen ber
ftüfen bie Brutfcfmblabe erfetjt toerben foll, unb bie im
SBarnuoafjcrbrutapparat „Saint 92tic|>cl“.
tr>efcntlid;cn aus einem mit leichtem 6toff befpannten
Btctallrahmen befielt, ©er burdj biefen Bahnten ab-
gefd;loffene Baum foll bann jur weiteren Slufjudjt ber
jungen Hühnchen bienen. Berichte über bie mit biefem
Slpparat gemachten Erfahrungen liegen uns nid;t oor.
Einigermaßen bebenflid; aber erfd>eint bas gehlen
23on 9K. Slsner.
213
biefe Regulierung bei ber Toupeufe „53iltina", einem
aus jtoei Kammern beftefjenben 23rutofen, befjen £r-
toärmung burd) 3ic!ulation ber ertöten £uft jtmfcfjen
ben beiben Kammern betoirft toirb.
einet 93orricf)tung jur Regulierung bet Temperatur.
Xlm fo juoerläffiger erfolgt auf elettrifcfcem SBege
Digitized by Google
20armn>afferbrutapparat „92tascotte
214
Steuere Srutappacate.
23is ju tpeld>en ^eintjdten ber ^onftruftion man
bei ben neuesten Apparaten gelangt ift, mag bie nad)-
fteljenbe, ettpas ausführlichere 33ef<breibung bes non
einer beutjdjen ftdbfi* t>crgeftellten fogenannten ©trat)-
Srutappacat „23iltma‘‘ mit eleltrifchcr Söärmeregulierung.
lenbrüters „©ermania" ertpeifen, bec jid> in ber ‘iprapis
portrefflicb berpctyrt haben foll. ©r bat unten bie ©cf)ub-
labe mit ben ©iern, bie auf ©ratjtgaje ruhen, bamit bie
pon unten fommenbe, burd> 2Baffer ftreicbenbe fiuft
fie pon allen ©eiten umfpülen tarnt. 5>ie SDärmequelle
ift, n>ic gcu?öt>nlid>, eine feitlid) angebrachte ‘•petroleum-
Digitized by Google
33ou 9tt. Sisner.
215
□
lampe, oon bet aus bie ertöte £uft in gefd>längclten
9?öt)ren in einiger f)öt >e über bie (Eier f>intt>egge?üf)rt
toirb.
Über ben (Eiern befinbet ficf> eine mit 2itt>er gefüllte
elaftifcfje S^apfcl. ©ie SBärme bringt ben 2itl>et jur
23erbampfung, bie S^apfel belmt fid> aus unb t>ebt ba-
burd) einen (Stift, ber burd> ben ©edel bes 2lpparates
get)t. (Er bient baju, einen 2Sagebal!en in 23en>egung
ju fetten, an beffen einem 2lrm ber ©edel ber fiampe
fjängt, mäljrenb ein £aufgcn>id;t am anberen 2lrtn für
bie $)erftellung bes ©lcid>getr>id>tcs forgt. ©urct> eine
6d)raube erfolgt bie genauere (Einftellung auf ben ge-
roünfcfjten 2Bärmegrab. Gteigt bie Temperatur her-
über hinaus, fo t>ebt fief) ber ©edel ber £ampe unb läfjt
bie ^eijgafe enttocidjen, ef)e fie in ben Slpparat ge-
langen tonnen. Gintt gelegcntlid; in biefem bie Tem-
peratur, fo ocrbidjtet fief) ber 2itl)er, bie Zapfet äiet>t ficf>
jufammen, unb mit bem 6inten bes Übcrtragungs-
ftiftes fintt aud; ber ©edel ber Sampe.
Digitized by Google
□
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mannigfaltiges.
^ (tla«J)örucf verboten.)
(Sine metttniitbige Nubiens beim Sultan. — 3m gaßre 1841
t»cfucf>tc eine ®ame ber l>öcf>ftcn englifd>en Slriftotratie Ron-
ftantinopcl. Sie I>attc fich's in ben Kopf gefegt, auch bem
Sultan Slbbul 9Kefcf?ib ihre Slufmartung ju machen. 3u bem
3mect fudjte fie ben englifchen SBotfcf?aftcr auf, ben £orb ^on-
fonbp, unb bat it>n, fie bem Stonarchen »orjuftetlen. ©er
©iplomat geriet in nicht geringe Verlegenheit. ©s mar ju
jener 3«it unerhört, baß <*ine ©ame um Slubienj beim Sultan
nacfjfucbte. ©r tonnte nicht umhin, it>c bas ju Jagen, unb lernte
jebc Vermittlung in ber Sache ab. Seine oornehme Vefucf>erin
jebod; mar über biefen Stange l an ©ntgegenfommen ftart ent-
rüftet unb crtlärte ihm, ba er benn fo ungefällig fei, merbe fie
febon jemanb anbers finben, ber it>r ben Söillcn täte.
Sie menbete fid> an 9tefd)iö 92?uftafa ^afcfja, ben Stinifter
bes Puffern, unb biefer mollte ber einflußreichen ©ame jmat
bic Sitte nicf)t abfchlagen, mußte aber ihre ©rfüllung nur in
ber Steife cinjufäbcln, baß er feinem ©ebieter mittciltc, cs fei
„eine ^erfon“ aus ©nglanb angefotnmen, bie eine munbcrbarc
Sammlung ebler gumelcn mit fid; führe; ob nicht »ielleicht
Seine Siajeftät biefe ßoftbarfeiten befichtigen möchte. Seine
Stajeftät, ein großer Siebhaber mertooller Steine, mar nicht
abgeneigt unb befahl, baß it>m bie Sammlung jugefchidt merbe.
©arauf gab ber Stinifter ben Vefdjcib, bic betreffenbe „Scrfon"
fei außerorbentlich beforgt um ihren Schaß unb trenne fich nie
oon ihm.
„So führen Sie alfo ben gumelier ju mir," befahl ber
Sultan.
Stets jeßt folgt, ift erft gahre nachher, als bie ©obesnach*
Digitized by Google
Alannigfaltiges.
217
□
ric{>t bet Atiftotratin nach ßonftantinopd brang, pon betn
liebenstpütbigen ©tofjtpcfit, roeld;e SSürbe Kefchib Atuftafa
bamals bcfleibete, einem gournaliften ccjätjlt unb banad) in
einer gc^ung pcröffentlicht tporben.
©er Scrkht lautete: 3<h antoortete jögernb: „Gute 9Rajc-
ftät möge mit meinen Alangcl an ©elitateffe jugutc galten,
cs tjanbelt fiefe abet in bet Angelegenheit um eine n?eit>Iid>c
^erfon, unb fie pflegt bie gumelcn, wenn fie fie jeigt, immer
an ihrem Stnjug ju befestigen obet fonft anjulegen."
©et 6ultan fchüttclte ben ßopf unb fagte: „©ann fügten
6ie fie ju mit, unb mag fie meinethalben bie <S<hmudftüdc an
fi<h tragen. Sic fommen aber als ©olmetfd>et mit.“
teilte bataufhin bet £abp mit, bet Alonard) habe <h c
eine Aubienj bewilligt, et ermatte abet, bafz fie möglichft picl
poit ihrem Schntud anlcge, poh betn et picl Kähmens gehört
habe, ©ie Ariftoftatin lachte übet biefe gumutung, untertparf
fich if>t aber gern unb fchmüdtc ficf> ju betn feierlichen Alt mit
all ihren Scad)tftüden an gutpclcn. 3h c Anjug, ihre ^tifur,
iht fjals, Arme, ginget glitzerten nut fo Pott Stillanten, Seelen
unb allen crbcnflichen ©belfteinen, ihc ©efchmeibe leuchtete
buchftäblich in allen fjatben bes Kegcnbogcns, als ich mit ihr
im ^palaft bes Sultans etfehien.
„gn bet $at feht gut, fie hat ja eine beftechenbc Auswahl
pon ßlcittobien mitgcbrad;t,“ äuftette Abbul Atefchib, tpährenb
bie ©ame ihre Setbeugung rnadtte.
3d> tat, als tpenn ich feine SSorte überfetzte, unb fagte:
„Ktajeftät entbietet 3h ncn ein gnäbiges A3illtommeit."
©ie £abp bebanfte fid;, unb ich pctbolmetfchte es: „Sie
fagt, es ftänben noch mehr folchet S)crtlichfeitett bei iht junt
Serlauf, fie habe abet nicht alle auf ihrer ^erfon untetbringen
fönnen.“
©et Sultan: „fragen @ie fie, tpiepicl ihr ©iamanten-
halsbanb toften foll."
geh: „Atajeftät ettunbigt fich, ob t>ics ght ctftct Aufenthalt
in ßonftantinopel ift.“
©ie ©ame: „Sowohl, es ift mein erfter Scfuch, unb ich bin
hingetiffen baoon."
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218
92tannigfaltigcs.
geh: „Sie fordert eine Million ^iaftcr.“
©er Sultan: ,,©as ift picl 311 piel.“
gd>: „SKafeftät fragt, ot> Sic fcfjon bie 9Kofcheen gcfchen
haben. 28enn nicht, fo bietet er ginnen einen ftaatlidien ^öftrer
basu an."
©ie £abp perbeugt fiel) bantenb.
©et Sultan: „90elcf)en ^reis forbert fie für ben ©ürtifen-
fchmud?"
geh: „Stajeftät fragt, ob gfjnen pielleicht ein Spa 3 iergang
im Schloßcfarten greube machen mürbe."
Sie bebanft fid>, unb icf) überfeße cs bal>in: „Sie forbert
pierhunberttaufenb ^iafter.“
©er Sultan: „gühren Sie bas grauensimmer fort. Sold;e
unoemünftigen greife ja^le ich nicht.“
34 ) sut £abp: „92tajeftät brüdt feine Sefriebigung barüber
aus, gl;rc Setanntfchaft gemacht 3 U fmben."
9tad> einem tiefen ^offnids raufet bie jutoclenfunlelnbe
©amc hinaus, poll pon glüdticfwm Sclbftbetpußtfein. §at fie
boef) bas Siel it>rcs ®t>rgci 3 es erreicht unb ift, allem §erfommcn
3 utoibcr, pon bem regierenben Sultan in 2 lubicti 3 empfangen
iporben. ©. ©.
9ltl§ beut Sieben bC5 (Sirf)()üritrf)Cn<3. — 93on ben pielcn
liebenstpürbigen ©igenfehaften bcs ©ichhötnchcns heimelt uns
eine befonbers an, roeil roir fie felbft befißen unb ausüben
müffen: bas ©rnten unb Sorrätefammcln für ben 2 Sinter.
llnfer Hörnchen ift troß feines portrefflichcn Reises äußerft
cmpfinblich gegen ungünftige SBitterung. gft es im Jjochfommer
fehr heig, fo perbringt cs bie 92tittags3eit regelmäßig in einem
feiner 2tefter. ©benfo im SBintcr bei großer f$älte ober Schnee-
geftöber. ©s hält jeboch leinen eigentlichen SBintcrfchlaf unb
ift baher toähtenb ber falten gahrcs 5 eit auf feine Sßporräte
angetpiefen. gft im £>crbft bie Söalbfamencrnte fchlecbt, unb
folgt bann ein langer, ftrenger SBinter, fo gehen piele biefer
munteren Tierchen sugrunbe, benn in biefem galle merben bie
an unb für fich fchon tnappen Vorräte picl 3 U balb aufgebraucht.
Sei reichem §crbft unb milbem 38inter bagegen bleibt fo manches
forgfam in Spalten, fiöcbern unb Saumn?ur 3 cln, unter ©e-
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□
9ttannigfaltiges.
219
büfd) unb Steinen perftedte 9tüßchcn unpctjet>rt unb beginnt
im Frühjahr ju teimen. ©aburd> trägt bann bas ©id>hbtnchen
unbeumfot jum Slusbau bes Söalbes bei.
3tod> bei tneitem fürforglicher gegenüber ber 28intecnot
ift bas norbameritanijehe Hörnchen. Ss gleicht in ©eftalt unb
©röße ganj bem unferigen. 2 tur nicht in ber ^arbe. ©ie ift
ftatt rotbraun graubraun, ©s ift batjer an ben ähnlich gefärbten
Stämmen ber Säume fdjtoer 3 U entbeden unb f>at fiel), tpohl
jum ©eil infolge biefet Sdmßfätbung, in ben bereinigten
Staaten riefig oermcfirt. ©s betooljnt, pom 2lnieritancr ge-
liebt unb perf>ätfd?clt, nicht nur bie freien 233älber, fonbern
auch bie ausgebehnten 'Part- unb ©artenaulagen, fogar bie
Sllleenbäumc inmitten ber ©roßftäbte. §ier rnirb cs fo jafjm,
baß cs allenthalben bargebotenes Butter roie ©rbnüffe unb
begleichen aus ber §anb frifet unb fi<h oft fogar auf ben
2 Jrm nehmen unb ftrcicf>eln läßt.
©iefes fclbe, cbenfo jutraulid)c roie tluge ©icrchctt leiftet
nun im fernen ipilben g-dfengebirge bem Staate fel?r mistige
©ienfte. 2 lpt unb ^eucr h a ^ cn in &en norbameritanifchen
SSälbcrn fo furchtbar gehäuft, baß man cnblich an eine allmäh*
lid;c Söieberaufforftung benten muß. ©abei fpielt natürlich
bie ©etoinnung guten unb reichlichen Samens eine große 9*olle.
©as Stechen ber gapfen auf ben h>erju in Sctracht fommenben,
riefengroßen ©elbtiefcrn unb ©ouglasfichten ift aber troß aller
angemanbten Hilfsmittel für bie Arbeitet fchr jeitraubenb unb
gefährlid;. ©as beforgt nun jum größten ©eil bas ©id;hbrn-
chen. ©eu’anbt unb fdptoinbelfrei tlettcrt cs im Herbft bis in
bie äußerften Stocigfpihen, u>o bie bcftcu unb rcifften 3<>Pfen
hängen, brid;t fie mit ben Pfoten unb lägt fie bermaßen fchncll
hintercinanber hinunterpraffeln, als ginge ein ‘plaßregen nieber.
9latürlid; finb bie angcftellten SBalbarbeiter nicht fo törid;t,
fd;on in biefem 2 lugcnblid mit bem 2 luffammeln 311 beginnen.
Sic mürben bie ©iere nur ftören unb oerfchcuchen. ©iefe fclbft
machen es ihnen fpätcr nod; piel bequemer. Sic haben nämlich
ihre gan 3 beftimmten, jebcs 3 a h r lieber benüßten Tliebcr-
lagen ober Speicherftellen am gmße einigermaßen oor liegen
fehüßenber, bider 28albriefcn. H<ct toerben bie Sapfen, unb
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220
Mannigfaltiges.
□
jwar nur folcfjc, bie guten ©amen enthalten, pom Sjörnchen
fein fäuberlid; aufeinanbet gelegt. Sin cinjiger foldjcr ©tof$
enthält oft fcct)5 S)cftolitcr Sapfen. ©ie Arbeiter, bie bie
Speicherplätze fefjon fennen, l^abcn es nun leicht. ©ie füllen
einfach it>re Körbe unb tragen fie ju ben gcntralfammelftcllen,
ipo bie grüd,)te aus ben 3 a Pf en > nach bem ©rodnen an ber
©onne unb auf ©ral)thürben über ^euer, burcf» eleftrifcf?
betriebene ©d;leuberbref>trommcln gewonnen a>erbcn.
©iefe Slrbcit bauert bis tief in ben Oftober hinein, gewöhn-
lich fo lange, bis ber erfte ©<f)ncc fällt. 23ef)c bem armen
®icf)f)brnd)cnpaar, bas nid>t unperjüglid) nach bet Mcgnaf>me
feiner erften Vorräte mit bem ©ammein neuer begonnen f)at!
©erhungern unb Erfrieren ift fein £os. Btnot bleibt if>m nod)
immer eine 2 lusf)ilfe burcf> bie pon ihm flug unter Maffer in
ben Murgcln ber Vacf)uferbäume perftedten 3 a Pfcn. 2lber
abgefchen pon bet halb genug eintretenbeu llnjugänglid)teit
bureb Bufrieren bes ©ewäffers, follte biefer „ciferne Veftanb“
eigentlich erft bann, toenn bie 2lot am größten ift, im Spät-
winter ober Vorfrühling nacf> Micberauftaucn ber Väd)e, in
Singriff genommen werben.
©afj bas ©id)hörnd)en ganj ausgejeichnet fd)tpimmt, ift
erft neuerbittgs pon ^orftamtmann Vcunf»öffer auf bem unteren
2 tecfar beobachtet worben, u>o ein folcf>es über ben bort rafd;
fliefjenben ©tront in feiner ganjen Vreite, unb jwar mitten
burcf) bas Kiefwaffer bes Motorbootes hinburd), fd)tpamm.
2 Benn man fiel) in bas ©mpfinbungslebcn eines fo fleißigen
unb fürforglichcn ©cfdjöpfes fjineinbenft, fo fann man nur
Mitlcib mit feinem ©d)idfal in ben 9?odp Mountains haben.
Ss gehört nämlicf) obenbrein 51 t jenen ©iercit, bie ein äu&erft
lebhaftes ©efüfü für ©igentumsred)tc befiijen. Mcbe bem
britten ©icf)l;örnd;en, bas auf bcmfclben Saum, ben ein ^3aar
fid> jur ©rnte ertoren, 3 apfen breefjen wollte! ©iefe nach
ßicbt)örnd;engefe^cn ganj ungeheure ^rcdjtjcit wirb feiten ge-
wagt, bann aber burcf) wütenbe Verfolgung unb Seilerei
fefitper geafmbet. ©benfo werben bie Vorräte als unperlelj-
lid) burcf) jcbcit ©ritten betrachtet. Xlnb nun fommt ber Menfch
unb padt fie einfach in feine Körbe!
SHannigfaltigcs.
221
□
©as Sötcn bcr §örnd>cn wirb in ben meiften Staaten
ftreng beftraft. 21 ud) bei uns ift es betanntlich für Unbefugte
nicht geftattet. So hatte fid; türjlid) oor betn Schöffengericht
in ßaffcl ein Sttann ju perantworten, bcr offen jugab, wicbcr-
holt ®id;hörnchen gefd>offcn, gebraten unb gegeffen 511 haben.
Stuf bic erftaunte grage bes Sorfitjenben, warum er bas
getan habe, crtlärte bcr SRanu, er uHb feine Scrufsgcnoffcn
brauchten ben ©enufe bes Sjörnchcnbratcns jur Ausübung ihres
©efchäfts, fie mürben baburch gefchmcibig unb fchwinbelfrei.
©er SHann war nämlich ©rapcjtünftlcr. Stabeftoef.
jttnefe granfvetrf). — gn jüngftcr Seit finb in granf-
neutral .News.
Slufmarfch oon fleincn Sltäbchen in bcr Schule für
Slthletif in Steims.
reid; mehrere Sucher crfd;icncn, bie, geftütjt auf Umfragen in
jugcnblid>en Greifen, nachjuwcifcn fuchen, bafe fich in bet gegen-
wärtigen jungen ©encration ein ©efinnungswcchfcl gegenüber
222
Btannigfaltiges.
□
bcn Anfdjauungen poe jetjn unb jwanjig fahren poUjogcn hat.
S^cmals bcn Leibesübungen abgeneigt, mehr ber Literatur,
einem behaglichen ©ahinlcbcn unb einer füllen ©ntfagung er-
geben, fei fjeute bie franjöfifche gugenb pon einem regen ©ätig-
teitsbrang erfüllt; fic fei auf bie ©ewinnung unb Ausbilbung
förperlicher ©üchtigteit bcbacht, um im ©rnftfalle, wenn bas
Batcrlanb fich bebroht fühle, oorbereitet unb gerüftet ju fein.
9Hit biefen Behauptungen ftcht freilich &ic Satfache im
©egenfaij, bafz ber Sugang jut Öffijierslaufbahn {ich ftetig
perminbert unb bie antimilitariftijehe Bewegung offenbar auch
in bcn gebilbeten Bcpöltcrungsfchichten einen immer {tarieren
Entlang f inbet.
dagegen mufe jugegeben werben, bafo bie freubige pflege
be5 Spotts entfehicben gcwachfen unb bie bisherige Bcrjärte-
lung unb 58cichlid>leit jurüdgegangen ift. ©s fei hier nur an
bie Sinrid;tung bet gugenbwehr, ben Sufammenfchlufz junger
Atänncr ju tricgsmäfggcn Sd>icfzgcfcllfchaftcn unb bie Aus-
breitung bes Surnwcfcns erinnert.
So febafft man beim je%t auch in ^rantrcich mobern ein-
gerichtete «Sportplätze, bie für alle Bwcige ber Leibesübungen
beftimmt finb. ©rft türjlich ift in 9teims eine grofjangelegte
Schule für Athlctit eröffnet worben. Sie bietet nicht nur ber
männlichen gugenb Jur Abhaltung oon Ainglämpfen, A3ett-
läufcn unb turncrifchen Schauftellungcn ©clcgenheit, fonbern
fleht ju gewiffen Beiten auch ^ cc weiblichen $ugenb offen.
llnfer oorftehenbes Bilb jeigt eine Atäbchenabteilung ber
Schule für Athlctit bei ihrem Aufmarfd? ju ben Spielen unb
Übungen, bie eine harmonifdje Ausbilbung bes Körpers be-
jweden. ©>ic finblichen „Athletinnen" follen bei ber lörper-
lichen Ausarbeitung aud; jugleid; ber A3ohltat bes Sonnen-
babes teilhaftig werben. <£\). S.
2icf>c§briefc eincö föniftlidjat 35laubart§. — König Hein-
rich VIII. pon ©nglanb, ber bctanntlid? ad;t grauen turj hinter-
cinauber geheiratet hat, nachbem er bie jeweilige Borgängerin
er.tweber bureb eine oon einem feilen ©eri<htshof ausgefprochcnc
Sd>eibung ober burd; Hinrichtung wegen angcblid;cr Bergehen
befeitigt hatte, bcbcrrfdite bie ©edmit bes Liebesbriefes in.
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22 tannigfaltiges.
223
einem auch für feine geit nicf>t gerate geroöhnlichen ©tafee.
©tan fict>t cs feinen non 3 ärtlid;lcit faft überfliefeenben Briefen
mahrhaftig nicht an, melch unmenfd)üd>er Jprann fic getrieben,
©ie folgenbcn ©riefe an feine fpätere ©emahlin 2 lnna ©olepn,
bie et nad> pierjahriger ©t>e berichten liefe, finb pielleicht hoch,
pon bem im allgemeinen in jener 3 e ‘t ftarl gefchraubten unb
füfelichen Stil abgefehen, ber 2lusbrud eines mirflichen ©nip-
finbens. ©ic ©riefe finb in jener 8 c ‘t gefd>tieben, als Slnna
©olcpn noch nid>t ftänbig am Sjofe lebte unb noch nic^t §of-
bame ber Königin Katharina mar.
„©teinc ©ebieterin unb ©eliebte l ©tein §ct 3 unb ich geben
fid; in Sure §änbe, bitten Such, fie ju bemal;ren unb emp-
fehlen fic Suter ©emogenheit, bamit bie ©bmefenheit ©urc
Siebe für fie nicht oerminbere. ghren Schmers ju permehren,
märe in ber $at bebauerlich, öa 2 lbmefenheit fchon Schmer
genug ift ... ge länger bie Sage, je entfernter bie Sonne,
unb hoch um fo toärmer. So ijt's aud> mit unferer Siebe;
bie 2 lbtoefcnhcit entfernt uns ooneinanbet unb erhält nichts-
beftomeniger bie 28ätme unferer 223£infcf>e. gn ber Hoffnung,
bafe bie ©urigen cbenfo toatm mie bie meinigen finb, perfidere
ich Such, bafe ber Schmers ber Trennung 311 grofe ift; unb ipenn
ich an bie ©ermehtung bet mit notmenbigermcife auferlegtcn
©ürbe bcnle, fo mürbe biefer ©ebanfe unerträglich fein, feiste
ich nicht ein f 0 ftartes ©ertrauen in ©urc unoergängliche Siebe
3 U mir. lim Sud; 3 U jeber geit baran 3 U erinnern, ba ich mich
Such nicht pcrfönlich nahen fann, überfenbe id; Such, mas ich
jefet für bas smedmäfeigfte ^altc, unb smar mein ©ilbnis in
©rmbanbern gefafet mit ber allbefannten ©epife. geh münfehte
mich an »h r et Stelle."
* ★
*
„ 2 ln meine ©eliebte ! — ©ie Seit hat mir fo lange gefchienen,
feit ich pon ©U<h unb ©urer ©efunbheit gehört, bafe mich meine
gtofee Siebe 311 Such oeranlafet, ben Überbringer an Sud? ab-
Sufchicten, um mich »Tn fo beffer pon ©urem ©3ohlerget>en unb
©uten 23ünfd>cn 3 U überseugen. Seit meiner 2lbreife habe ich
erfahren, bafe bie ©cfinnungen, in benen ich Sud) ocrlaffen,
fi<h gänslich peränbert haben, unb bafe es Such nicht beliebt.
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224
2 iianuigfaltigcs.
©eher mit Surcr grau 9Huttcr tiod; auf anbcrc 2lrt an bcn §of
jufommcn — ein©cbantc, übctben, ©ctm er ©aht ift, khmid;
nidjt genug ©unbern fann, ba ich mit bc©ußt bin, nie einen
gehler gegen Sud; begangen ju haben. Sä fdjeint mit eine fef)t
traurige Stroibcrung bet großen fiiebe, ©eiche icf> für Suef>
f>ege, baß id) pon bem Umgänge unb ber ^erfon bet $>ame
entfernt rnerbe, bic id; in bet 2 Bc!t am mciften ad;te. 23enn
ghr mich mit bem guten 233illen, auf ben id) f>offc, liebtet,
fo bin ich überjeugt, baß Sud) unfete Trennung nat)e get>t,
obgleich fie oielleicht bic Rettin nicht fo fcht betrübt tuie ihren
bemütigen' Wiener. Ocntt bähet batan, meine ©cliebtc,
unb bebenft cs toof>l, ©ic lummerooll Sure 2tb©efcnheit für
mich ift, unb i<h ©ill f>offen, baß fie nid)t pon Sutern 23illen
ausgeht. 2 Benn id; toirtlid; glauben müßte, baß gf>r fie frei-
willig ©ünfehet, fo ©eiß id; nicht, ©as aus mir ©erben foll,
cs fei benn, baß ict> meinen Rümmer öffentlich ausfpreche,
um baburd) feine außcrorbentlicffe ©röße nach unb nad) 3 U
perringern."
* *
*
„Obgleid; cs fid; für einen §crrn nid;t jiemt, feine ©eliebte
in ber Stellung einer ©icncrin ju empfangen, fo u>ill ich,
ftets nach Suren 23ünfchen forfchenb. Such gern in biefer §in-
ficht willfährig fein, porausgefeßt, baß gh r öie pon Such ge-
wählte Stelle ©eiliger unangenehm f inbet als bie pon mir
beftimmte. 23tit meinem 5>ant bafiir, baß es Sud; gefällt,
meiner ju gebeuten.“
* *
*
„Obgleich cs meiner ©ebietcrin nid;t beliebt hat, fi<h bes
mit bei unferer leßtcn Begegnung gegebenen 23crfprechens
ju erinnern, ©eld;cs barin beftanb, pon mit 2 lad>richt ju emp-
fangen unb meinen leßten ©rief freunblich ju crwiöern, fo
fcfjcint cs mir hoch in bet 2 ?ollc eines treuen ©ieners ju liegen
— befonbets ©enn er fonft piellcicht gar nichts pon ihr erfahren
bürfte — Srtunbigungen nach bem 35efinben feinet ©ebietcrin
einjiehen ju laffen. geh bitte Such, uiicf) tiefer Obliegenheit
eines folchen treuen Wieners cntlcbigcn 3 U bürfen, unb fehiefe
Such biefen ©rief, inbem ich barum crfuche, mich pon Surem
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Sttannigfaltiges.
225
SöoWlergeWen ju benacWricWtigen, für beffeit gortbauer icW mie
für mein eigenes bete. Ztm bas ©enten an micW häufiger 311
peranlaffen, überfenbe icf> SucW bur<W ben Überbringer biefes
einen mit eigener §anb geftern abenb fpät erlegten 9lct>bc*<f.
©ebentet — bas Woffe id) — u>cnn gWr baoon effet, bes Jägers.“
★ *
*
„®ie lommenbe 3 c >t »f* mir fo perjögert erfd)icnen, baf;
id; mid) über it>r HerannaWcn fo feljr freue, als ob fie fdjort ba
märe; aber it>re 93era>irllid)ung tann niemals, fogar ni<f>t
langfam ftattfinben, mäWrenb 3 mei ^erfonen getrennt finb;
bal>er mirb if>r gufammentreffen mefit als jebe irbifdje LüdficWt
pon mir gcmünfcWt; benn meld>e greubc fann in biefer 23elt
fo grofo fein mie bie ©efcllfd;aft berjenigen, melcf>e meine
tcuerfte ©eliebte ift? gcW glaube, baft gWr ebenfo järtlicf) oon
Surer 23al)l benft, unb biefer ©ebanfe gemährt mir großes
Vergnügen: urteilet banaef), toas icW fein merbe. Sure 2lb-
mefenWeit t>at mir größeren Kummer gemacht, als es ein Sngcl
ober bie «Sctjrift au&subrüden permag; unb nidjts als Sure
©egenmart tann mir ein Heilmittel bafüt gemäßen, gef) bitte
Sud;, fagt Surem 23ater pon mir, baß icf> it>n inftänbigft erfudje,
bie feftgcfetjte S^it um 3 mei Sage 3 U befcWleunigen, fo baf; er
por bem alten Scrmin ober menigftens 311 bem beftimmten
Sage am $)ofc fein möchte; fonft merbe id) glauben, baß bes
Siebftabers Lunbc gar nicf>t ftattfinben mirb, 311 m menigften
nid;t nacf> meiner Srroartung. gn ber Hoffnung, Sud) balb
münblid) fagen 3 U tötmen, mie piele ©cWmersen id; mäWrenb
meiner 2lbu>efenf>eit pon Sud) ertragen f)abe, fd)lie^e icf>,
bet id) ftets bleiben tpetbe Suer treuer unb simcrläffigfter
©iencr." O. SW- 0 t.
alte üöranßcl im ®ie»tft. — ©er alte ‘JBrangel mar
teinesmegs immer nur bet gutmütige „‘papa 28rangel", bet
alle ^übfd)cn jungen 9Häb<f)en füßte unb bie berliner burd)
b^arre Lebensarten in möglicWft pcrtctjrtem ©eutfd) erweiterte
— nein, er tonnte im ©ienft aucW W<* r t ja graufam fein. 0o
rief er einft einem Offijier, ber eine mid;tige Ltelbung 311 über-
bringen Watte, aber langfam unb Porfid;tig baWertrabtc, unmitlig
1914. xi. 15
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Sliannigfaltiges.
□
ju: „Seiten ©ie ©alopp, mein §ett! 98cnn ©ie ben fjals
brechen follten, hat 3^>nen bet ©taat ben fd>on minbeftens
jehnmal bejaht l“
2Us 1864 eine Slbteilung ©ragoner, bie cor bet bänifdjen
Übermacht hatte jurüdmeichett müffen, ohne ihren Seutnant ju-
rüdtam unb ber Unteroffizier meinte, bet Leutnant märe gemifj
gefangengenommen morben, ba unterbrach» if»n3örangel barfcf;:
,,3cf) ^offc, bafo et tot ift. ©as ©efangentoerben mürbe et ju
büfccn haben. ©r aber mclbet ficf> fofort jum Slrreft — ich will
3(?m teuren, auf feinen Seutnant auf jupaffen !" — jen.
(SljincjifrfjC §öflid)fcit. — ©6 mar in bem oon eutopäifd>et
Kultur nod> menig berührten Storbcn ©hinas oor einer Steihc
oon fahren. ©n f c ^ r moi)lf»abenber ©hinefe hatte fid; taufen
Iaffen unb balb barauf auch eine ganje 9tcit>e oon 93crmanbtcn
bem ©hriftentum jugeführt. ©eten 2lufnaf»mc in bie d>riftlid)e
©cmeinfd;aft mar foeben in feierlicher 233eife in ber ^rioat-
fapelle bes juerft genannten 23etef>rten begangen morben.
Kaum mar bie gottesbienftlicf)c ^eicr ju ©nbe, als fid) ber oor
^reube ftratjtcnbe Hausherr mitten in bie Kapelle ftclltc unb
ooll tjcrzlicfoften Sifers rief: „3<h labe euch alle ein, heute bei
mir ju effen!“ Stach curopäifcben Gegriffen fehien bet 23illc
jur ©aftfreunbfd;aft bei bem Sttanne aufcerorbcntlich ernfthaft
ju fein, benn er lief unetmüblich oon einem jum artberen unb
bat gerabeju flehentlich, hoch bajubleiben. Slber je mehr
fich fein ©ifet oerftärfte, befto mehr ©Ue fd;icncn bie Slnmefenbcn
ju haben, fortjutommen. ^e&er fchü^tc irgenb einen michtigen
©runb oor unb oerfchmanb fchleunigft. ©er Hausherr hielt
fchliefelicb einen feiner näd;ften 93crmanbten gerabeju gemalt-
fam feft mit ben oortourfsoollen SBorten: ,,2lud) bu, lieber
93etter, millft bid; meiner Siebe entjiehen? Unmöglich, ich
iaffe bich nicht fort!“
©er SJetter proteftierte lebhaft, ©r habe notmenbig ju
tun. Slbcr ber Hausherr fcbleppte ihn buchftäblich mit ©cmalt
ins §aus. ©in ©las SSein muffe er hoch menigftens annehmen.
„9tun gut," fagte ber 23ettcr, „ein ©las 98ein mill ich mit
bir trinten. ©as ift rafd> gemacht.“
©er Hausherr fd>rie feine 3kfef>le ins §aus hinein, ©ie
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Mannigfaltiges.
227
□
beiben 93cttern licken ficf? nieber unb ftecften einfttoeilen eine
pfeife an. Man rauchte unb plaubette, füllte aufs neue bie
pfeifen unb plaubette toicbcr. 2lbcr bet Mein fam nicht,
©er 93cttcr erlaubte {ich banach ju fragen.
©a aber fuhr bet Hausherr auf: „Mein? ©u toillft Mein?
§abe icf? in meinem §aufe auch nur einen Jropfcn Mein?
Jrinfe ich überhaupt Mein? Meifct bu als mein 23ettcr nid>t
längft, bafc icf? feinen Mein »ertragen tann?“
©er 23ctter meinte troefen, bafc er bann ja längft hätte
gehen fönnen. Mcshalb et it?n beim bann fo fürchterlich
genötigt habe?
3et}t aber }d?ien bie Sangmut bes $)ausf>crrvt ju (Enbe.
9fot tote ein ^utcrljatjn por 3orn fuhr er auf ben ung(üdlicf>en
23etter ein: „Mas fagft bu ba? 3cf? bin fo t?öflid>, bich jum
Mein cinjulabcn, unb bu f?aft nid?t einmal fo oicl Sebcnsart,
it?n abjulcfmen? Mo t>aft bu beinc ©ilbung gelernt? Mol>l
bei ben Mongolen?"
©er 93etter machte fid? jet$t fo rafcf? als möglich baoon. (Er
fah bie Scttion augcnfcheinlich als berechtigt an. O. Jh- ®t.
eilte rcirfjfjaltige Srnntttlmtg üott geftnng$jrf)liijjeltt bc-
fitjt bas königliche 3eughaus in Stettin. gn biefer Samm-
lung finb fämtliche Schlüffel bet im Saufe bes 19. 3 a h c '
hunberts oon ben beutfehen Gruppen eroberten befeftigten
Stabte pertreten, ferner aber auch bie Schlüffcl jener beutfehen
^eftungen, beten Mälle aus irgcnbtpclchcn ©rünben gefchleift
tpurben. 2ln oiele biefer Scfjlüffel fnüpfen fid> intereffante
(Erinnerungen.
©as größte (Exemplar biefer Sammlung ift ber Schlüffel
bes Slationaltores (jet^t Meiftturmtores) oon Strafjburg, roclche
0feftung befanntlich am 28. September 1870 tapitulierte.
2lm Ja ge nach ber Übergabe mürbe bem Oberbefehlshaber
ber beutfehen ©elagerungsarmee ©enetal p. Merbcr als
äußeres 3cid)cn ber Unterwerfung oon ben ftäbtifchen 2te-
hötben ber Schlüffel bes ^aupttorcs, eben bes 2tationaltores,
überreicht, ©er bamalige ®ürgermciftcr pon Strasburg
namens Sauth entlebigte fid> biefer unangenehmen 2lufgabe
mit einer 2lnfprache, bei ber er es niebt untcrlaffen fonnte,
228
Mannigfaltiges.
a
jum ®d>luj} bet Hoffnung 2lusbtuc! su geben, bet 2ülmäcf)tige
möge cs nicht julaffen, bafe biefet ®d>lüffel lange in bet §anb
bcs ^einbes bleibe. SDorauf ©eneral t>. Mctber, burd) biefe
llnoerfrorenheit mehr erweitert als erjürnt, ben mächtigen
Sd>lüffel feinem Slbju tauten mit ben {tat! betonten Morten
übergab: „©er Fimmel unb unfer ®d;mert merben if>n fcboit
für uns erhalten, §err Sürgermcifter 1“
2lud; bie 2lusl)änbigung ber Schlüffel ber jungfräulichen,
bis jum 27. Oftober 1870 tatfäcf>licf> noch unbejmungenen
Heftung 2fletj ging nicht ohne S^if^nfall oorüber. S)ier mar
nämlich ber Magiftrat auf ben {flauen ©ebanfen gefommen,
oon bem ®d;lüffel bes §aupttorcs, ber auf bas ehrroürbige
2lltcr oon brcihunbertunbfechjig fahren jurüdbliden formte,
unb ben man t>örf>ft ungern ben ©eutfehen auslicfern toollte,
eine getreue Sachbübung anfertigen unb biefer mit fjilfe oon
©hcmifaliett bas nottoenbige alte 2lusfehcn geben ju laffen.
2lus biefern ©runbe oerjögerte fid> auch bic Überreichung ber
Sd;lüffel um mehrere Sage.
©er Sd>loffer, ben bie Stabtbchörbc mit biefer 2lrbeit
betraut hatte, befam cs jeboch noch lebten Slugcnblicf mit
ber 2lngft ju tun unb oerriet bie Sache bem ©cneralfonunanbo
ber beutfehen Selagerungsarmee. Sro'gbem oerfuchten bic
Stabtoätcr oon Meij junädjft alles abjuleugnen. Srft bic
©rohung, man mürbe ben gefamten Magiftrat fo lange ein-
fperren, bis ber echte Schlüffel hetbeigcfcfwfft fei, machte bie
Sjcrrcn gefügig. 2luf biefe 2Beife gelaugte bas Serlinet 3cug-
haus in ben Scfilj ootr jmei Schlüffeln bes Öfterer Ofttores.
?lcben biefeti ®chlüffeln befinben fich in ber Sammlung
noch biejenigen folgeubet franjöfifd;ct Heftungen : ©halons
unb Shionoille, noch aus ben Scfreiungsfriegen herftammenb,
Seban, Sclfort, fiuneoille, ©iebenhofen, Seubtcifad), Sitfcb,
Soul, 23erbun unb mehrerer anberer aus bem Kriege 1870/71.
©afj man Saris in biefet h'itorifchen Sammlung nicht oer-
treten ficht, hat folgenbett ©runb. Sei ber Kapitulation oon
Saris mürbe in bic Xlbergabcbcbingungcn auf Setreiben bes
Sarifer 2ftagiftrats ein befonberer Saragraph cingcfügt,
nad; bem bie Schlüffel ber Sore oon Saris nicht ausgebäubigt
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□
9Hannigfaltiges. 229
ju merben brauchten. 93oltfe fträubte fid> lange gegen bie
©emilligung biefes 3ugeftänbniffes, unb crft ein 23achtmort
bcs greifen Kaifers entfcf>ieb jugunften ber ^parifcr. „23ir
haben ja genug altes Gifcn im 3eugl?aus. Streiten mir uns
nid>t um biefe flcinen ©itelteiten bcs befiegten ^einbes," meinte
er ju feinem ©cncralftabsdjef.
93on ben Schlüffeln früherer bcutfcf)cr gfeftungen finb
bemerlcnsmert bie oon 93inben — tunftoolle Sd>micbearbcit
unb ferner oergolbct — ferner bie non 33crlin, bie 1806 nach
^3aris gebracht, aber 1815 ben Jranjofen miebet abgenommen
mürben, fchlieftlich als befonbers traurige Erinnerung für bie
preufeifdjc ©efd)id;te bie oon 92tagbcburg, bas fid? am 8. 3lo-
oember 1806 bem OKarfcfjall 91ep ergab, trotjbctn cs aufs rcicf>-
licbftc oerprooiantiert unb mit 33annfd>aften unb ©cfd>üt$en
oorjüglidj oerfehen mar. ©iefe Schlüffel oon OHagbcburg
bilben infofern eine 23erfmürbigtcit, als fic nad> ihrer 23iebcr-
crlangung im gatjre 1815 auf Sefebl ©neifenaus „jum emigen
Olnbcnfcn an ^Jreufeens größte Schmach" mitten burcbgebrochen
mürben unb aud> in biefer ^orm noch beute aufbcmatjrt
merben. 23. K.
3nfettcn= uitb $onnenfd)Ufeborrid)hmfi. — „§dioteft" mirb
biefe für bie ocrfc^iebenartigften 3n>«cfe oermertbare Srfinbung
genannt, ©as Sinnreiche bes SJpparates liegt nicf>t allein barin,
baf$ er Sdnitj gegen läftigc gnfeften bietet, fonbern bafj man
hiermit auch bie Krattfen in bie Sonne legen farm, ohne bafjfie
ber unmittelbaren Seftrahlung ausgefetjt finb. ©as leitete mirb
gerabe für S)auttranfe unb ähnliche Seibenbc oon großem 23ert
fein, hiermit fmken mir fchon eine §auptocrmcnbung bes
Slpparats, ber jerlegbar unb baher leid;t transportabel ift unb
fich bequem am Kopfenbe oon ©ettftellcn, Siegeftühlen, Kinbct-
magen unb fo meiter befeftigen läf$t. $n Sanatorien, Kranten-
häufern, Sajaretten unb ©enefungsheimen mirb er für Kraute
mic für bas ^Jflegeperfonal oon erheblichem 91u|cn fein.
2lbcr aud; im täglichen Sehen bietet er uns eine ausgejcich-
nete §ilfe. llnferc Kleinen fönnen bauernb im freien unb in
frifcf>et Suft gclaffen merben, ba fie ber 2lpparat oor Sonnen-
ftrahlen unb ^nfeften feftübt. 2lus gleichem ©runbe merben
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230
SHannigfaltiges.
Srcoachfene ihn jur Srholung in ©arten, im 223albc, an bcr Gcc
bcnütjen. Gehr bebcutfam ift er aber für bie Kolonien. §>ie
Jig. 2.
gnfeftenplagc geehrt ^ier ju ben bittcrften unb unangenefjmften
©rf Meinungen, fo bafe ber „SJeliotctt“ burchaus unentbehrlich
Digiti
□
©Mannigfaltiges.
231
crfd;cint, ba er fomohl gegen Me brennenbe Sonne tote auch
bie pielen gefürsteten gnfeften, jum ©eifpiel gegen Me 2Hos-
fito, bie furchtbaren ©erbreiter bet ©Malaria, einen fieberen
Sd>uß unb § prt bietet. ©er 2lpparat, ber fich fehr leicht reinigen
läßt, mitb in perfchiebcnen (Stößen geliefert unb ift pon ber
Sirma 21. ©crlholj & Sohn in ©erlin, Köpenider Strafe 70,
3 U bcjiefjen. §. §.
Shltftfjertyleett. — Sn ben jmanjiger Sauren bcs porigen
gaf;rf)unbert5 toar in ber pornefjmen engüfehen <Sefellfd;aft
eine fonberbare ©Mobe aufgefommen. ©ec moberne Sport toar
bamals noch nicht etfunben, in beffeit 2lusmüchfen bie ©Mobc-
geden pon heute glänjen, unb fo trieb man außer ber Gptraoaganj
ber Toiletten allerlei anbere ©errüdtheiten, um fid? hetporjuiun.
So tobte eine 3 c itlang unter ben Jungen £otbs, ©Marquis,
§etjögen, ben Grben pon ©Millionen, ber „Kutfchcrfplecn“.
©iefe jungen Sebemänner tannten feinen l>öf>cten 2Muhm, ab
cs ben berufsmäßigen i?utfd)ern unb ^oftillionen gleichjutun,
nid>t ettoa, inbem fie ihre eigenen ßutfehen lenften — nein,
inbem fie bei jeber ©3itterung, ab gemeine $utfd)et perfleibet,
bie öffentlichen ©rofehfen unb ^oftfutfehen fuhren. Sie be-
fleißigten {ich ber rohen 2lusbrudsmeife Jener Seute, fluchten
„mic ein ©rofdjfenfutfchet“ unb mären überglüdlid), menn bie
Sahrgäfte fie für n>irBlid?c t?utfchcr hielten unb ihnen eine halbe
l?rone Srintgelb fehenften, mie es bamals üblich u>ar. Gs gab
piele Seute, bie auf ber Sah** oon Sonbon nach bem beliebten
Seebabe ©righton bie ,,©h e 2lge“ benannte <Poftfutfche nur
beshalb benüßten, meil fie oon Sir ©incent Gotton gelenft
mürbe; anbere beoorjugten bie pon Sir Gharles $iru>hit.
2luf ben ©oftftraßen nach §oli)heab, Ojrforb, ©ath unb ©riftol
fah man Sorb ^arborougb, Sorb Glannel, Sir Thomas ©Moftpn,
Sir Gharles ©amfplbe, Sir §enrp ©arncll, Sic gofm £abe
unb anbere h°Sseborene Herren f?utfd;en fahren ober als
©oftillion auf bem ©od fißen. Ginem ber ©Mitglicbcr bes
feubalen „©ierfpännerflubs“ mar cs fo ernft mit feinem ©e-
ftreben, in allem einem gemeinen t^utfSer ju gleiten, baß
er ficf> jmifchen bie ©orberjühne eine £üdc feilen ließ, um
ja „futfScrgemäß“ ausfpuden ju fönnen.
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252
Vtannigfaltiges.
©iefc Verrücftbeit tobte felbftperftänblicb nur einige gabre,
um bann einet anbeten '•piah ju machen, mit bet bic pornebmeu
Vtüfeiggängcr ihre 3 c 't totfeblugen. g. 3-
Sßarurn bic grauen tueift fjiibfcfjcr fittb alä bic Männer. —
©ic ©atfacbe, baft fie es finb, toitb auch bet bndgefottenftc
guttggefelle unb grauenfeinb jugeben, toenigftens foiocit
cs bas ©efidjt, bas bübfebe, „glatte Särocbcn", tt>ie et ficf>
refpeftlos ausbrüdft, betrifft. Sluffallenb unb mcrftoiirbig
bleibt bic ©atfaefte immerhin: in ber ganjen ©iertoclt 311m
Veifpicl finben mit in ben ©efiebtern bet gleicbalterigcn 9 Hämt-
4>cn unb 28 eib<hen feine fo toeitgebenben llnterfcbiebe bet
galten- unb 9tun3elbilbung toic beim SHcnfcben.
llnfer 23 eibcrfcinb toirb bas fo etfläten: „ 33 ir 9 Itännct
haben eben oiel mebt 3U forgen unb 311 benfen als bic grauen;
bas ©enfett, SBollen unb Streben aber befotgt bas ©toBbitn;
toitb es übetanfttengt, fo entfteben auf bet $aut bic Kutteln.“
©as ift ja auch nicht gan3 unrichtig. ©er englifebe ©elcbrte
Sit gatnes ©ricbton-Vroton b<*t naebgetoiefen , baf$ bem
toeiblicben ©ebitn bas meiftc Slrterienblut oont Vacfcn aus
3ufliefet, mäbrcnb beim männlichen bics pon bet Stirn her
gcfchiebt. ©ie hintere §irnbälftc ift Sinnes- unb ©efübls-
Sentrum, bas betnnach bei ben grauen reicher genährt uttb
cnttoicfelt toitb ; bie porbere §älftc ift bic 3cntralftelle bcs
33 illetts, alfo bes 3 ufammcnfaffcns unb Vcrtocrtcns ber
äußeren ©inbrüefc. ©iefe ©ätigfeit tpürbc ficb bemttach unter
llmftänben auf ber gefurchten „©enferftirn“ perraten. Sie
fann bas freilich nur auf llnuoegen, burch Vermittlung ber
©efichtsneroen, bentt burch bic biete Scftäbclbccfc binburch
fann jene all3u reichliche Vluttoellc auf bic Stirn- unb ©efichts-
musfeln nicht 3ufamntcn3iebcnb toirfett. Stuf toelchc 2 Seifc
fchlie^lich bie galten unb Funseln 3uftanbe tommen, fann hier
aufjet Vctracht bleiben, ©enug, fie fittb ba.
23 as glättet fie nun?
Slntioort: ©as 0aar. ©ie grauen tragen cs fo lang cs
nur toachfen mag, toir OTänner tneifteus fo fur3 toie möglich,
©in Vlicf auf bas anatomifebe Stbbilb unfercr ©cfichts- unb
Scbäbclmusfeln unb Veroett 3eigt uns, bafj fie oon allen Seiten
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Mannigfaltiges. 233
jum Scheitel h*naufftreben. gtt ber Mitte biefer jufatnmen-
hängenben, mit einet fel>r beweglichen f)aut perfehcncii fläche,
gleich über ber Stint, fet^t nun bet ^aarwalb ein.
©ie §aare jinb befanntlid; äufjerft empfinblich, fie gebet«
jebett leifcften ©rud- ober gugreij an bic §aut unb bie Steroen
weiter.
9tun tonnte man cituocnben: eine fo leichte Maffe, wie
cs fclbft ein längeres §aar ijt, tann unmöglich burch fein eigenes
©ewicht einen glättenben ©influfj auf bic Stirn- unb ©efid?ts-
haut ausüben. Als Bctpcis, baf} bas hoch ber gall ift, biene
folgenber Berfuch nach bent „Mcbcrfd;cn ©cfclj“. Man bc-
feftigt an einem hecabhängenbett gopfenbe eine Schale unb
befebwert fie, ohne bafj bic betreffenbe ^erfon bies fchen unb
hören tann, fo baf$ bas guggewidtt cinfchliepd; ber Schale
100 ©ramm beträgt. 9tun legt man nod? in beftimmten geit-
räumen ein einzelnes ©rammftüd nach bem anberett in bie
Schale unb läfjt ftcf> angeben, wann bic ©cwichtscrhöhung
wahrgenommen wirb, 6s wirb bies faft genau bei einer gu-
nahme oon 10 ©ramm, bas heifet bem jehnten £cil bcs An-
fangsgewichts, ber gall fein, Beginnt man mit 200 ©ramm,
fo braucht man 20 ©ramm h' er J u > bei 300 ©ramm 30 unb fo
fort. Aitnmt man ben Bcrfud), entfprechenb abgeänbert,
am einzelnen S)aar por, fo wirb man ftaunen, bei welch geringen
Bruchteilen eines ©ramrns fchott bie Mchrbelaftung gefühlt
wirb. 6s liegt alfo auf ber §anb, bafj ein 50 gentimeter langes
grauenhaar ein ganj anberes fühlbares ©igcngewicht ausübt
als bas übliche 5 gentimeter lange Männethaar. 6s ift alfo
auch nicht ju bejwcifeln, ba^ bas lange §aar ein nicht ju
perachtenbes ©egcngewicht für bic beim Anftrcngcn unfeter
Sinne entftehenben §autrunjeln unb galten bes ©efiebts
bilbet.
©iefc glättenbe 6igenfchaft tommt nicht etwa nur bem
grauenhaar ju. Man pergleiche nur bie freilich feiten por-
fommenben ©cfichtcr langhaariger Männer mit betten furj-
gefchorcner, fo wirb man bett Xlntcrfcf>ieb fchott fittben. 6incn
fehr großen llnterfchieb finbett jum Bcifpiel jetjt bic Aeform-
chinefen bes Reiches ber Mitte, wenn fie fid) einige Mochett
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254
SKannigfaltiges.
□
nach Entfernung itjccs 3opfcs im Spiegel betrauten: bas
früher fo glatte unb t)üt>fcl)e ©efict)t ift über vmb über bebedt
mit ^ältc^en, bie fiel) auf bet £aut bes unbejopften Ehinefen
befonbers ftarf ju bilben fcfjeinen. 2Benigftens finb alle Euro-
päer entfett über bie jc^igc allgemeine Serhä&licfmng befonbers
ber älteren Statiner.
©ent Ehinefen toirb befanntlict) oott gugenb auf bas £>aupt
rafiert bis auf bie Scheitelhaare. ©iefe toachfen nun befonbers
üppig, trerben forgfältig gepflegt unb jum 3°Pf jufammen-
geflod)ten. ©iefet luftburcfrtäffige unb bod) fchütjenbe 3°Pf
erfc^t bem Ehinefen oolltommen jebe Kopfbefleibung, getabefo
toie noch oielfach unferen grauen. 3u £aufe, bei bebedtem
§immel unb mäßiger SSärme auch im freien, läfjt er it>n bau-
meln, bei großer fjitje ober Kälte rollt er it>n ju einer natürlichen
Sflütje jufammen unb ift fo auch gegen bie bortigen großen
Staubfiürme, bie ben Europäer arg beläftigen, Dortccff lieh
gefchü^t. 2lud> al3 Halstuch unb Kopfliffen leiftet er it>m ju-
toeilcn gute ©ienfte. 93or allem aber, toie gefagt, bei bet
§pgienc unb Schönheitspflege.
©oftor 9toger Saron Subberg in Eharbin erjäfjlt, fchon
fo mancher biefer mobernifierten, jopfbefreiten unb jetst ftruppig
unb abfd;rcdenb runjelig ausfehenben Stänncr fei als Patient
ju ihm gefommen unb habe ihm fein £eib geflagt, bafj er nun
als Schredgcfpcnft h erum laufe unb cs babei »or Kopftuch
taum aushaltc.
3eit ift aber ©clb, auch im mobernen Ehina, unb bie pflege
unb Orbnung bes langen Haares toftet 3 c »t. Uttfcre grauen
aber toiffen ober ahnen offenbar, roeshalb fie biefee, tägliche
Opfer bringen: bas lange §aar jicrt fie nicht nur an fi<h, es
betoahrt ihnen auch, befonbers u>enn eine oernünftige Er-
nährung jut Erhaltung ber frifchen Hautfarbe bamit im Sunbc
ftebt, bie Schönheit bes ©efid;ts bis ins h°h e 2Utcr. §. 9?.
Gilt ftoljcr «rijufter. — gn Stailanb lebte oor ettoa fünfjig
gahren ein SKeiftcr ber eblcn gmfobetleibungsfumft, oon bem
uns bie §iftorie fogar ben Stauten aufbetoahrt hat. Ec fnef}
nämlich Slnfelmo 3?onghetti. Ec befafj in ber Eat oiel Schött-
beitsfinn, ftanb mit bebcutenben Künftlcrn in gefchäftlichem
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Btannigfaltigcs.
235
Bcrfehr unb mit bem berühmten Bilbhaucr $|?onpaIbfcn
fogac in lebhaftem Briefwechfel.
3u biefer '•perle oller Schuftet fam einft ein franjöfifchcr
Baron, ber fiel) ju feiner Bezweiflung in Blailanb ein Baar
Stiefel machen laffen mufetc unb feinen Befürchtungen un-
r>crl)ot>lenen Busbrud perlieh, ba mon nach feiner 2 lnfid>t nur
in ^3aris Stiefel su ma<hen perftanb. ©em fioljen Bonghctti
fd>ofe babei bas Blut in bas 2lntlife. Slber er fd)wieg, unb in-
bem er fid> nieberbeugte, nahm er bem mifetrauifchen ßunben
in gcu>ofmter Buhe Btafe.
„geh werbe junächft nur einen Stiefel anfertigen," fagte
er bann, „unb wenn man ficht, was biefem fehlt, bann erft ben
jweiten.“
©er gtanjofe war bamit einoerftanben. Unb biefer erfte
Stiefel würbe ein Bteifterftüd feiner 5lrt, fo bafe ber Bacon
förmlich entjüdt war unb fpornftrcichs 511 Bleiftcr Bonghctti
eilte, um ihm feine Bcwunbcrung ausjubrüefen.
,/pafet er wirtlich?" fragte fpöttifch ber Schufter.
„geh bitte Sie bringenb, mir fo fchnell wie möglich ben
jweiten Stiefel ju mad;en,“ pcrfcfetc ber ^rartjofe.
„Sehen Sie nur nad> g5atis unb laffen Sie ihn }id> bort
anfertigen,“ war Bonghettis Slntwort, fprad>'s unb wenbetc
bem Berblüfften oerächtlich ben Büden. ©. ©.
«oitberbate Grjid)ungömetl)obe. — ©as Schwurgericht
oon Balcncc in gäranfreid) t>atte im guli 1828 oier Bngetlagte,
baruntec auch ben Batermörber Brächet, jurn SPbe pcrurteilt.
©as Betbrechen biefes Blörbers erregte wegen feiner grau-
famert ©injelheiten folchcs Buffehen, baf, am §inrid;tungstagc
über jehntaufenb ^rembe in Balence jufammenftrömten.
„Boch nie,“ heifet es in einem Bericht über biefes guftijbrama,
„hattfe man einer Einrichtung fo picle Btcnfchen, insbefonbere
fo pielc grauen mit ihren t?inbern, anwohnen gefchen."
©er arme Sünbec, ben jwei glricftec jum Schafott be-
gleiteten, erbutbete juerft bic burch ©efefe bei Batcrmörbern
porgefchriebetie Strafe bes Bbhaucns ber rechten Eanb als bes
fünbigen ©liebes, ©ann liefe ec fid> ruhig an bas Brett ber
©uillotine fdmallen. gn bemfelben Bugenblid, als bas Jall-
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2Hannigfaltigcs.
236
bcil herunterfaufte, ertönte taufenbftimmiges Kitibergefchrei,
bas baburd) entftanb, bag bic 21tüttcr ihre Kinber ohr-
feigten ober fic fogar mit träftigen ^ufetritten bebauten in
ber löblichen 2lbfid)t, „auf biefe 28cife", toie ber 33ericf?terftattcr
perficf>ctt, „mit bem moralifchen ©inbrud ber furchtbaren
Strafe, bie ber 22törber erlitt, auch einen förperlichen ju ocr-
binbeir unb biefer 2lrt bem ©emüt ber Kinber bie heilfame
22talmung, nicht ju merben toie biefer ba, um fo grünblichcr
unb unoergeftlichcr cinjuprägcn".
2lus biefem ©runbe gingen aud; bie franjöfifchen 2flütter
mit ihren Kinbern immer ju bem traurigen Schaufpiel bet 2ln-
funft unb bes 2lbmarf<hes ber fogenannten „Kette" ber ©aleercn-
fträflinge, bie paarroeifc mit bem $als an eine lange, oft bem
Transport oort jmeihunbert bis breihunbert Verbrechern
bienenbe Kette gefeffelt roaren, um ihnen an biefem iragifchcn
Veifpiel ju bemcifcn, bafj unrecht ©ut nicht gebeihe.
©iefe Sitte mar, natürlich in anberer ^orm, bamals auch
bei uns üblich. ©Item unb Seiner führten ihre Kinber, roas
oon oben herab fogar ermünfd)t mar, ju allen S)inrid;tungcn.
Vufefcrtigc Verbrecher hielten Vtatmrebcn an bie Verfammlung,
mas in ben S)inrichtungsa!ten als „erbaulich“ oerjeidmet mürbe.
So hielt junt Veifpiel am 21. ©>cjembcr 1821 ber oom Sd>öppcu-
ftuhl ju Scipjig megen Vluttcrmorbes jum £obe perurteilte
3immcrmann 3ot>aun ^ricbrich Vernal an bie pcrfainmelte
2Kenge folgenbe 2lnrebe:
„3hr 3ufd;aucr feht mich jc^t als einen armen Sünber,
ber megen feiner 211iffetat hingeri<htct mirb. 2tehmt alle an
mir ein marnenbes Veifpiel! gjn ©tmachfencn hütet euch
ftets por ber Sünbe, jichet eure Kinber auf in ber 3uct>t unb
Vermahnung unb laffet ihnen nie etmas Vöfes ju, bamit fein
folchcs Veifpiel über fie hcreinbreche, mie cs über mich hetein-
getommen ift. Vefonbers gebt ihnen guten 2lat, menn fie fich
perheiraten, bamit fie nicht unglüdlicf) mahlen, mie cs bei mir
ber ^all geroefen ift. Hub ihr Kinber, bie ihr mich in ber Klei-
bung eines armen Sünbcrs por euch fehet, gehorchet ftets euren
Seinem in ber Kirche unb ber Schule. Sic meinen cs gut
mit euch, menn fie euch gute Sehren geben, benn fic mollen
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II I I II
□
9Kannigfaltiges.
237
euch baburch für Seit unb Gmigfeit glüctlicf> machen, geh gehe
jeftt hinüber in bic ©migtcit; bittet Sott für mich, baft er mich
in ©naben annehme!"
2lls ber genfer bem ‘•pernal ben i?opf pom Stumpfe f)ieb,
pevnat>m man eine laute Jreubenbejeigung über bas ©dingen.
2ln biefer „gtcubenbejeigung" nahmen natürlich aucf> bic
Kinbet teil, bie mo-
d>enlang nacf)l>er nod)
„Einrichtung" fpiel-
ten. 93. 0=.
&utterfiif)ler au§
2oit. — Eauptfäd)-
lid> für ben £ifd> ift
biefe tlcine Stcuheit
beftiinmt. ©ie ßüt>l-
bofe bc[tcl;t aus einer
einfachen Sotifchale
mit ©edel, me Ich
erftere mit 223affet
gefüllt mirb. ©ie
^prcn füllen fid; mit
223affer urtb halten bie
in einem beigegebe-
nen ©lasgefäft bc-
finbliche Butter auf
längere Sdt ftets fühl
unb crfrifd;enb. Unter ben pcrfchiebenen ähnlichen ßonftruftio-
nen barf man biefem einfachen unb praftifchen Slpparat ficf>er-
lid; ben 23orjug geben, ba er mirtlich leiftet, mas er pcrfpricht,
unb bie 2lnfd>affungsfoften perhältnismäftig gering finb. 2luf
ben 92tarft gebracht mirb ber Suttertühler pou ber Jirma-*
21. 6cf>umann in 33etlin W, Scipjigcr Strafte 109. E* E-
HJrei§ ber Sflobtimeit in fötorotfo. — Schmarje stla-
pinnen, bic öffentlich verlauft merben, bringen auf ben marof-
tanifchen 9ttärtten hunbertunbjmanjig bis hmibertunbfcchäig
9Karf. 223er crlefencre 223are hoben mill, geht su ben Eänblern
ins Eous. ©ort finbet man geraubte pbet auf ßriegsjügcn
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238
3Rannigfaltiges.
□
erbeutete Stegetinnen aus bem Süben neben meifjen Sf4>et-
teffinnen, bie mit großen Soften aus Stambul befct>afft mürben.
SBä^tenb bet ßunbe im S)aufc bcö Sflapcnfiänblets mit See
bemirtet mitb, bringen bie ju »ctfaufenben Sflapinnen je
itad> ber Stolle, bie ihnen jugemiefen ift, 3uder, Saffen, Süfeig-
feiten; bie eine giefet 28affet über bie S^änbe ber ©äfte, bie
anbete reicht bas §anbtuct>, bie brittc entjünbet bas Koljlen-
beden. ©er 33cfud>er tann auf biefc 2lrt fic^> oon ber Schönheit
unb ©cfchidlichteit ber ©icnerin, bie er in fein fjaus $u nehmen
geben ft, überjeugen. ©ie greife betragen je nach ben 33or-
jiigen bes lebenben t^aufobjefts »ierhunbert bis jtpölffjunbert
?2tarf. ©ine auserlefene Sfdjerfeffin bringt es mohl auf cin-
taufenbfechshunbert SKarf. Sie jcidjnet fich bann nicht nur
butd; Schönheit, fonbern auch burch eine ungctoöfmlicfjc 33ilbung
aus. 3f>rc ©eiftcsfultur gct>t jebenfalls über bas Sluffagcn ber
auf if>re spfüctjtcn bejüglidjen ßoranoerfe meit hinaus, fie ift
in jeber Sejiefmng trefflich ausgebilbet. O. o. 35.
„3ntf)0ff, Mlcit Sie!" — 23äf?renb ber türtifchen 92tanöpcr
im §crbft bes gahrcs 1909, benen auch ©eneralfelbmarfcf?all
»on ber ©oty beimoljnte, hatte bie britte ©ioifion, bei ber ficf>
bie SHanöocrleitung aufhielt, erft gegen Slbcnb ben Sunbfcha-
flufj mit §ilfe einer 'Pontonbrüdc überfd>rciten fönnen, fo bafe
bas ©efeefjt fich bis in bie 9tad;t fiinjog, mührenb bie l?ritit erft
bei polligcr ©unfelheit beenbet toar. ©ic Offnere ber 2ttanöoer-
leitung, baruntcr ber gelbmarfchall unb bet beut) ehe gnftrutteur
©eneralleutnant gmhoff ^afdja, Ratten bis ju ihren Quar-
tieren nod) ctu>a jmei 31teilen ju reiten, perirrten fich jcboch in
ber ginfternis unb gelten nach ftunbcnlangcm Suchen nach
einer gangbaren Strafe ratlos mitten auf einem abgeernteten
gelbe.
2tirgenbs tpat ein £id>t, nirgenbs bie Spur eines 35imaf-
feuers ju feljen. Stingsum bie fdjmeigenbe, buntle 9tad)t unb
tiefe Stille, ©in paar Offiziere, bie man 3um Stefognofjiercn
ausgefd>idt t>attc, teerten balb jutüd, olmc auch nur ein ©eljöft
entbedt ju haben. ©ic £age mürbe immer ungemütlicher.
©a manbte fich plöt}lich ©eneralfelbmarfchatl oon ber ©olt}
an gmhoff ^afeba, ber fid> als Sicrftimmcnimitator einer ge-
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28annigfaltiges.
239
toiffen S3erül?mtf>eit erfreute, „gmljoff, bellen Sie, fo laut Sie
tonnen!" fagte er.
©er ©enetal ftuijte einen 2lugenbli<f. ©ann aber begann
er in toaf>rf>aft tünftlerifdjer 33ollenbung unb fo hräftig, als
feine Kefjle bie Hunbelaute nur l;croorjubtingen oermodjtc, ju
bellen.
23eceits eine 9Hinute fpäter jeigte ficf> ber Srfolg. 23on
rechts oorroärts antroortete ein ©orftöter.
©er ^elbmarfcftall lad>te unb rief: „Sefjen Sie, bas Hunbe-
oiel; bort ift auf ben alten ©rid toiebec fjercingefallen. ©ort
reiten toir l>int“
Sef>r halb Ratten bie Herren ein ©orf unb nunmehr aucl?
bie richtige Strafe gcfunben unb trabten »ergnügt if>ren Quar-
tieren ju. 32. K.
?lttflagc loegen Xanjen». — ©ic 22etf)obiften in 2lmerifa
nahmen früher gegen bie fcfjönc unb gefunbe Kunft bcs ©anjens
eine ftreng ableljncnbe Stellung ein. Sine junge mctt>obiftifd>c
©ame, bie gelegentlid; einer Sefudjsrcife auftetl^alb itjres
Heimatortes einen 23all mitgemaefjt batte, tourbc bafjer rtad)
it>rcr 9tüdtef>c »on ben 23orftct>ern ber ©emeinbe in 2lntlagc-
juftanb perfekt. gt>r 93atcr, bet fie oerteibigte, fragte, toorin
bie Sünbe bes ©anjens eigentüd) beftetje. ©ie 2lnttoort toar :
„3m Hüpfen naef) bem ©att ber 92ufif." brad)tc ber
23ater ber Süttberin 3eugen bei, fotoofd ©änjec als 22ufi-
fanten, bie übereinftimmenb ausfagten, bajj bie junge ©ame
beim ©anjen niemals ©att gehalten t>abe. ©arauffntt tourbc
fie frcigefprocj>cn. H* 98.
(Sin i)ortnödiger (Gegner. — ©er fct?lefifcf>s Sbelmantt
Hans 2$ufetoop lag mit bem H cc i°9 93oleslaus oon Siegnits
im Streit. Sfie bie ©cgner aber im Kampfe jufammentreffen
tonnten, ftarb ber H er ä°3 unb würbe in ber Stiftstircfje ju
Saibus begraben, ©er Witter SSufctoop, ber feinen ^einb gern
mit ber Sdjärfe bes Sd?toertcs befiegt Hätte, begrub aber mit
bem ©egner nicf>t feinen Haft. Stuf feinen teftamentarifc^en
22unfcf> tourbc ec nämli<$ na<$ feinem ©obe in QBeljr unb 22affcn
ebenfalls in bet Stiftstircf>e ju Saibus beigefetjt, aber an ber
©ür, bamit if)m am güngften ©age, bei ber 2lufcrftebung ber
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240
SHannigfaltiges.
Btenfchen, ber §erjog nicf?t entgegen fönntc, fonbern fid> ihm
jurn Kampfe ftcllcn müfcte. K. K.
über 93iobctorf|citen itnb itjre gotgeu flogen nicht allein
bie Särjte bcc getjtjeit. ©in englifcfjer 2lrjt namens Bebboes,
ber ju beginn bcs »origen Sahrhunbcrts monatliche 93c-
tnerfungen über bie ©iätetif »eröffentlid>te, erjühlte barin auch
einmal unter 93erfichccung ber völligen 923af?rheit bie folgenbc
fchier unglaubliche Batfache. ©ine S>ame, bie infolge ftarfec
©rfältung im ©terben lag, geftanb ihm, fic unb mehrere ihrer
93cfannten hätten ihre bünnen, faft burchfichtigcn Kleiber, toie
man fic bamals »ielfacb trug, ba folchc fonft „ju lofe unb feemb
um ben Seib gehangen haben mürben“, unb bamit fic mehr
„griechifebe ^orm" erhielten, angefeuchtet, tro^bem es mitten
im 2Binter mar.
Kann man bie 92iobenarrheit noch toeitcr treiben? ©. 21.
mt gemeint. — ©inft fam eine Bauernfrau aus betn ©d)leg,-
migfehen jum König Jriebrich VII. »on ©änemarf, ber auf bem
©djloffe in ©liicfsburg mohnte, um bie Freigabe ihres
einzigen Sohnes »om 92iilitärbienft ju erbitten. Bor bem
2lubienjjimmer jog fie ihre ^oljfcfmhc aus unb fagte ju bem
bienfttuenben 2lbjutanten: „Raffen Sie mir gut auf meine
Bantoffeln auf! Sie haben ja hoch nip anberes ju tun."
2lls fie beit jiemlid) forpulenten König fah, fcf>lug fie bie
§änbc über bem Kopf jufammen unb rief: „Btein ©ott, mat
is hc bief!"
©er König lachte hecjlid) über biefc originelle ^ulbigung
unb erfüllte ihr ihre Bitte, gab ihr fogac bie fd)riftlichc Sufiche-
rung, bafc ihr ©ofm nicht ju bienen brauche, ba bie Jrau es
burchaus fchriftlich haben mollte.
Bachbetn fie ben ©d>ein empfangen, jog bie Bäuerin einen
©alet aus ber $afd?e unb überreichte ihn bem König mit
ben 23ortcn: „Xlnfer ©d;ul 3 e nimmt für alles jmei £aler,
aber ©ie finb 'n reicher 2Itann, ©ie mcrben's ja mohl für
einen tun." — jen. —
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mitfeilen, ob ©ie jum 3eid)ncn Talent fjaben ober
nic^t. Slber audj, wenn ©ie glauben, talentlos ju
fein, machen ©ie, fterr oheT Tarne, jung ober alt,
ben töerfuc^, unfere ®orlage nadj 5 iijcid)ncn, beim
in unfrei örofcfjüre tooQen mit Ötjnen SBcgc ju Tiintt-
lerifdjeu unb praftifdjen Srfolgen toeifen, über bie
©ie erftaunt fein rotrben. 23ir toiffen auS ©r*
fatjrung, ba& oft gerabe ba ein Talent jcfjlummcrt,
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WILSON
ANNEX
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